Münchens CSU-Chef Ludwig Spaenle:Feingeist fürs Grobe

Ludwig Spaenle

Seit Juli 2011 führt Ludwig Spaenle den CSU-Bezirksverband München.

(Foto: David Ebener/dpa)
  • Ludwig Spaenle führt den CSU-Bezirksverband in München seit 2011.
  • An diesem Montag muss er sich beim Parteitag der Wiederwahl stellen.
  • Dabei könnte es zur Machtprobe mit seiner Stellvertreterin, der Landtagsabgeordneten Mechthilde Wittmann, kommen.

Von Andreas Glas und Frank Müller

Nur mal angenommen, Ludwig Spaenle wäre einer, in dessen politischem Leben immer alles glatt liefe. Dann wäre er in den letzten Monaten der Kunstminister gewesen, der den Münchnern nach einem reibungslosen internen Verfahren den perfekten Standort für den neuen Münchner Konzertsaal präsentiert hätte. Samt Kosten- und Zeitplan, unter Beifall aller Beteiligten. Er wäre der Schulminister gewesen, der das Gymnasialchaos, unter dem das Land auch zehn Jahre nach der Einführung von G 8 leidet, mit einem Befreiungsschlag beendet hätte. Und er wäre der Münchner CSU-Chef gewesen, mit dem keiner mehr die düsteren Mauscheleien aus der Ära seiner Vorvorgängerin Monika Hohlmeier verbindet.

Jedoch: Ludwig Spaenle ist nicht der Mann für glatte politische Abläufe. Wo Spaenle ist, da rumpelt's, da fließt im übertragenen Sinne Blut oder mindestens Schweiß. An diesem Montag muss Spaenle sich beim Münchner CSU-Parteitag der Wiederwahl stellen, es beginnt seine dritte Amtszeit. Doch natürlich gibt es wieder Gezerre im Hintergrund.

Nach einigen Querelen der vergangenen Monate läuft die Wahl von Spaenles vier Stellvertretern - eigentlich eine Formsache - nicht so richtig rund. Es ist wie immer: Nichts geht von alleine, immer muss der Chef ran. Nicht immer werden die Dinge dadurch einfacher. Aber am Ende läuft alles dann schon irgendwie.

"So ein Posten saugt dich auf"

Es ist eine Art immerwährender Überlebensmodus. Nur das ist die Atmosphäre, in der sich Spaenle, der am Dienstag 54 Jahre alt wird, auch wohl fühlt. Das Landtagsplenum in dieser Woche, er hat sich Zeit für zwei Tassen Kaffee freigeschaufelt, nachdem er gerade mal wieder im Plenum von der Opposition seine Gymnasiumsreform um die Ohren gehauen bekam. Spaenle hat Stress, Spaenle hat eigentlich immer Stress.

6081 Mitglieder

hat die CSU in München. Zum Vergleich: Vor zwölf Jahren waren es noch 9125, dann kam die Perlacher Wahlfälschungsaffäre - und es ging stetig bergab. Die Hauptursache, heißt es in der CSU, sei aber die Altersstruktur. Die alten Mitglieder sterben, aber junge kommen fast keine nach. Ein Problem, mit dem die CSU freilich nicht allein ist. Vom Mitgliederschwund sind in Deutschland praktisch alle Parteien betroffen.

Wird's ihm zu viel? Das sind die Fragen, auf die Spaenle ein vergnügtes Gesicht zieht. Sein Mund wird ein u-förmiger Bogen wie bei einem Smiley, er streckt die Nase nach vorne. "Stress?", fragt dieses Gesicht wortlos, "ich?" Er mag es, wenn es rustikal und grob zugeht, die Auswirkungen auf das eigene Leben sieht er emotionslos: "So ein Posten saugt dich auf", sagt er, aber das ist keine Klage, eher eine nüchterne Stellenbeschreibung. "Du musst dich takten."

Superminister im permanenten Krisenmodus

Dabei ist ihm wirklich viel um die Ohren geflogen in letzter Zeit. Schon der Normalfall ist bei Spaenle ein Kraftakt. Er ist der Wissenschafts-, Schul- und Hochschulminister, einer aus der Handvoll Superminister also in Horst Seehofers Kabinett. Gerade bei solchen Führungsfiguren gefällt es Seehofer mitunter, die Schraube zusätzlich anzuziehen. Chaotische Wochen um in Haushaltsplänen verschwundene Lehrerstellen, die Teilrückkehr zu G 9, die Seehofer einleitete - und dann die Tollhaus-Wochen um den Konzertsaal.

Spaenle musste hinter Seehofer herdackeln, der munter den Plan von der Gasteig-Zwillingslösung mit zwei Orchestern in einem Konzertsaal entwickelte. Spaenle hat davon nie etwas gehalten, aber das würde er so nicht sagen. Als die Not am größten war, startete er einen Befreiungsschlag mit der Idee, den Saal im Olympiapark zu bauen. Seitdem ist Ruhe an dieser Front. Für wie lange?

Vor allem diese Diskussion hatte Spaenle zugesetzt. Er bekam die Prügel aus den Kreisen, denen er sich eigentlich zugehörig fühlt: dem kulturbeflissenen Bürgertum, den Professoren, den historisch Gebildeten. Spaenle saß in Podiumsdiskussionen, ließ sich fast schon widerstandslos abwatschen. Als er dann den Satz sagte, seine Aufgabe sei es nur, "Alternativen vorzubereiten, die Entscheidung ist dann eine politische", war eigentlich die Grenze der Selbstachtung unterschritten.

Wie die Wahl am Montag zur Machtproble für Spaenle wird

Doch diese Schwelle gibt es einfach nicht bei ihm. Spaenle ist ein Feingeist, einerseits. Einer, der gern ohne Krawatte kommt und sich den Schal zwanglos um den Hals schlägt. Aber er ist auch ein, pardon, Frontschwein. Einer, der 1974 in die Schüler-Union ging, ein Jahr später in die Junge Union, der bis heute Mitglied im Bezirksausschuss Schwabing-Freimann und dort auch einigermaßen präsent ist. Spaenle klappert seine Orts- und Kreisverbände mit höchstem Tempo ab. Er ist quasi immer da.

Wenn eine Podiumsdiskussion für ihn schlecht läuft, steht er beim Empfang danach am ausdauerndsten da und erzählt, mit dem Bierglas in der Hand, mit dröhnender Stimme Witze. Spaenle ist im Kleinen wie im Großen präsent, das ist seine Lebensversicherung. Die wirklich Großen in der CSU sind die Kabinettsmitglieder, die gleichzeitig einen Bezirksverband führen. Markus Söder macht das so, Ilse Aigner, Joachim Herrmann.

Spaenle verpasst der Münchner CSU ein neues Image

In der Münchner CSU ist diese Herausforderung eine besondere. Sie war einmal eine bis ins Reaktionäre gehende Gruppierung in der CSU, unter Spaenle bekam sie das Image der liberalen Großstadtpartei. Aber wie liberal ist sie wirklich? Nach außen tragen alle Spaenles Kurs mit, weil die meisten kapiert haben, dass mit konservativer Politik in einer Großstadt nicht mehr viel zu holen ist. Aber im Inneren gibt es ihn noch, den Kampf der alten gegen die neue CSU. Spaenle und Bürgermeister Josef Schmid feiern lustig beim Christopher Street Day (CSD), während die Mehrheit der CSU-Stadträte nicht einmal für einen einzigen Tag schwule und lesbische Ampelmännchen leuchten sehen will.

Auch bei den großen Themen, etwa in der Flüchtlingsfrage, schlagen "zwei Herzen in unserer Brust", wie CSU-Stadtrat Michael Kuffer es neulich beschrieb. Das schlägt sich auch in einem von Spaenle selbst mitverfassten Asyl-Antrag für den Parteitag nieder. Einerseits legt man sich ins Zeug für "die Menschen, die in den Mauern unserer Stadt Unterkunft und Hilfe suchen". Und dann fordert man gleich darauf, aus Seenot gerettete Flüchtlinge sollen zurückgeführt werden "in die Anrainerstaaten des vermutlichen Reisebeginns".

Und dann gibt es da noch die internen Scharmützel, die Spaenle zu schaffen machen. Er hatte ja ziemlich gepoltert, als es im Frühjahr so aussah, als wollten Drahtzieher aus dem Kreis der Jungen Union interne Wahlen manipulieren, um Mandatsträger abzuservieren und eigene Karrieren zu fördern. Darüber hat sich Spaenle geärgert, viel wütender aber war er, dass jemand aus der eigenen Partei die Presse über die Intrigen informiert haben musste. Das sei "grob parteischädigend", sagte Spaenle damals, und kündigte an, bei den Delegierten "dafür zu werben", dass der vermeintliche Maulwurf bei nächster Gelegenheit abgewählt werde.

Worum es bei der Wahl am Montag geht

Diese Gelegenheit bietet sich am Montag, wenn die Partei ihren Vorstand neu wählt. Denn den Maulwurf sieht CSU-Chef Spaenle offenbar in seiner Stellvertreterin, der Landtagsabgeordneten Mechthilde Wittmann. Bis vor Kurzem soll es Überlegungen gegeben haben, die junge Stadträtin Kristina Frank als Gegenkandidatin auf Wittmann anzusetzen. Spaenles Problem: Wittmann hat viele Anhänger in der Partei, das wurde Mitte Mai deutlich, als ihr Kreisverband sie als Vizechefin bestätigte - und Stadtrat Alexander Dietrich, Wittmann-Gegner und enger Vertrauter von Kristina Frank, aus dem Vorstand wählte.

Wohl auch deshalb hat Spaenle inzwischen bestätigt, dass es am Montag keine Gegenkandidatin für Wittmann geben werde. Er will sich nicht blamieren, falls er die Kraftprobe verliert. Stattdessen soll Spaenle daran arbeiten, Wittmann wenigstens einen Denkzettel zu verpassen - in Form eines schlechten Wahlergebnisses. Aus der Partei heißt es jedenfalls, Spaenle werbe bei den Delegierten darum, Wittmann nicht zu wählen.

Einer wird all das am Montagabend besonders aufmerksam verfolgen: Parteichef Seehofer ist beim Parteitag dabei. Er selbst hat seine Stellvertreterriege gerade erst ziemlich geräuschlos neu aufgestellt.

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