Schwabing:Mordversuch in Hinterhof

Ein unbekannter Täter lauert dem spanischen Schriftsteller Pedro Gálvez Ruiz vor seiner Haustür auf und sticht auf ihn ein. Der Autor überlebt - schwer verletzt.

Susi Wimmer und Sebastian Schoepp

Der Täter lauerte am Montagabend vor der Schwabinger Haustüre: "Pedro Gálvez Ruiz?", fragte er, und auf Spanisch fügte er an, er habe ein Päckchen für ihn. Als der 70-jährige Schriftsteller bejahte, zog der Unbekannte ein Messer und versetzte dem Mann lebensbedrohliche Verletzungen. Dann lief er davon.

Schwabing: Pedro Luis de Galvez Ruiz - spanischer Autor Foto: Manfred Göller/Hochschule München

Pedro Luis de Galvez Ruiz - spanischer Autor Foto: Manfred Göller/Hochschule München

(Foto: M. Göller/Hochschule)

Gálvez überlebte, er wird zur Zeit in einem Münchner Krankenhaus behandelt. Die Mordkommission hat ihre Ermittlungen aufgenommen und verfolgt seit Dienstagnachmittag eine heiße Spur: Ein Mantrailer-Hund führte die Ermittler vom Tatort an der Schleißheimer Straße zur U-Bahnstation Josephsplatz. Dort stieg der Täter wohl in einen Zug. Das heißt, die Überwachungskameras an den Bahnsteigen müssten ihn gefilmt haben.

Der Mordanschlag ging schnell, die Möglichkeit sich zu wehren, gab es nicht, sagt Markus Kraus, Chef der Münchner Mordkommission. Nach seinen Schilderungen kam Pedro Gálvez am Montag gegen 18.20 Uhr vom Einkaufen nach Hause. An der Schleißheimer Straße, zwischen dem Rewe-Supermarkt und einem Friseur-Salon führt eine Durchfahrt in den Hinterhof, hier befindet sich etwa 20 Meter nach hinten versetzt das braun-beige Hochhaus, in dem der spanische Autor lebt. Gleich nach dem Durchgang muss der Täter auf Gálvez gewartet haben.

Es handelt sich um einen etwa 1,65 Meter großen Mann, der eine dunkle Jacke und Strickmütze trug, außerdem ein weißes Tuch vor dem Gesicht. Auf Spanisch spricht er Gálvez an, den Dialekt stuft das Opfer später auf "Raum Madrid" ein. Statt des angekündigten Päckchens zieht der Mann unvermittelt ein Messer aus seiner Jacke und verletzt den Spanier am Oberkörper. Zur Art der Verletzungen will sich Kraus nicht äußern. Der 70-Jährige schreit lautstark um Hilfe, Anwohner alarmieren die Polizei, der Täter flüchtet.

Stunden später, gleicher Ort: "Akki" läuft mit erhobenem Schwanz aus der Zufahrt an der Schleißheimer Straße, im Schlepptau sein Herrchen, Polizeihauptkommissar Thomas Schaffer von der Abteilung "operative Ergänzungsdienste" der Polizei in Straubing. "Akki" ist ein Mantrailerhund. Er kann die Duftmoleküle, die ein Mensch zurücklässt, auch noch nach Tagen aufspüren und verfolgen. Und der Täter hatte bei seiner Attacke am Montagabend das Tatmesser im Hinterhof zurückgelassen.

Keine Anhaltspunkte zum Tatmotiv

Ein Polizist der Spurensicherung lässt "Akki" am Griff des Messers schnuppern, dann setzt der Spürhund seine Nase auf den Boden und läuft im zweiten Versuch zielstrebig aus der Zufahrt. Er quert die Schleißheimer Straße und biegt in die Agnesstraße Richtung Osten ein. "Akki" läuft jetzt schnell, kurvt nach rechts in die Adelheidstraße und schnurstracks in die U-Bahnstation Josephsplatz. Dort bleibt der belgische Schäferhund liegen. Mit großer Wahrscheinlichkeit ist der Täter hier in die U-Bahn gestiegen. Ein wichtiger Ansatz für die Mordermittler.

Täter und Opfer kannten sich wohl nicht. Warum sonst sollte der Angreifer sein Opfer zuvor nach dem Namen fragen. War der Täter ein Auftragsmörder? Hatte die Tat politische Hindergründe? Was das Motiv betrifft, gebe es bislang "keine Anhaltspunkte", sagt Kraus. Offenbar hatte der Täter das Anwesen ausgekundschaftet. Anwohner glauben, den Mann bereits am Samstag im Haus des Opfers gesehen zu haben.

Pedro Gálvez lebt in dem Hochhaus mit seiner Lebensgefährtin. Er schreibt mit Vorliebe historische Romane, die im alten Rom oder anderen antiken Stätten angesiedelt sind. Darin schildert er die Lebenswege und die Gedankenwelt von Nero, Seneca und weiteren historischen Protagonisten. Einige seiner Bücher erschienen im renommierten Verlag Mondadori Random House und verkauften sich gut genug, dass 2008 Taschenbuchausgaben davon erschienen.

Gálvez Ruiz wurde 1940 in Malaga geboren und hatte eine schwere Jugend. So wuchs er zeitweise im Frauengefängnis der südspanischen Stadt auf, in das seine Mutter offenbar eingesperrt war. Sein Vater, ein Mathematiker, sei von der Franco-Diktatur verfolgt worden, berichtet die spanische Zeitung Malaga Hoy 2008.

Laut der Internetseite des Taschenbuchverlags Debolsillo in Barcelona studierte Gálvez als junger Mann Anthropologie in Caracas, musste Venezuela aber verlassen, weil er in Unruhen verwickelt gewesen sein soll. Danach lebte er laut Debolsillo in Ostberlin, siedelte aber in die Bundesrepublik über, weil er mit dem Prager Frühling sympathisiert hatte. Er ging nach München und studierte Journalismus, Soziologie und Politik. Malaga Hoy berichtet, Gálvez habe auch Übersetzungen angefertigt, unter anderem von Werken der Gebrüder Grimm, Heinrich Heine und Hans Magnus Enzensberger. Finanziell habe er sich als Fremdenführer durchgeschlagen.

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