München/Neubiberg:Diskussion über einen Zombie

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Seit 1994 bestehen die Pläne für die Südanbindung Perlach. Doch bislang debattieren München und Neubiberg immer noch darüber, ob und in welcher Form es eine Entlastungsstraße geben könnte

Von Daniela Bode und Stefan Mühleisen, München/Neubiberg

Es gibt Verkehrsprojekte in München und dem Umland, die sind wie Zombies: Sie werden immer wieder beerdigt, obwohl sie nicht gestorben sind. Doch dann tauchen sie plötzlich wieder auf aus dem Projekte-Grab. Die Südanbindung Perlach (SAP) ist so ein Zombie; weder lebendig noch tot, geistert sie jetzt wieder durch die öffentliche Debatte. Womöglich geht die Geschichte dieses ewigen Untoten nun aber doch in die finale Phase.

Es geht dabei um eine Verbindungsstraße die einerseits die südlichen Stadtviertel, andererseits auch eine große Neubausiedlung in der Vorortgemeinde Neubiberg vom Verkehr entlasten soll. Die 13 500-Einwohnerkommune ist inzwischen so genervt von dem langen Hin und Her, dass jetzt eine Mehrheit im Gemeinderat das Projekt endgültig ad acta legen will. Für die Münchner Rathauskoalition ist die SAP aber nicht tot. Noch nicht.

Die Verhandlungen, so sagen CSU und SPD, sollten weitergehen. Die Fraktionen betonen aber auch, dass endlich eine Lösung her muss. Dies könnte die "Münchner Lösung" sein, eine Planvariante, die ohne die Nachbarkommune auskommt. Die Koalitionäre sind allerdings uneins, ob dies jetzt durchgezogen werden soll. Gut möglich, dass bald eine Entscheidung fällt. Denn das Planungsreferat kündigt an, im ersten Quartal 2016 im Stadtrat das Ergebnis einer Machbarkeitsstudie zur "Münchner Lösung" vorzustellen.

Die Geschichte der Südanbindung Perlach reicht zurück bis ins Jahr 1994. Damals wollte sich die Löwenbräu-Brauerei auf einem Grundstück an der Stadtgrenze, südlich der Nabburger Straße, ansiedeln; eine 2,5 Kilometer lange Trasse zwischen Unterhachinger Straße im Westen und Carl-Wery-Straße im Osten sollte Entlastung schaffen. Das kam Neubiberg sehr gelegen, denn die Gemeinde plante unweit davon das neue Wohngebiet "Vivamus". Doch Löwenbräu stoppte die Umzugspläne, damit war das Interesse der Stadt an dem Straßenprojekt erlahmt.

Das Gegenteil war in Neubiberg der Fall. Politik und Bürger wurden nicht müde, auf die Einhaltung des städtebaulichen Vertrags zu pochen, der mit der Landeshauptstadt vereinbart worden war. Doch die SAP blieb in der Schublade - bis sie das Planungsreferat vor zwei Jahren wieder hervorholte. Nun sollte jedoch nur der Westabschnitt realisiert werden. Denn es erscheint immer dringender, das Gewerbegebiet rund um die Bayerwaldstraße sowie das Neubaugebiet "Perlacher Tor" - die Bauarbeitern haben eben erst begonnen - besser zu erschließen. Dazu kursieren angeblich Pläne für eine Bebauung des ehemaligen Löwenbräu-Areals.

Diese "Stummellösung" ist für die Neubiberger bis heute nicht akzeptabel - denn für "Vivamus" würde dies kaum Entlastung bringen. Ganz oder gar nicht - so lautet die Neubiberger Einstellung. Allerdings gibt es noch eine Variante: die "Münchner Lösung". Sie heißt so, weil die Stadt sie alleine ohne Neubiberg durchziehen kann. Das ist ein Verbindungsstück von der Unterhachinger zur Unterbiberger Straße südlich der Nabburger Straße. Ob dies nun eine adäquate Lösung sein kann, soll die Machbarkeitsstudie zeigen.

Im Neubiberger Gemeinderat glauben viele: München macht sowieso, was es will. Die Mehrheit im Gemeinderat hat nun per äußerst knappem Beschluss die politische Linie beschlossen, die SAP nicht weiterzuverfolgen. Das bedeutet: Der Bürgermeister ist gehalten, die Verhandlungen einzustellen. Die Koalitionäre im Münchner Rathaus sehen den Dialog aber noch nicht als beendet an. Allerdings mit unterschiedlicher Gewichtung. Die CSU plädiert fürs Abwarten. "Ich bin dafür, dass weiter verhandelt wird", sagt der christsoziale Fraktionsvorsitzende Hans Podiuk. Womöglich, so spekuliert er, gebe es in fünf Jahren einen Kompromiss, der für beide Seiten tragbar ist. Die "Münchner Lösung" sieht er dabei als letzte Möglichkeit, "wenn überhaupt keine Lösung zusammen geht".

Die SPD mag ebenfalls noch nicht an ein Aus für den Austausch glauben, sieht aber eine baldige Entscheidung als nötig an. "Es kann keine dauerhafte Lösung sein, dass der Schwerlastverkehr durch Altperlach fährt", sagt SPD-Verkehrssprecher Ingo Mittermaier. Er bleibt bei seiner Haltung, die er schon einmal im Neubiberger Gemeinderat vertreten hat: "Für die Gesamttrasse gibt es keine politische Mehrheit." Die Realisierung des Westabschnitts sei die bessere Lösung. Wenn Neubiberg sich aber dagegen sperre, müsse der Stadtrat die "Münchner Lösung" ins Auge fassen.

Für Neubibergs Bürgermeister Günter Heyland ist die SAP in ihrer alten Form beerdigt, so will es die Mehrheit im Gemeinderat. "Ich bedauere die Entscheidung, weil sie ohne Not getroffen wurde, und weil es zu wenig ist, etwas abzulehnen, aber keine Alternative zu bieten." Er nimmt das Votum hin - hatte dies zuvor aber noch vom Landratsamt auf rechtliche Gültigkeit hin überprüfen lassen. Er wolle den Beschluss "nicht beanstanden", so Heyland, da dieser keine negativen Folgen für die Gemeinde habe. Er kündigt jedoch an, weiter mit der Stadt München über die bauliche Entwicklung am südlichen Stadtrand und am nördlichen Ortsrand Neubibergs zu verhandeln. Dazu gehört auch die Verkehrsabwicklung in Ost-West-Richtung.

So dürfte auch in der Nachbarkommune das allerletzte Wort über das Zombie-Projekt noch nicht gesprochen sein. Wobei Bürgermeister Heyland den Vergleich mit Untoten unangemessen findet. "Ein Zombie ist ja etwas Belastendes für die Bevölkerung, aber die Südanbindung Perlach wäre etwas Entlastendes."

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