Zahl der Nichtschwimmer alarmierend:Schwimmen: Sechs!

Immer weniger Kinder können sich sicher im Wasser bewegen - Stadtwerke und Schulreferat sehen die Verantwortung bei den Eltern.

Carla Christina Bleiker

Ums Schwimmen geht es in vielen Bädern schon lange nicht mehr. Die Münchner Stadtwerke zum Beispiel preisen ihre modernen Saunalandschaften an, von Massageliegen und Aquafitness liest man im Internet. Andere Schwimmbäder werben mit kurvigen Wasserrutschen oder abenteuerlichen Sprungtürmen. Ganz altmodisch Bahnen schwimmen? Längst ins Hintertreffen geraten. Und das wird zunehmend zum Problem.

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Rund 40 Prozent der Zehnjährigen können nicht schwimmen. Sie leben damit nicht nur gefährlicher, ihnen entgeht auch ein Stück Lebensqualität.

(Foto: Johannes Simon)

"Die Anzahl von Kindern, die schwimmen können, wenn sie die Grundschule verlassen, ist in den letzten Jahren um 25 bis 30 Prozent zurückgegangen", beklagt sich Rosemarie Radl vom Bayerischen Schwimmverband (BSV). Als einen der Gründe dafür nennt sie die Ausbreitung von Spaßbädern.

"Die Rutschen und all das Drumherum hindern die Kinder beim Schwimmen lernen", sagt Radl. "Und für die Spaßbäder müssen Sportschwimmflächen weichen, die eigentlich dringend gebraucht werden." Diesen Mangel beklagt auch Michael Förster, Pressesprecher der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) Bayern. Er findet es bedenklich, dass sich die Bäder nicht in der Lage sähen, mehr Platz für Schwimmkurse zur Verfügung zu stellen.

Doch die Münchner Bäder, betrieben von den Stadtwerken München (SWM), sehen sich als Orte der Entspannung oder des Vergnügens für alle Münchner und Touristen. Wassertreten für Senioren, der Nachmittagsausflug von Familien: Nicht nur die Schwimmanfänger hätten Anspruch auf eine Bahn, sagt Silke Müller, die für die Bahnbelegung in den Münchner Bädern zuständig ist. "Wir können ein Schwimmbad nicht einfach zumachen für Kurse!"

Eltern in der Verantwortung

Trotzdem seien die Münchner Bäder gut ausgelastet. Pro Woche finden im bald endenden Schuljahr 279 Schwimmkurseinheiten von Münchner Schulen in den acht Münchner Hallenbädern statt, die dafür geeignet sind. Die Stadtwerke registrieren aber auch, dass die Nachfrage von Seiten der Schulen zurückgeht. Silke Müller findet das besorgniserregend: "Das bedeutet ja nicht nur weniger Klientel für uns. Es ist für die Kinder eine Gefahr, wenn sie nicht schwimmen können."

Schon vor zwei Jahren hat die DLRG aus genau diesem Grund Alarm geschlagen. Ihr Sprecher Förster sagt, an den Nichtschwimmerzahlen von damals habe sich leider nicht viel geändert: "Noch immer können rund 40 Prozent der Zehnjährigen nicht schwimmen."

Er sieht hier vor allem die Eltern in der Verantwortung. Sie müssten ihren Kindern selbst das Schwimmen beibringen oder zumindest dafür sorgen, dass sie einen geeigneten Schwimmkurs besuchen. "Die einzige Chance, um die Situation zu verbessern, ist dass Eltern ihre Verantwortung und ihre Erziehungsaufgabe ernst nehmen", behauptet Förster.

Weil die Schüler gegenüber ihren Lehrern immer undisziplinierter aufträten, sei Schwimmunterricht in der Schule zu erteilen zunehmend schwierig. Man könne also die Verantwortung für die Schwimmfähigkeit der Kinder nicht allein den Lehrern übertragen.

Mit dieser Ansicht steht der Mann von der DLRG nicht alleine da. Edith Rugenbauer, Pressesprecherin im Sportamt des Münchner Schul- und Kultusreferats, hört gar nicht mehr auf zu reden, wenn man sie auf die vermeintliche Bringschuld der Schulen in Sachen Schwimmunterricht anspricht. "Es ist nicht gewährleistet, dass Kinder nach zwei Jahren Schulunterricht schwimmen können", betont Rugenbauer. "Man kann den Lehrern nicht die komplette sportliche Erziehung übertragen."

Die Schule soll ihrer Meinung nach nur einen Anstoß geben. Wenn die Kinder ihre ersten Erfahrungen im Wasser gemacht hätten, komme es eben auch auf die Förderung durch die Eltern an. Freilich sei mehr Schwimmunterricht wünschenswert, sagt Rugenbauer. Doch zusätzliche Stunden hier würden mit anderen Fächern kollidieren - und mehr Geld kosten.

Überleben im Wasser

Erst am Samstag ertrank am Feringasee ein 28-Jähriger, der laut Wasserwacht nicht gut schwimmen konnte. Bei wie vielen der insgesamt 59 Personen, die im vergangenen Jahr laut Statistischen Landesamt durch tödliche Badeunfälle ums Leben kamen, das der Grund war, weiß niemand.

Die Todesfälle, so schätzt Martin Rabl, der Geschäftsführer der Wasserwacht Bayern, sind oft auch auf Leichtsinn, Alkohol und vor allem Hitze zurückzuführen. Wenn wie in diesem Jahr die Temperatur so plötzlich von 12 auf 32 Grad steigt, hat der Körper keine Chance, sich an die subtropischen Verhältnisse zu gewöhnen. Der Schwimmer ist müde und erhitzt und erleidet einen Kreislaufkollaps.

"Wenn das im Wasser passiert, geht man halt einfach unter", sagt Rabl trocken. Auch deshalb müssten Kinder schon früh schwimmen lernen, sagt Rosemarie Radl vom BSV. Weil sie dann auch Situationen wie die plötzliche Sommerhitze besser einschätzen könnten. Einen besonders hohen Bedarf an Schwimmunterricht sieht Radl bei Kindern aus Ausländerfamilien, in denen die Eltern selbst nicht schwimmen können.

Und es geht ja nicht nur ums Überleben im Wasser. Nichtschwimmern entgehe einfach viel im Leben, sagt Radl. "Es ist lebensbedrohlich für Kinder, wenn sie nicht schwimmen können, das ist das eine. Es geht ihnen aber außerdem wirklich ein Stück Lebensqualität verloren."

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