Münchens Messestadt als Ausweichquartier für die Philharmonie:Schöne Ideen und satte Spießer

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Wie SZ-Leser über einen angeblich "dezentralen" Vorschlag denken - und warum manche die Kongresshalle ins Gespräch bringen

"Blamage für die Musikstadt München" vom 20. März:

"Dezentral" - ein Vorurteil

Ich wundere mich doch sehr über die Reaktionen auf die Idee des Kulturreferats, in der Messestadt einen Interimskonzertsaal zu installieren. Dabei frage ich mich, was die Argumentation "dezentral" seitens der Kritiker bedeuten soll? München ist nicht London, Paris oder New York. Die Wege in der Landeshauptstadt sind vergleichsweise kurz. Ganz offenbar kennen die Verantwortlichen der Münchner Philharmoniker oder des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks - ganz zu schweigen von den privaten Konzertveranstaltern - nicht die Möglichkeiten des Münchner Verkehrsverbunds.

Vom Hauptbahnhof braucht man mit der U-Bahn zur Messestadt West circa 20 Minuten. Zugegeben, die Fahrt vom Hauptbahnhof zum Rosenheimer Platz und dem Gasteig ist mit ihren 7 Minuten deutlich kürzer. Wenn 13 Minuten längere Fahrzeit tatsächlich "harte Jahre" bedeuten sollten, wie es auch SZ-Redakteur Christian Krügel in seinem Artikel andeutet, glaube ich: Mit dieser Härte können Musikfreunde leben.

Sollte es tatsächlich um weite Wegstrecken gehen, schneidet die als Alternative genannte Kleine Olympiahalle im Vergleich zur Messestadt schlechter ab. Der Verbindungsplaner des MVV veranschlagt für die Strecke vom Hauptbahnhof zur Kleinen Olympiahalle 27 bis 37 Minuten.

Und mal ganz im Ernst, kann man einen Standort, den jährlich Millionen von Messegästen aus aller Welt besuchen, tatsächlich als "dezentral" bezeichnen? Würde Herr Schubeck sein offenbar gut funktionierendes Vergnügungsetablissement "Teatro" an einen solch dezentralen Ort stellen? Sein Zelt steht seit Jahren in der Messestadt. Es wäre sicher nicht dort, wenn es sich nicht rechnen würde. Dass ein (Interims-)Konzertsaal in der Messestadt das Image eines noch immer unterschätzten Stadtteils verändern würde, steht ohnehin außer Frage.

Ich kann den wehklagenden Verantwortlichen und Veranstaltern nur dringend empfehlen: Hören Sie auf, zu jammern! Schauen Sie in den Fahrplan des Münchner Verkehrsverbunds! Fahren sie selbst einmal die Strecke! Der Weg ist kürzer als Sie glauben! Grüße aus der Messestadt, Gregor Kern, München

Nehmt den Kongresssaal (I)

Es scheint mir ziemlich unverständlich, dass der Kongresssaal im Deutschen Museum nicht als Ausweichquartier benutzt werden kann. Wenn man die 37 Millionen - oder vielleicht genügen ja schon ein paar weniger - für eine Instandsetzung des lange brachliegenden Saales verwenden würde, hätte man eine Spielstätte in der Mitte der Stadt, die von allen gerne besucht würde. Die Frage an Ministerpräsident Seehofer und Oberbürgermeister Reiter ist, ob beide denn nicht ein Machtwort sprechen können zum Wohle der musikinteressierten Bevölkerung. Gerty Apfelbeck, München

Hochkultur passt zur Messestadt

Dass die Münchner Klassikszene provinziell ist, wissen wir spätestens seit der legendären Opern-Premiere in Helmut Dietls "Monaco Franze". Die aktuelle Diskussion über einen Konzert-Ersatzsaal in der Messestadt setzt aber noch einen drauf. Der Standort sei zu dezentral, wird da gejammert. Darf man daraus schließen, dass sich der Anspruch der großen Münchner Orchester darauf beschränkt, Musik für Menschen zu machen, die innerhalb des Mittleren Rings wohnen? Oder dass Hochkultur nur zwei Kilometer rund um den Marienplatz entstehen kann? Weil da die zwiebelförmigen Kirchtürme so hübsch und die gelben Hausfassaden so idyllisch sind? Und weil man da so wunderbar unter sich bleiben kann und sich nicht mit Neuem auseinandersetzen muss?

Ich behaupte: Der Standort ist den Verantwortlichen nicht nur zu weit draußen. Er ist ihnen vor allem nicht etabliert, nicht bürgerlich - böse gesagt: nicht saturiert, nicht spießig genug.

Eine historische Posthalle, ein bisschen modernisiert, die man dann als "gelungene Verbindung von Vergangenheit und Zukunft" verkaufen könnte - das passt ins eingeschränkte und eingefahrene Weltbild einer satten Elite. Aber eine Baugrube am Stadtrand, 300 Meter hinter der Autobahn? Igittigitt!

Was dabei übersehen wird: In Riem leben seit Jahrzehnten Menschen aus über 100 Nationen und mit den unterschiedlichsten sozialen Hintergründen friedlich zusammen. Das ist nicht immer einfach, dazu muss man viel diskutieren, Zugeständnisse machen und sich auf Neues einlassen. Daraus entsteht eine Kultur des Miteinanders - in meinen Augen geradezu eine Art Hochkultur. Wenn die Klassikszene den Anspruch hat, München kulturell nach vorne zu bringen: In der Messestadt ist sie richtig. Hans Häuser, Inzell

Nehmt den Kongresssaal (II)

Über Jahre hinweg wurde der Kongresssaal des Deutschen Museums als Konzertsaal genutzt. Warum sträubt sich das Museumsmanagement gegen eine Wiederbelebung dieses Saales für Musik? Es werden zwar immer Phrasen über die Zusammenarbeit von Kunst und Wissenschaft gedroschen, aber wenn es mal ernst wird und man mal mit einem guten Beispiel glänzen könnte kocht jede Seite ihr egoistisches Süppchen. Es wäre doch eine gute nachbarschaftliche Geste, wenn das Deutsche Museum den Münchner Philharmonikern den Kongresssaal während der Umbauarbeiten des Gasteigs zur Verfügung stellen würde. Den Kongresssaal auf Vordermann zu bringen, dürfte wesentlich kostengünstiger sein als irgendein Provisorium auf der grünen Wiese. Abgesehen von der zentralen Lage des Deutschen Museums. Reinhard Maximilian Kraus, München

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© SZ vom 30.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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