Tierquäler-Video: Drohungen gegen Mädchen:Weltweit am Pranger

173.000 Treffer bei Google, Todesdrohungen auf Facebook: Ein Mädchen aus der Region München steht als Welpen-Mörderin am digitalen Pranger. Dabei ist längst klar, dass sie unschuldig ist. Doch die Daten im Netz lassen sich kaum löschen.

K. Haimerl und S. Wimmer

"Ich werde dieses Mädchen töten. Sie ist verrückt", heißt es auf der Seite des sozialen Netzwerks Facebook. "Ich finde sie - und werde sie leiden lassen - und sie in einem Fluss ertränken." Elf Personen gefällt diese Aussage. Willkommen im modernen Mittelalter.

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Das Gedächtnis des World Wide Web vergisst so schnell nichts: Fatal für ein Mädchen aus Aying, das fälschlicherweise verdächtigt wird, Welpen getötet zu haben.

(Foto: ddp)

Dieses Mädchen - das bezieht sich auf eine Ayinger Schülerin, die inzwischen weltweit bekannt ist. Der Grund: Ein Nutzer hat ihre Kontaktdaten unter ein Video gepostet, das zeigt, wie eine junge Frau lachend Welpen ertränkt. Seither steht die Schülerin im Netz am Pranger. 173.000 Treffer erzielt der Name des Mädchens inzwischen bei Google - Morddrohungen und Beleidigungen inklusive.

Die 18-Jährige ist inzwischen ins Ausland geflüchtet. Die Polizei sucht im Umfeld der Schülerin nach dem Täter. "Natürlich haben wir mit der Videoplattform YouTube Kontakt aufgenommen und den Film mit dem Mädchen, das die Hundewelpen ertränkt, löschen lassen", sagt Günter Maeser vom Landeskriminalamt. Doch der Leiter der Netzwerkfahndung weiß auch: Seine Beamten führen einen Kampf gegen Windmühlen.

Denn im Internet verbreiten sich die Informationen rasend schnell weiter. Wie also kann man sich schützen gegen den digitalen Rufmord? Der Online-Dienstleister deinguterruf.de hat sich genau auf solche Fälle spezialisiert. Die Firma berät Privatpersonen und Unternehmen, wie sie missliebige Informationen aus dem Netz tilgen können. Der "klassische Weg" ist nach Angaben von Christian Keppel folgender: Die Firma trete an den Webseitenbetreiber heran und fordere diesen auf, die Informationen zu löschen. Schwierig wird es aber, wenn die Trefferzahl bei Google in die Hunderttausende geht wie bei dem Mädchen aus Aying. "Das ist inzwischen ein Fass ohne Boden", sagt der Experte.

Keppels Rat: "Erst einmal etwas Gras über die Sache wachsen lassen." Warten, bis sich die Internetgemeinde beruhigt hat. Und dann einen Gegenangriff starten: Eine Stellungnahme veröffentlichen und diese bei der Internetsuchmaschine Google möglichst prominent platzieren, so dass das Dokument auf der ersten Seite der Suchergebnisse erscheint. Eine schier unlösbare Aufgabe für Laien - und auch nicht ganz einfach für Experten. Bei einer solch hohen Anzahl von Treffern bei Google bewege sich der Auftrag in einer Höhe von an die 1000 Euro.

Die Privatwirtschaft hat das Geschäft mit dem Guten Ruf längst entdeckt: Online-Reputations-Management (ORM) nennt sich die Branche, die Basis-Dienstleistung besteht darin, zusammenzutragen, was über den Kunden im Netz zu finden ist. Die Anbieter heißen reputationdefender.com oder Datenwachschutz.de.

Dass Cybermobbing ein Problem ist, weiß auch die Politik: So warnte Bayerns Justizministerin Beate Merk: "Internetnutzer, die versuchen, mit Drohungen und Beleidigungen gegenüber Dritten Selbstjustiz zu betreiben, können sich selbst strafbar machen. Das Recht auf Meinungsfreiheit hat seine Grenzen." Ihr Tipp: Möglichst wenig von sich selbst im Netz Preis geben. Dumm nur, dass solche Daten auch Dritte hochladen können. Und hier ist die Politik bislang machtlos. Zwar hatte sich Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) erst im Juni für einen "digitalen Radiergummi" ausgesprochen, mit dem Daten im Internet gelöscht werden können. Eine Art Verfallsdatum also für Daten im Netz. Auch in der EU-Kommission kursiert der Vorschlag eines "Rechts auf Vergessen" für Internetnutzer.

Technisch umsetzbar seien diese Vorschläge allerdings nicht, sagt Ralph Hunderlach vom Chaos Computer Club. Nicht einmal in China seien die Zugriffe auf das Netz so reglementiert, dass ein solcher Eingriff möglich sei. "Man müsste dafür das gesamte nun bestehende Internet abschalten und komplett neu aufsetzen", sagt der Computer-Experte. Er spricht sich daher für einen anderen Weg aus: die Medienkompetenz der Bürger stärken, gewisse Verhaltensregeln im Netz festsetzen. Im Fall des Mädchens von Aying indes sagt Hunderlach, sei die Aufklärungsfunktion der klassischen Medien gefragt: "Hier ist es wichtig, dass die Medien den Fall hinterfragen und aufklären." Das wiederum würde sich dann auch im Internet verbreiten.

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