Münchens Wirtschaftsgeschichte:  Pleiten und Pannen:Scheitern in Serie

Schrannenhalle

In der Schrannenhalle am Münchner Viktualienmarkt.

(Foto: Stephan Rumpf)

Ob im 19. Jahrhundert oder nach dem Wiederaufbau 2005: Die Schrannenhalle war immer wieder fehl am Platz

Von Wolfgang Görl

Mitte des 19. Jahrhunderts ging es beim Getreidemarkt auf dem Schrannenplatz, dem heutigen Marienplatz, drunter und drüber. Das Areal war klein, das Chaos groß; die Zustände waren so übel, dass sich der Magistrat 1849 veranlasst sah, den Markt zu verlegen. Eine große Halle schwebte den Ratsherren vor, und damit begann eine Serie von Missgeschicken.

Den Auftrag erhielt der städtische Baurat Carl Muffat, der für das Areal zwischen Viktualienmarkt und Angertor eine lang gestreckte offene Eisenhalle entwarf. Gemäß dem Stand der Technik wurden Eisenteile in einer Fabrik vorgefertigt und binnen weniger Monate auf dem Gelände zusammengesetzt. Am 15. September 1853, knapp zwei Jahre nach der Grundsteinlegung, war der rund 430 Meter lange Komplex fertig. Für den Handel und das Lagern von Getreide war er gut geeignet - dumm war nur, dass man bei der Standortsuche nicht den kurz zuvor errichteten Centralbahnhof bedacht hatte. Von der Bahn, dem Transportmittel der Zukunft, war die Schranne so gut wie abgeschnitten, weshalb der überregionale Getreidehandel die Halle links liegen ließ. Nur kleine, regionale Märkte fanden in ihr statt. Weil die Halle für örtliche Schmalz- oder Hundemärkte aber zu groß war, wurde das architektonische Prunkstück von 1914 an sukzessive demontiert, erst der mittlere Teil, 1927 dann der südliche Teil, der dem ersten Münchner Hochhaus zum Opfer fiel, und 1932 verschwand der Rest bei einem Brand.

Und die Unglücksgeschichte könnte damit zu Ende sein. 1978 aber begann ein neues Kapitel: Der Architekturhistoriker Volker Hütsch entdeckte auf dem Gaswerksgelände an der Dachauer Straße Teile der Eisenkonstruktion. Der Stadtrat beschloss daraufhin, das etwa 110 Meter lange Reststück auf dem mittlerweile zum Parkplatz verkommenen Gelände an der Blumenstraße wieder aufzustellen. Nur: Wozu? Die weitere Entwicklung verlief holprig und mitunter schief, Investoren kamen und gingen, Nutzungskonzepte wurden erstellt und verworfen, und um die "Exekution von 52 zum Tode verurteilten Bäumen" zu verhindern, band sich der damalige Stadtrat und Öko-Aktivist Bernhard Fricke auch noch für eine Nacht in der Krone einer dieser Todeskandidaten fest. Freilich vergeblich. Satte 23 Jahre nach dem Grundsatzbeschluss begannen endlich die Bauarbeiten für die neue, alte Halle.

Ende gut, alles gut? Von wegen! Auch die Bauarbeiten verliefen schleppend, Architekten schmissen hin, andere übernahmen, die Kosten verdoppelten sich, und die Stadt und Klaus Thannhuber, der Chef der Deutschen Beamtenvorsorge Immobilienholding AG, die in das Projekt eingestiegen war, verkrachten sich. Eines Tages aber war die Halle zur allgemeinen Überraschung dann doch fertig - und die Münchner standen vor einem Bau, in dem die ehemals filigrane Eisenkonstruktion versteckt war wie in einem Überraschungsei.

Der von der Stadt vorgeschriebene Mix aus Kultur, Gastronomie und Markt hatte fortan ein Sammelsurium aus Belanglosigkeiten zur Folge, das nicht mal Besuchern aus der Provinz imponierte. 2008 war die Betreibergesellschaft pleite, ein neuer Investor, die Hammer AG, versuchte sein Glück und baute erst einmal um. Wieder gab es Marktstandl, Schampusausschank und Gastronomie, nur exquisiter. Feinkost Käfer war im großen Stil dabei, dafür aber kaum Kultur, sofern man die Schokoladen-Erlebniswelt rund um die lila Kuh im Untergeschoss nicht als solche betrachtet. Und im Frühjahr 2015 sah sich Unternehmer Hans Hammer gezwungen, all seinen Mietern zu kündigen. Es war wieder nicht der große Wurf gewesen. Den versucht Hammer nun mit der edlen italienischen Gourmet-Markt-Kette "Eataly". Diese hat sogar eine Filiale in New York. Wer aber in New York erfolgreich ist, hat in der Schrannenhalle noch lange nicht gewonnen.

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