Sexualtäter kommt frei:"Hochgefährlich für Kinder"

Er hat ein Baby und einen Elfjährigen sexuell schwer missbraucht. Nun ist der 34-jährige Täter wieder auf freiem Fuß - obwohl ein Richter ihn für bedrohlich hält.

Andreas Salch

Das Münchner Landgericht hat die Sicherungsverwahrung eines mehrfachen Sexualstraftäters abgelehnt. Markus W. hatte vor sechs Jahren ein Baby in Taufkirchen und einen elf Jahre alten Jungen in Pfaffing sexuell schwer missbraucht. Dafür wurde er 2005 zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt. Doch seit Montag ist der 34-jährige Bürokaufmann, der Zeitungsinserate als Babysitter schaltete und so Kontakt zu seinen Opfern fand, wieder auf freiem Fuß.

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Der 34-jährige Täter ist wieder frei. Ein psychiatrisches Gutachten hat er mehrfach abgelehnt.

(Foto: AP)

Wäre es nach der Staatsanwaltschaft am Landgericht München I gegangen, hätte Markus W. nicht in Freiheit, sondern in die Sicherungsverwahrung kommen sollen. Doch dies lehnten die Richter der 11. Strafkammer ab.

Die Entscheidung war zu erwarten. Das Gericht hatte gar keine andere Möglichkeit. Der Kammer lagen nämlich keine "neuen Tatsachen" vor, die zum Zeitpunkt der Verurteilung von Markus W. im September 2005 vor dem Münchner Landgericht nicht schon bekannt waren. Diese aber fordert das Gesetz, wenn es um die Entscheidung geht, ob gegen einen Straftäter nach Verbüßung der Haftstrafe die nachträgliche Sicherungsverwahrung angeordnet werden darf, die die Person des Angeklagten in einem neuen Licht erscheinen lassen.

Der Vorsitzende Richter der 11. Strafkammer Reinhold Baier übte bei der Urteilsverkündung am Montag auch Kritik an dem Verfahren vor fünf Jahren. Die Richter hätten damals gewusst, dass bei dem Angeklagten eine "Persönlichkeitsstörung" diagnostiziert worden sei. Es wäre "theoretisch" möglich gewesen, so der Vorsitzende, diese Diagnose angemessen zu berücksichtigen. Doch das geschah nicht.

Dass die Folgen der Entscheidung seiner Kammer gegen die Sicherungsverwahrung bedenklich seien, räumte Richter Baier ohne Umschweife ein. Bei Markus W. lägen "zweifellos alle Merkmale" vor, die ihn zu einer "Gefahr für die Allgemeinheit" machten. Ohne Therapie, so Baier weiter bei der Urteilsbegründung, sei der 34-Jährige "hochgefährlich für Kinder", daran könne aus Sicht der Kammer kein Zweifel bestehen.

Selbst Markus W. hatte zu Prozessbeginn erklärt, dass er pädophil sei. Er gab zu, dass er noch heute sexuelle Phantasien mit Kindern habe. Der psychiatrische Gutachter Matthias Hollweg, der den Angeklagten während des Prozesses beobachtet hatte, war der Ansicht, dass der Täter während der Haft keine ausreichenden Mechanismen zur Selbstkontrolle entwickelt habe.

In dem Verfahren 2005 hatte sich Markus W. auf Anraten seines Verteidigers geweigert, sich ausführlich von einem Psychiater begutachten zu lassen. Somit konnte das Gericht die Frage nicht beantworten, ob bei dem Angeklagten ein Hang vorliegt, "erhebliche Straftaten" zu begehen. Auch während seiner Zeit im Gefängnis verweigerte W. ein psychiatrisches Gutachten. Eine geplante Therapie scheiterte, weil der 34-Jährige darauf bestand, in einem Einzelzimmer untergebracht zu werden. Laut den Gutachten von Sachverständigen sei dieser Einwand allerdings berechtigt gewesen und hätte nicht abgelehnt werden dürfen.

Dass Markus W. den Gerichtssaal als freier Mann verlassen durfte, "mag für den einen oder anderen eine durchaus unbefriedigende Situation sein", sagte Richter Reinhold Baier. Das Gericht machte dem 34-Jährigen strenge Auflagen. Zum Beispiel darf er nicht in die Nähe von Kinderspielplätzen. Aber wer kontrolliert das, fragte die Vertreterin der Anklage am Rande des Prozesses. Ob sie Revision gegen die Entscheidung einlegen wird, wisse sie noch nicht, erklärte die Staatsanwältin. Markus W.s Haftstrafe war im April abgelaufen, er kam aber nicht auf freien Fuß. Für die Unterbringung steht dem aus Seelbach in Baden-Württemberg stammenden Bürokaufmann eine Entschädigung zu.

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