München/Athen:Jugendlicher erschießt Sozialarbeiter

Eigentlich hätte der schwer erziehbare 14-Jährige durch den vom Münchner Sozialamt finanzierten Aufenthalt in Griechenland zu einem besseren Menschen werden sollen. Statt dessen hat er seinen Betreuer erschossen - mit einem Bolzenschussgerät, von hinten.

Der 15-jährige Deutsche ist festgenommen worden. Der Jugendliche war vom Sozialamt München nach auf die griechische Halbinsel Peloponnes geschickt worden, wie das bayerische Sozialministerium mitteilte.

Dort habe der Jugendliche sein ebenfalls aus Deutschland stammendes Opfer im Dorf Douneika hinterrücks umgebracht. Der 63 Jahre alte Mann wollte gerade einen Reifen an einem Wagen wechseln, berichtete ein Polizeisprecher. Ein Bolzenschussgerät wird normalerweise zur Betäubung von Schlachttieren eingesetzt.

Eine Nachbarin hatte das Verbrechen am Dienstag entdeckt und die Polizei alarmiert. Als die Beamten anrückten, soll der 15-Jährige eine Tränengasgranate geschleudert haben. Danach habe er gedroht, sich mit einer Luftpistole das Leben zu nehmen. Schließlich hätten die Beamten den 15-Jährigen zur Aufgabe bewegen können, berichtete die griechische Presse.

Der Sozialarbeiter unterhielt in dem Dorf ein Haus zur gesellschaftlichen Wiedereingliederung von Jugendlichen. Der 15-Jährige sei in Deutschland von einer kleinen sozialen Einrichtung im Schwarzwald betreut worden, berichtete ein Sprecher des baden-württembergischen Sozialministeriums.

Diese habe wahrscheinlich auch den Auslandsaufenthalt organisiert. Zuvor hatte der Junge mehrere Jahre in Baden-Württemberg gelebt. Das Jugendamt München sei als Kostenträger für den Jungen zuständig gewesen, da zumindest eines der Elternteile in München lebe, so der Sprecher.

Der Täter soll nach griechischen Behördenangaben bereits im vergangenen Sommer in Douneika bei dem Sozialarbeiter gewesen sein. Er soll nun einer psychiatrischen Untersuchung unterzogen werden.

Probleme bei der Finanzierung der Sozialarbeit

20 bis 30 Kinder kamen nach griechischen Zeitungsberichten Jahr für Jahr aus Deutschland ins 600 Meter vom Dorf entfernt gelegene Haus des 63-Jährigen. In der letzten Zeit habe der Sozialarbeiter Probleme mit der Finanzierung seiner Arbeit durch deutsche Behörden gehabt, berichteten Zeitungen. Einige Kinder sollen sich beschwert haben, dass sie nicht richtig behandelt worden seien.

"Ich kannte das Opfer. Er war ein lieber Mensch", sagte ein Nachbar des Sozialarbeiters entsetzt. Der 63-Jährige war verheiratet und hatte zwei Kinder, die ihn nach Aussagen von Nachbarn immer wieder besuchten. "Er war immer guter Laune. Er kam immer wieder ins Café des Dorfes", erinnerte sich ein Nachbar in einem Bericht eines Radiosenders.

Gestzesänderung geplant

In Berlin sind unterdessen Pläne der Bundesregierung bekannt geworden, die umstrittene Resozialisierung kriminell gewordener Jugendlicher im Ausland schärfer zu kontrollieren. Eine Sprecherin des Bundesfamilienministeriums sagte am Mittwoch, man plane eine entsprechende Änderung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes.

"Zutiefst erschüttert und schockiert" zeigte sich Bayerns Sozialministerin Christa Stewens über den Fall. "Auslandsprojekte werden zum Teil als "schnelle Lösung" für extreme Problemfälle genutzt, in der Erwartung, dass die betreffenden jungen Menschen "geläutert" zurückkommen", kritisierte Stewens.

Betreuungsmaßnahmen im Ausland dürften nicht mehr angeboten werden. Richtiger wäre ein abschreckender Effekt, sagte die CSU-Politikerin und Mutter von sechs Kindern. Ein Entwurf zur Neuregelung des Paragrafen 35 Jugendhilfegesetz hatte Bayern bereits vor einiger Zeit im Bundesrat eingebracht.

Der Leiter des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen, Christian Pfeiffer, hält die so genannte Erlebnispädagogik für problematisch. "Damit exportieren wir unsere Probleme in andere Länder", sagte er der dpa. Es gebe mehrere Fälle, in denen Jugendliche im Ausland schwere Straftaten begangen hätten.

(sueddeutsche.de/dpa/AP)

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