Mordprozess:Manager musste lange leiden

Erschütternde Aussage: Ein Gutachter spricht vor Gericht über den langen Todeskampf des Opfers Dirk P.

Christian Rost

Vier Tage vor einem möglichen Urteilsspruch im Prozess um den Mord an dem Münchner Investmentmanager Dirk P. hat ein Rechtsmediziner am Dienstag den langen Todeskampf des Opfers geschildert. Der Gutachter Randolph Penning sprach von einem Zeitraum von mindestens einer halben Stunde bis zu einer Stunde, der von der ersten Schussverletzung bis zum Todeseintritt vergangen sei. In der Verhandlung vor dem Münchner Schwurgericht ging es außerdem um die Frage, ob der wegen Mordes angeklagte Rainer H. nach einer Leistenoperation überhaupt in der Lage war, die Leiche vom Tatort wegzuschaffen. Die Antwort lautete: Ja.

Poschinger Mord Verdächtigter

Ein Rechtsmediziner schildert den langen Todeskampf des Opfers Dirk P. (Archiv)

Die Ausführungen Randolph Pennings vom Institut für Rechtsmedizin zum Obduktionsergebnis riefen bei den Prozessbeteiligten denkbar unterschiedliche Reaktionen hervor. Der 41-jährige Angeklagte hörte interessiert zu, als die möglichen Einschusswinkel und der massive Blutverlust bei Dirk P. geschildert wurden. Der Witwe des Opfers, die als Nebenklägerin genau auf der gegenüberliegende Seite des Saals saß, gingen die grausamen Details zum Tod ihres Mannes indessen sichtlich nahe; sie blieb aber gefasst bis zum Ende der Ausführungen im Saal.

Im Körper von Dirk P., der am 14. Januar 2010 mutmaßlich in der Garage des Angeklagten in Laim getötet und zwei Tage später in dessen VW-Bus gefunden wurde, fanden die Rechtsmediziner zehn Projektile. Sie waren aus einer 22-Millimeter-Kleinkaliberwaffe des Typs Ruger abgefeuert worden. Mehrere Kugeln durchschlugen zunächst Arme oder Beine, ehe sie im Rumpf des Opfers stecken blieben.

Ein Projektil drang in den Kopf P.s ein und machte ihn nach den Angaben Pennings "sofort handlungsunfähig". Dass dieser Schuss und auch die anderen Schusswunden trotz des massiven Blutverlustes nicht zum sofortigen Tod des Mannes geführt haben, ist für den Gutachter erwiesen: Rückstände einer größeren Menge Blut im Darm sind der Beleg, dass die Vitalfunktionen erst eine ganze Weile nach der ersten Schussverletzung ausgesetzt haben.

Staatsanwältin Nicole Selzam ist davon überzeugt, dass Rainer H. am 14. Januar 2010 die Schüsse auf den zweifachen Vater abgegeben hat. Laut Anklage war der Hausmeister mit rund 260.000 Euro verschuldet und hatte es auf den Audi A8 von Dirk P. abgesehen. Der Manager bot seinen rund 53.000 Euro teuren Wagen damals im Internet zum Kauf an.

Rainer H. bestreitet die Tat. Nach Ansicht seines Verteidigers Christian Finke konnte er den Mord auch gar nicht begangen haben, weil er nach einer Leistenoperation im August 2009 nicht in der Lage gewesen sei, größere Gewichte zu schleppen". Wegen einer "Schmerzblockade" habe er den 86 Kilogramm schweren Toten nicht in den Bus hieven können, wie es ein Zeuge vor Gericht ausgesagt hatte.

Der Darstellung des Verteidigers widersprachen am Dienstag sowohl Rechtsmediziner Penning wie auch der Chirurg, der H. operiert hatte. Beide kamen zu dem Schluss, dass die Operationswunde spätestens sechs Wochen nach dem komplikationslosen Eingriff, wahrscheinlich aber schon viel früher, vollständig ausgeheilt war. "Und dann ist man wieder voll arbeitsfähig", sagte Penning.

Am Mittwoch wird der psychiatrische Sachverständige Henning Saß sein Gutachten zu Rainer H. vorstellen. Nach den Plädoyers am Donnerstag könnte dann am Freitag das Urteil verkündet werden. Allerdings hat die Verteidigung noch zehn Beweisanträge gestellt, darunter einen Ortstermin in der Garage des Angeklagten in Laim.

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