Rechtsextremismus in München:Die verkleideten Radikalen

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"Sturm Dachau", "Kraken München": Neonazis in Bayern mögen es noch immer martialisch - doch in der Öffentlichkeit geben sie sich bürgerlich-zahm. So wollen sie konservative Wähler ködern.

Annette Ramelsberger

Sie nennen sich "Kraken München" oder "Freier Widerstand Süddeutschland". Sie treffen sich im "Sturm Dachau" oder in der "Kameradschaft Erding" und machen Musik in der Band "Feldherren".

Der rechtsextreme Aktivist Roland Wuttke bei einer Kundgebung: Er präsentiert sich gern als alerter Geschäftsmann - ohne Glatze und Springerstiefel. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Die Rechtsradikalen in und um München mögen es noch immer martialisch, wenn es um sie selber geht - nach außen hin aber zeigen sie sich zunehmend angepasst. "Es gibt keine Springerstiefel mehr", sagt der Vizepräsident des bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz, Franz Gruber. "Die Herren haben sich verkleidet." Die Szene sei nicht weniger aktiv als früher, auch nicht weniger gefährlich, aber sehr viel weniger sichtbar.

Ihre Anführer, zum Beispiel der Aktivist Roland Wuttke, stellen sich als brave Bürger dar, Wuttke zeigt sich gern als alerter Geschäftsmann. Karl Richter, der Münchner Stadtrat der NPD-Tarnliste "Bürgerinitiative Ausländerstopp", wirkt solange ganz unauffällig, bis er - wie bei seiner Vereidigung - den Arm zum Hitlergruß reckt.

Und auch Philipp Hasselbach, der dritte wichtige Aktivist der Münchner Rechtsradikalen-Szene, ist brav gescheitelt und freundlich - allerdings schlägt er dann auch mit der Bierflasche zu, wenn er dem neuen Begleiter seiner früheren Freundin gegenübertritt. Wegen dieses Übergriffs sitzt er gerade in Untersuchungshaft.

Die neue Bürgerlichkeit ist nicht zufällig, sondern Strategie. Auch die rechtsextremistische NPD versucht sich von den gewaltbereiten Neonazis zu distanzieren, mit denen sie jahrelang den Schulterschluss gesucht hatte - zumindest äußerlich. "Die NPD macht nun in volksnahem Nationalismus", sagt Verfassungsschützer Gruber. "Sie mäßigt sich auch im Ton. So kann man viel besser mit dem potenziellen Wähler anbandeln."

Die Demonstrationen der NPD haben sich augenfällig verändert: Früher marschierten Hunderte von kahlrasierten Männern in Springerstiefeln auf, ihre Anführer zeigten sich in langen Ledermänteln, die an die Ausstattung der NS-Prominenz in den vierziger Jahren erinnerten. Und gerne hatte man auch einen Baseballschläger dabei. Das bürgerliche Publikum fühlte sich davon eher verschreckt als angezogen.

Heute stehen an den NPD-Infoständen freundliche junge Männer, die oft wie linke Studenten aussehen. Sie tragen schwarz, ihre Fahnen sind schwarz und ihre Parole lautet - nicht deutsch, sondern englisch: "We will rock you."

Der neue Auftritt der Rechtsradikalen ist wie zugeschnitten auf ein städtisches Publikum. Man agitiert hier nicht mehr platt gegen Juden und Ausländer, sondern sorgt sich vielmehr um die vermeintliche Islamisierung Europas. Gerade auch mit der "Bürgerinitiative Ausländerstopp", die mit ihrer Anschrift "Rathaus München" um Seriosität wirbt. Im Rathaus München sitzt Karl Richter, der die NPD-Fraktion im sächsischen Landtag als Berater unterstützt hat.

Die "Bürgerinitiative Ausländerstopp", kurz BIA genannt, hängte sich denn auch sofort an Forderungen nach einem Verbot von Moscheen und Minaretten, als ein Bürgerentscheid in der Schweiz das Minarett-Verbot bestätigt hatte. Natürlich hatte sich die Bürgerinitiative auch gegen die Moschee-Pläne am Gotzinger Platz in München gestellt.

Und Philipp Hasselbach schreibt auf seiner Homepage: "Schüler werden auf dem Pausenhof von Mitschülern mit ,Migrationshintergrund' geschlagen, Senioren in der Dunkelheit überfallen. Stoppen wir Überfremdung und ,Multikulti', ehe es zu spät ist."

Dafür spielt eine andere Organisation kaum noch eine Rolle: Die Deutsche-Volksunion (DVU), die vom Münchner Verleger Gerhard Frey über Jahrzehnte geführt wurde und in mehrere Landtage von Brandenburg bis Bremen eingezogen war. Ihr Chef hatte sich 2008 zurückgezogen, sein Geld ging mit ihm. Seitdem zittert die DVU ums Überleben.

© SZ vom 09.08.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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