München: Schneiderei am Dom:Rot für den Kardinal

Wo käme man da hin, wenn alle Welt den Bauchumfang der Herren Ratzinger wüsste? Das wissen nur die Häberles, die "Schneider am Dom". Dort hat auch Erzbischof Marx hat seine neue Kardinalsrobe in Auftrag gegeben.

Monika Maier-Albang

Über zwei Dinge wird nicht gesprochen: Geld und Maße. Wo käme man da hin, wenn alle Welt den Bauchumfang der Herren Ratzinger oder Wetter oder Marx wüsste? So wissen es nur die Häberles: Erwin Häberle, der Senior, und sein Sohn Robert Häberle vom "Schneider am Dom". Und die können schweigen.

München: Schneiderei am Dom: Schneiderei am Dom.Robert Häberl und seine Mitarbeiter fertigen die neue Robe für Kardinal Marx Foto:catherina Hess

Schneiderei am Dom.Robert Häberl und seine Mitarbeiter fertigen die neue Robe für Kardinal Marx Foto:catherina Hess

(Foto: Catherina Hess)

Häberle Senior hatte schon Erzbischof Joseph Ratzinger ausgestattet, als dieser 1977 nach München kam. Und anfangs, so erinnert sich der Schneider, habe der Herr Professor sich noch etwas unwohl gefühlt in seiner Bischofsrobe. Reinhard Marx scheint diesen Eindruck nicht erweckt zu haben. Marx hat in München schon sein erstes Bischofsgewand fertigen lassen; der Schneider am Dom war ihm empfohlen worden.

Es gibt nicht mehr viele in Deutschland, die das Handwerk beherrschen und sich zudem auf Klerikergarderobe spezialisiert haben. Nun haben die Häberles auch seine rote Kardinalsausstattung angefertigt. Das Nähkämmerchen im ersten Stock der Werkstatt wirkt ein bisschen aus der Zeit gefallen: Zwei alte Pfaff-Nähmaschinen tun unverdrossen ihren Dienst, ebenso die Knopflochmaschine.

In der Mitte des Raums steht Anfang der Woche noch eine stattliche Schneiderpuppe, die den roten Talar trägt. Etwa 1,80 Meter groß ist der Kardinal, so viel verrät der Junior bei aller Diskretion dann doch. Zwei Versionen der Kardinalsrobe hat Robert Häberle in den vergangenen Wochen vollendet.

Die schwarze Ausgeh-Uniform für den Alltag, bei der das Kardinalsrot dezent verteilt und doch gut erkennbar ist: rote Knöpfe, rot umrandete Knopflöcher, die rote Kordel, die das Schwarz einrahmt. Und die zweite Variante für den liturgischen Gebrauch: knallrot von Kopf bis Fuß. Eine Signalfarbe, sagt Häberle Senior, "da erkennt man gleich: Hier kommt der Chef!"

Und der trug schon, als er vor zwei Jahren in München Einzug hielt, das viereckige Birett auf dem Kopf. Zum Erstaunen vieler Zaungäste, die bis dato von Marx' Vorgänger Friedrich Wetter eher schlichte Kleidung gewohnt waren. Auch die Herren des Domkapitels fühlen sich in Hemd und Anzug, ergänzt um ein kleines Silberkreuz am Revers, zumeist wohler als im Talar.

Doch Schneider Häberle beobachtet seit Jahren ein neues Modebewusstsein bei den jüngeren Priestern, die Talar tragen wollen oder zumindest Kollarhemden bestellen, die sie unter einem schwarzen Anzug tragen. Ausdruck eines neuen Konservativismus? Eher ein gesamtgesellschaftliches Phänomen, meint Häberle, der einen "Trend zu formeller Kleidung" nicht nur in der Kirche beobachtet. Auch bei der Abi-Abschlussfeier oder in der Oper sei bei den Jungen heute oft Anzug angesagt. Einen Schneidermeister kann das nur freuen.

In dritter Generation schneidert das Geschäft am Dom nun schon für Kleriker. Der Gründer, Willi Fischer, hatte es nach Kriegsende aufgebaut, Erwin Häberle arbeitete dort zunächst als "Zuschneider". 1976 übergab Willi Fischer das Geschäft an ihn, 1998 übernahm es sein Sohn Robert. Für ihn ist es das erste Kardinalsgewand, dass er fertigt, aber die Erfahrung im Haus ist ja da. Robert Häberle hat Maß genommen, war zweimal bei Marx zur Anprobe.

Den Wollstoff für die Robe hat er in Italien bestellt. Strapazierfähig soll der sein und dennoch nicht zu schwer. 50 Stunden Handarbeit stecken in einem solchen Gewand. Aber was von Hand gemacht sei, werde einfach besser, sagt Häberle. Etwa die Kordel am Ärmelaufschlag des Talars - mit feinen Stichen angenäht. Neben dem Talar gehört zur Ausstattung eines Kardinals die Mozetta, eine Art Cape (ebenfalls von Hand "kordelliert") und das Zingulum, der breite Gürtel mit den herabhängenden Enden, aus Moiree-Seide mit Flammenmuster.

Auch die Seide kommt aus Rom. Bereits fertig bestellt hat Häberle die Kopfbedeckungen: das Birett und das Scheitelkäppchen, Pileolus, das unter Mitra oder Birett getragen wird. Für das Konsistorium sieht das Protokoll zudem rote Socken vor. Und das ist die nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil vereinfachte Kleiderordnung.

Geblieben ist die Symbolsprache der Kleidung: 33 Knöpfe hat der Talar - in Erinnerung an die Lebensjahre Jesu. Das Rot an sich wird in den biblischen Texten ambivalent gesehen. "Scharlachrot" ist die Sünde, die Hure Babylon trägt Purpur. Das Purpur wird später die Farbe des Königtums, Macht und Reichtum verkörpernd.

Generationen von Purpurschnecken haben dafür ihr Leben gelassen. Schließlich deutet die Kirche das Kardinalsrot für sich: Rot wie das Blut Christi und das der Märtyrer, rot aber auch als Zeichen der absoluten Treue gegenüber dem Papst.

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