Münchner Bäder:Im Michaelibad werden Kinder und Eltern für sexuelle Gewalt sensibilisiert

Münchner Bäder: Die Münchner Bäder veranstalten die Aufklärungs- und Präventionsaktion "Augen auf!" heuer zum neunten Mal.

Die Münchner Bäder veranstalten die Aufklärungs- und Präventionsaktion "Augen auf!" heuer zum neunten Mal.

(Foto: Stephan Rumpf)
  • 200 bis 300 Fälle sexuellen Missbrauchs werden jedes Jahr in München bei der Polizei angezeigt.
  • Mit der Aktion "Augen auf!" will der Verein Power Child dafür sensibilisieren, schneller Hilfe zu holen.

Von Anna Hoben

Ein Junge klettert im Schwimmunterricht aus dem Becken, dabei rutscht ihm die Badehose herunter. Mit ihren Smartphones machen seine Kumpels ein Foto und stellen es ins Internet. So weit, so hypothetisch, die Situation ist ausgedacht. "Wie wäre das für dich?", fragt Heidrun Holzer den Jungen, der vor ihr steht. Die Frau von der Fachstelle Kinderschutz im Stadtjugendamt ist an diesem Nachmittag ins Michaelibad gekommen, um Kinder und Eltern für das Thema sexuelle Gewalt zu sensibilisieren. Die Münchner Bäder veranstalten die Aufklärungs- und Präventionsaktion "Augen auf!" heuer zum neunten Mal, gemeinsam mit der Arbeitsgemeinschaft Münchner Fachstellen.

"Voll blöd", sagt der Befragte - und differenziert: Wenn nur Jungs das Foto sehen, nicht ganz so schlimm; wenn es auch die Mädchen sehen, ziemlich schlimm. "Und was würdest du dann tun?", fragt Heidrun Holzer weiter. Der Junge überlegt. Das Handy ins Wasser werfen? Geht nicht. Außerdem ist das Foto schon im Netz. Also: einem Lehrer sagen und den Eltern, das Foto bei Google löschen lassen.

Oder, andere Situation: Eine Gruppe Jungs schubst ein Mädchen. "Ich würde sie schlagen", sagt ein Junge zu Holzer. "Wenn du das machst, bekommst du aber selber Ärger", wendet sein Freund ein. Also, darauf kommen die beiden Jungs dann selber, lieber die friedliche Variante wählen und dem Bademeister benachrichtigen.

Darauf aufmerksam machen, dass es immer wieder Übergriffe gibt, und die Menschen ermutigen, dass sie nicht wegsehen, sondern handeln und Hilfe holen: So beschreibt Elisabeth Medem-Stadler vom Verein Power Child den Zweck der Aktion "Augen auf!". 200 bis 300 Fälle sexuellen Missbrauchs werden jedes Jahr in München bei der Polizei angezeigt.

Kinder seien heute dank Prävention schon viel besser geschult als früher. Sie wüssten: "Wenn mir etwas ein schlechtes Gefühl macht, kann ich Hilfe holen." Trotzdem gebe es auch schamhaftere Kinder, die solche Dinge verdrängen. Auch deshalb sei es so wichtig, über die Aktion mit Kindern und ihren Eltern in Kontakt zu kommen.

Medem-Stadler und ihre Mitstreiterinnen haben Fragen mitgebracht, über die sie mit den Kindern ins Gespräch kommen. Die ziehen Zettel, zusammengerollt wie große Lose, aus einer Box, lesen und beantworten die Fragen. Zum Beispiel: "Woran merkst du, dass dir eine Situation unangenehm ist?" Oder: "Ein Mann macht dir komische Komplimente. Als du ihm sagst, dass du das nicht magst, wird er sauer und sagt, es war doch nur nett gemeint. Was tust du?" Oder: "Wer darf dich wie wo anfassen?" Oder: "Du siehst, wie eine Gruppe Kinder um einen Mann herumsteht, und als du näher kommst, hörst du, wie er sie auffordert, in seine Badehose zu schauen. Wie reagierst du?" Das von Eltern am häufigsten angesprochene Thema, sagt Medem-Stadler, sei in diesem Jahr das Filmen und Fotografieren mit dem Smartphone.

Kleineren Kindern zeigen die Beraterinnen ein Wimmelbild, auf dem verschiedene Situationen im Freibad zu sehen sind und anhand dessen diese formulieren können, was für sie in Ordnung ist und was nicht. Außerdem liegen Bilderbücher aus, Klassiker der Prävention, zum Beispiel "Das große Nein" oder "Ich bin doch keine Zuckermaus". Es sind Mutgeschichten mit der Botschaft, dass es okay ist, unhöflich zu sein - etwa wenn ein Kind nicht immer von der alten Tante abgeküsst werden will.

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