Münchner Band Dear Henry Bliss:"Für das neue Album haben wir gar nicht geprobt"

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Die Münchner Band "Dear Henry Bliss": Hannah Permanetter, Marc Boysen, Daniel Permanetter und Frank Porzky. (Foto: oh)

Die Münchner Band Dear Henry Bliss hat ihr drittes Album aufgenommen. Sängerin Hannah Permanetter erklärt, wie der typische Münchner Sound klingt, warum ihr Bandname so morbide ist und warum sie nicht gemeinsam proben.

Von Elisa Britzelmeier

Stilistisch sind Dear Henry Bliss irgendwo zwischen Folk, Blues, Country und Indie zu verordnen. Seit 2006 machen Hannah Permanetter, Marc Boysen, Daniel Permanetter und Frank Porzky, der unter anderem bei Süddeutsche.de arbeitet, gemeinsam Musik und haben sich einen guten Ruf in der Münchner Bandszene erspielt. Nun erscheint am 22. März ihr mittlerweile drittes Album "Feeding A Dead Horse" und sie gehen auf Deutschland-Tour.

Süddeutsche.de: Die Mitglieder von "Dear Henry Bliss" leben inzwischen zum Teil in München und zum Teil in Berlin - kann man noch von einer "Münchner Band" sprechen?

Hannah Permanetter: Wir haben uns alle in München kennen gelernt und hier angefangen Musik zu machen. Insofern haben wir auf jeden Fall unseren Ursprung hier. Ob es einen "Münchner Sound" überhaupt gibt, bin ich mir nicht sicher. Wir kennen aber die Probleme vieler Münchner Bands, zum Beispiel die hohen Kosten für Probenräume. Bei uns ging es immer nur, weil wir den Raum untervermietet und mit verschiedenen Musikern geteilt hatten. Inzwischen haben wir keinen Probenraum mehr.

Weil Sie und Ihr Mann in Berlin wohnen, während der Rest der Band in München ist. Da gestaltet sich das Proben wahrscheinlich recht schwierig...

Für die Aufnahmen des neuen Albums haben wir gar nicht geprobt. Jeder hatte die Songs vorher als Demo und sich in seine Favoriten "reingehört". Gemeinsam haben wir dann ein bis zwei Stunden an jedem Song rumprobiert und gleich mal aufgenommen.

Dieses mittlerweile dritte Album habt ihr dann aber weder in Berlin, noch in München aufgenommen, sondern im Allgäu...

Genau, das war in den Räumen eines Ateliers für Bühnenmalerei im Unterallgäu. Wir hatten dort über zwei lange Wochenenden eine riesige Scheune für uns, mit eigener Küche, die wir mit unseren Vorräten belagerten. Unsere Instrumente konnten wir die ganze Zeit stehen lassen, was ja sonst im Studio nicht so einfach ist. Die Atmosphäre im Allgäu hat natürlich die Aufnahmen beeinflusst.

Inwiefern?

Der erste Song auf der neuen CD beispielsweise heißt "Rain" - den haben wir eingespielt, als es in diesem sehr warmen Sommer ein erlösendes Gewitter gab. Der Regen, den man am Anfang der CD im Hintergrund hört, ist echt.

Dann kann jetzt also der große Durchbruch kommen?

Das ist natürlich schwierig und kostet unglaublich viel Zeit und Arbeit. Als deutsche Band mit englischen Texten hat man es schwerer, an Plattenfirmen und Veranstalter zu kommen. Von deutschen Bands wird erwartet, dass sie auf Deutsch singen. Für mich ist Englisch wegen meines musikalischen und persönlichen Hintergrundes normal; ich habe viele englischsprachige Freunde. Es wäre fast eher eine Fremdsprache, wenn ich auf Deutsch schreiben müsste.

Zwischenzeitlich haben Sie ja einige Monate in New York gelebt und dann dort ein paar Konzerte gespielt, als der Rest der Band zu Besuch war. Was war anders als in München oder in anderen deutschen Städten?

Was das Publikum angeht, war New York gar nicht so anders. Die Leute haben zugehört oder nicht, fanden es gut oder nicht - so wie überall auf der Welt. Wir sind dort in sehr unterschiedlichen Locations aufgetreten; von eher touristischen Lokalen bis hin zu einem Laden in Brooklyn voller richtiger New Yorker. Was schon ungewöhnlich ist: in einem Club spielen jeden Abend vier bis sechs verschiedene Bands. Das macht es nicht unbedingt leichter. Von organisatorischer Seite ist es schon eine andere Art, mit der Livemusik-Szene umzugehen. Man bekommt wie selbstverständlich die Möglichkeit, sich zu präsentieren. Zugleich aber ist es den Zuschauern auch relativ egal, wer kommt. Von daher bauen sich kleinere Bands nur schwer eine Fangemeinde auf.

Sie sind ja nicht nur die Sängerin, sondern zugleich auch die Songwriterin der Band und haben die Songs des neuen Albums zu großen Teilen in New York geschrieben. War es ein wichtiges Thema, weg von zu Hause zu sein?

Textlich war New York ein sehr großer Einfluss. In dem Album geht es viel um Dinge, die ich dort beobachtet habe, Kleinigkeiten, Stimmungen, die der Aufenthalt in mir ausgelöst hat. Von der musikalischen Seite her denke ich nicht, dass man New York heraushört.

Dort waren Sie ja auch auf den Spuren von Henry Hale Bliss, nach dem die Band benannt ist...

Ja, Henry war das erste notierte Opfer eines Verkehrsunfalls. Er ist aus einer Trambahn ausgestiegen, wollte einer Dame beim Aussteigen helfen - dann kam ein Elektro-Taxi angerast und hat ihn überfahren.

Dazu gibt es auch einen Song auf dem neuen Album - "Hail to Henry Hale". Um was geht es in dem Song?

Als wir in New York an seinem Unfallort waren, haben wir uns mit Henry Hale Bliss wieder mehr beschäftigt. Doch in dem Song geht es gar nicht direkt um ihn, sondern eher mehr um Eindrücke, die ich in der Stadt gesammelt habe. Es ist als eine Art Hommage gedacht, als feierliches Totengedenken. Zugleich hat es auch ein wenig die Form eines Trinkliedes.

Und wie kommt man dazu, sich nach einem Toten zu bennen?

Dass wir uns nach ihm benannt haben, war gar nicht so wahnsinnig romantisch. Wir hießen zunächst einfach nur "Bliss", merkten dann aber, dass es schon einige Achtziger-Jahre-Bands mit dem Namen gab - außerdem nennen sich leider auch Friseursalons und Nagelstudios gerne so. Wir wollten den Namen aber nicht komplett aufgeben und dann hat die Frau unseres Gitarristen eben diesen Typen, Henry Bliss, entdeckt. Zuerst erschien uns die Geschichte makaber - aber dann hat uns der Name einfach nicht mehr losgelassen. In unseren Texten gibt es ja viel Melancholisches.

Am 22. März um 21 Uhr spielen "Dear Henry Bliss" zur Releaseparty ihres neuen Albums "Feeding A Dead Horse" im Milla Club in München. Einlass ist ab 19.30 Uhr, die Karten kosten 10 Euro. Als Vorband spielt Jesper Munk. Anschließend gehen "Dear Henry Bliss" auf Deutschland-Tour. Mehr Informationen zur Musik gibt es auf www.dearhenrybliss.com.

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