München/Neubiberg:Geschichten von der Straße

Neubiberg, Schüler des Gymnasiums, die in ihrem P-Seminar in Magazin rund um Obdachlosigkeit erstellen

Redaktionssitzung: Laura Russo, Daniel Fischer und Benjamin Brown (von links) bei der Arbeit am Magazin zum Thema Obdachlosigkeit.

(Foto: Angelika Bardehle)

Schüler des Gymnasiums Neubiberg arbeiten im Rahmen eines Projekt-Seminars an einem Magazin über Obdachlosigkeit in München. Der Erlös aus dem Verkauf des Heftes soll komplett an Betroffene gespendet werden

Von Daniela Bode, München/Neubiberg

Es gibt Projekt-Seminare in der gymnasialen Oberstufe, bei denen die Schüler probeweise ein Unternehmen gründen. Es gibt aber auch P-Seminare, bei denen die Schüler etwas fürs Leben lernen und dabei noch etwas Gutes tun. "Vor unseren Türen" am Gymnasium Neubiberg ist so ein P-Seminar. Laura Russo, Benjamin Brown, Daniel Fischer und elf andere Elftklässler erstellen ein Magazin mit selbst verfassten Artikeln über Obdachlosigkeit in München, werden es selbst vermarkten und den Erlös zu 100 Prozent an Obdachlose spenden.

"Ich finde es eine tolle Herausforderung, weil es anders ist, weil man sich überwinden muss, aus dem Angenehmen herauszutreten und die Obdachlosen anzusprechen", erklärt Russo ihre Motivation für das Seminar. "Ich wollte ein P-Seminar mit Anspruch belegen", begründet Brown seine Wahl. "Ich habe mich für das Journalistische interessiert", sagt Fischer.

Die Schüler sind das Magazin systematisch angegangen. Von Autoren haben sie sich die journalistischen Grundregeln beibringen lassen. Bei einer Stadtführung organisiert vom Obdachlosen-Magazin Biss verschafften sie sich einen Überblick über die Lage in der Stadt. Dann machten sie sich auf zu Stellen, an denen sich üblicherweise Obdachlose aufhalten wie die Heilig-Geist-Kirche, die Wittelsbacherbrücke oder Stachus und Hauptbahnhof, und sprachen mit den Menschen in Not. Rund um Weihnachten verteilten sie dort Decken, die sie zuvor bei einer selbst organisierten Kleidersammlung erhalten hatten. Ebenso nahmen die Schüler Kontakt zu Obdachloseneinrichtungen auf. Zurzeit besuchen manche von ihnen Obdachlosenheime, zuletzt in Obermenzing. Ihr Geografie-Lehrer Tobias Briegel stehe ihnen stets für Fragen zur Verfügung, erzählen die Schüler. Mit ihm besprechen sie im P-Seminar vor allem das Organisatorische.

Die Elftklässler sind sehr motiviert, sie kommen gut voran. Einige Geschichten stehen schon, einige müssen noch geschrieben werden. Herausgekommen sind vielfältige, informative und sehr lesenswerte Texte über verschiedene Schicksale, die das Magazin füllen werden. "Im Moment, wenn ihr das wissen wollt, da übernachte ich im Waschsalon", beginnt etwa einer der Artikel. Er schildert anhand der Geschichte von Bruno, der vor der Heilig-Geist-Kirche seinen Platz hat, wie sich ein Obdachloser fühlt und wie er auf der Straße landete.

Benjamin Brown schrieb eine Reportage über die Strapazen, die ein illegaler Einwanderer aus Eritrea auf seiner Reise erlebte . Der hat in Deutschland nur Zwischenstation gemacht, um nach Schweden zu kommen - dort hat schließlich sein Cousin schon Asyl bekommen. Die Textformen sind bunt gemischt. Eine Zitatesammlung mit dem Titel "Menschen mit Herz" beleuchtet beispielsweise, welche Gedanken sich Obdachlose über die an ihnen vorbeilaufenden Menschen machen und was sie sich von ihnen wünschen. "Oft wünschen sie sich einfach, dass man sich mit ihnen unterhält", erzählt Russo.

Wie war es nun, als sie Obdachlose ansprachen? "Sie waren sehr freundlich", sagt Fischer. Auch Russos Erfahrungen waren positiv. "Sie haben gleich ihre Lebensgeschichte erzählt und sich gefreut, ein Sprachrohr zu bekommen", sagt die 17-Jährige. Noch bis September soll die Schreibphase dauern. Parallel kümmern sich ein paar Schüler ums Layout. Das Magazin soll rund 100 Seiten haben und in einer Auflage von mindestens 100 erscheinen. Möglich wäre auch eine deutlich höhere Auflage, ob sie verwirklicht werden kann hängt von den Druckkosten und Einnahmen aus Aktionen und Sponsoring ab. Bis jetzt ist den Schülern die Unterstützung des Schulfördervereins, einer Stiftung und eines Verlages sicher. Auch durch den Verkauf von Punsch haben sie Geld erwirtschaftet.

Für Laura Russo, Benjamin Brown, Daniel Fischer und die anderen Teilnehmer heißt es nun, noch ein paar Ideen für Geschichten zu finden und viele Magazine zu verkaufen. Ihre eigene Wahrnehmung von Obdachlosen hat sich schon geändert. "Wie schnell man obdachlos werden kann", ist eine Erkenntnis, die Brown gewonnen hat. Fischer macht sich nun "mehr Gedanken, wenn man Leute betteln sieht, was ihnen wohl passiert ist". Vielleicht können sie mit dem Heft auch bei anderen etwas bewegen: "Wir hoffen, dass es den Menschen gefällt und hilft, ihnen die Augen zu öffnen, bei einem Obdachlosen mal anzuhalten und ihm einen Kaffee anzubieten oder zu helfen", sagt Russo.

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