S-Bahn: Zweite Stammstrecke:Diskussionsreiche Wochen

Diskussionen, Klagen und die Hoffnung auf Olympia: Gegner wie Befürworter der zweiten S-Bahn-Stammstrecke stehen vor ereignisreichen Wochen.

Marco Völklein

Das umstrittenste verkehrspolitische Projekt der Stadt ist in den kommenden Wochen gleich mehrfach Gegenstand von Besprechungen, Verhandlungen und Diskussionen. So erörtern derzeit die Vertreter der Regierung von Oberbayern mit Vertretern der Bahn die zahlreichen Einwände, die Verbände, aber auch Privatleute gegen den Bau der zweiten Stammstrecke in Haidhausen vorgebracht haben.

Zweite Stammstrecke: Wo gebaut wird

Wo die zweite Stammstrecke gebaut werden soll, sehen Sie in dieser Grafik.

(Foto: SZ-Graphik)

Seit Wochen schon finden diese Erörterungen im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens in einer ehemaligen Reiterhalle der bayerischen Armee in der Heßstraße statt. Und natürlich stellt sich die Frage: Braucht es die zweite Stammstrecke wirklich? Ist die siebenjährige Baustelle zum Beispiel den Anwohnern in Haidhausen, aber auch den Geschäftsleuten in der Innenstadt zuzumuten? Und vor allem: Wäre ein Ausbau des Bahn-Südrings mit einem Verknüpfungspunkt zur U-Bahn an der Poccistraße nicht die bessere, weil doch günstigere Alternative?

Gerade diese Frage wirft Martin Runge, der neue Grünen-Fraktionschef im bayerischen Landtag, immer wieder auf. Und er wird es an diesem Mittwoch im "Grünen Salon" seiner Parteifreundin Claudia Stamm wieder tun. Die hat zu einer Diskussionsrunde in die Tegernseer Landstraße 117 geladen und will zusammen mit Runge und anderen das Thema erneut anpacken. Einen besseren Zeitpunkt hätte sie kaum finden können.

Denn am Donnerstag wird sich erneut der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) mit Klagen gegen die Planungen befassen. Zwei Immobilienbesitzer aus der Maximilianstraße haben gegen die Baugenehmigung geklagt, die das Eisenbahnbundesamt für den mittleren Abschnitt der Trasse bereits im vergangenen Jahr erteilt hatte. Die Kläger befürchten durch den Betrieb der S-Bahn-Trasse unter ihren Häusern Vibrationen, die insbesondere in den oberen Stockwerken zu heftigen Erschütterungen führen könnten. Sie fordern von der Bahn einen besseren Schutz ihrer historischen Häuser an der südlichen Maximilianstraße.

Die zweite Stammstrecke soll von Laim bis zum Leuchtenbergring führen. Die Trasse ist in drei Abschnitte aufgeteilt. Für den westlichen Bereich (von Laim bis zum Stachus) läuft derzeit das Planfeststellungsverfahren; ebenso für den östlichen Abschnitt (von der Isar bis zum Leuchtenbergring), der bei den Anhörungen in der Heßstraße erörtert wird. Wenn die Klagen gegen den mittleren Abschnitt (vom Stachus bis zur Isar) abgearbeitet sind, dann könnte die Bahn dort loslegen - zumindest die baurechtlichen Voraussetzungen wären dort geschaffen.

Das Problem ist aber das Geld: Noch steht die Finanzierung der Trasse nicht. Vor allem die Zusage des Bundes, der etwa die Hälfte der Baukosten von geschätzt zwei Milliarden Euro tragen soll, steht nach wie vor aus. Auch darauf werden Tunnel-Gegner am Mittwoch bei der Diskussionsrunde genüsslich hinweisen. Bayerns Verkehrsminister Martin Zeil (FDP) hofft indes auf ein positives Votum des Olympischen Komitees im Sommer: Sollte München den Zuschlag für die Winterspiele im Jahr 2018 erhalten, so hofft Zeil, wäre genügend politischer Schub da, um das Geld nach Bayern zu lotsen. Zudem könnte sich ein Sondertopf öffnen. Noch ist aber alles offen.

Sollte aber die Finanzierung stehen - dann würde es vermutlich ziemlich schnell gehen mit dem Baustart. Die Bahn würde wohl nicht abwarten, bis auch die Baugenehmigungen für den westlichen und den östlichen Abschnitt vorliegen - kleinere Vorarbeiten würden die Ingenieure sicher in Auftrag geben. Denn die Zeit drängt - zumindest, wenn man die Verknüpfung mit Olympia 2018 herstellt: Bis zum Fahrplanwechsel im Dezember 2017 müssten Züge durch die zweite Röhre rollen können. Und bis dahin würden auch drei größere Baugruben in der Münchner Innenstadt davon zeugen, dass sich im Untergrund etwas tut. Die drei Haltepunkte am Hauptbahnhof, am Marienhof und am Ostbahnhof will die Bahn in "offener Bauweise" erstellen lassen. Das heißt: Während der Bauzeit würden dort bis zu 40 Meter tiefe Löcher in der Erde klaffen; die Fahrspuren für den Autoverkehr würden zum Beispiel am Orleansplatz immer wieder verschwenkt werden. Auch am Marienhof plant die Bahn eine Großbaustelle. Zahlreiche Geschäftsleute, darunter das Kaffeehaus Dallmayr oder Betten Rid, hatten dagegen vor dem VGH geklagt - und erreicht, dass die Bahn beim Bau einen besseren Lärmschutz gewährleisten muss. Unter anderem soll dies über höhere Lärmschutzwände geschehen, die die Bahn an der Baustelle hochziehen muss.

Auch der Hauptbahnhof wird - sollte das Projekt denn kommen - für die Bauzeit nicht mehr zu erkennen sein. Denn unter der jetzigen Schalterhalle plant die Bahn ein riesiges Zugangsbauwerk; in ihm sollen die Fahrgäste über mehrere Rolltreppen und Aufzüge hinuntergelangen zu den Bahnsteigen der zweiten Stammstrecke. Um dieses Bauwerk zu errichten, müssen zumindest Teile des jetzigen Hauptbahnhofs abgerissen werden. Entwürfe für ein neues Empfangsgebäude gibt es zwar - doch auch hierfür ist, wie für den Bau der zweiten Röhre, die Finanzierung noch ungeklärt.

Mit den Baustellen für die drei Haltepunkte ist es aber noch nicht getan (siehe Graphik). An den Tunnelportalen im Westen und im Osten haben die Planer ebenfalls große Baustellenflächen vorgesehen - über sie werden die Arbeiter unter anderem das Erdreich aus dem Tunnelvortrieb wegschaffen (das meiste auf Schienen). Außerdem muss die Bahn in den neuen Tunnel mehrere Rettungsschächte einbauen, damit die Fahrgäste bei einem Unglücksfall die Röhre verlassen und Rettungskräfte in den Tunnel vordringen können. Die Zugänge zu diesen Rettungsschächten müssen die Ingenieure der Bahn ebenfalls von der Oberfläche aus bauen. Auch an diesen Stellen werden also Baustellen entstehen.

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