Migranten in München (9): Iraner:Die Stadt als Bühne

Dort, wo sie herkommen, ist künstlerische Freiheit problematisch. Vier Iraner erzählen, wie sie ein Stück eigene Kultur in München geschaffen haben.

Sara Zinnecker

München ist multikulti - hier reihen sich Feinkostitaliener neben ein kanadisches Pommes-Bistro und iranische Kunst und Poesie finden genauso Anklang wie osteuropäisches Bukovina. sueddeutsche.de hat Wahl-Münchner getroffen, die die Stadt mitgestalten. Vier Iraner erzählen, wie sie ein Stück ihrer Kultur erst in München schaffen konnten.

Bidjanbek Bildhauer Baaderstraße München

In seiner Galerie in der Baaderstraße 17 kreiert O.M. Bidjanbek am liebsten die Körper von Mensch und Tier.

(Foto: Sara Zinnecker)

"Nach der Revolution im Jahr 1979 trug in Iran niemand mehr seine Instrumente auf offener Straße herum", erzählt Arash Sasan. Obwohl er damals noch ein Kind war, erinnert er sich: "Ayatollah Chomeini hatte die Macht übernommen, um einen religiös-fundamentalistischen Staat zu errichten. Für Musik war kein Platz."

Als sich in den neunziger Jahren die Situation entspannte, hatte sich Sasan bereits entschlossen, nach München zu gehen. "Es galt damals als schick, in Europa zu studieren", sagt der 41-Jährige. Heute ist er von Beruf Informatiker, doch die Musik spielt in seinem Leben nach wie vor eine große Rolle.

Sasan hat traditionelle Volkslieder neu arrangiert, den orientalischen Klängen jazzige Elemente beigemischt. Einige selbstgeschriebene Stücke behandeln auch jüngere Ereignisse wie die "Grüne Bewegung" von Künstler und Intellektuellen, die seit 2004 gegen das Regime in Teheran protestierten. Versuche, seine Lieder in Iran zu veröffentlichen, scheiterten an der staatlichen Genehmigung: "Texte wurden entweder ganz abgelehnt, oder ich hätte sie umschreiben müssen. Die gleiche Prozedur bei der Musik", erinnert sich Sasan.

"Es scheint, als sei ich der erste Iraner, der versucht hat seine Musik im Anschluss via Internet zu verkaufen, um weiter zu existieren", fügt er hinzu. Fehlende Auftrittsmöglichkeiten, eine langsame Internetverbindung oder finanzielle Aspekte hätten andere Musiker in Iran möglicherweise davon abgehalten. "Viele haben aufgegeben", sagt er. Sasan freut sich, eine Bühne für seine Musik in München gefunden zu haben: Als Arash Sasan & Friends tritt er am 12. Februar im Gasteig auf.

Auch der Bildhauer O.M. Bidjanbek konnte irgendwann seiner Passion in Iran nicht mehr nachgehen. An der Universität von Teheran lehrte er an der Fakultät für angewandte und dekorative Kunst, als die Bildungsstätte zu Beginn des ersten Golfkriegs 1982 von einem Tag auf den anderen geschlossen wurde. "Dabei waren vor der Revolution 1979 zeitgenössische Kunst und Malerei gerade dabei, populär zu werden", erinnert er sich. Sein Weg führte ihn dauerhaft zurück nach München, wo er Jahre zuvor während des Studiums bereits Kontakte geknüpft hatte.

In dem kleinen Künstlercafé Nest hatte er sich schon Anfang der 1970er Jahre regelmäßig mit Kollegen getroffen, den "Nesthockern", wie sie sich selbst nannten: "Wir haben darüber diskutiert, unsere eigenen Ateliers zu eröffnen", erinnert sich Bidjanbek. Ihm war aufgefallen, dass im Viertel rund um die Baaderstraße viele Läden leer standen. "Ich habe mich als erster getraut, 1974 war das", sagt er.

Ein besonderes Zusammentreffen

Das Nest gibt es nicht mehr. Heute befindet sich an der Ecke Leopold, Franz-Josef-Straße längst ein anderes Café. Die Baaderstraße 17 beherbergt aber immer noch Bidjanbeks Galerie. Früher, erzählt Bidjanbek, habe er dort jeden Monat Werke von Freunden ausgestellt. Später dann waren es andere, wie das Münchner Haus der Kunst, die sich darum bemühten, seine Skulpturen zu zeigen. Bidjanbek kreiert am liebsten die Körper von Menschen oder Tieren, die "in der Dimension verzerrt und doch ästhetisch" sind.

Hossein Mansouri, Sanaz Zaresani

Im Dezember trugen Hossein Mansouri und Sanaz Zaresani im Münchner Club Voltaire aus Zaresanis Gedichtband "Die Geschicklichkeit begrenzter Buchstaben" vor.

(Foto: Sara Zinnecker)

Die kleine Werkstatt und der angrenzende Ausstellungsraum sind voll von Büsten. Langgezogenen menschliche Gliedmaßen ragen in einer Ecke empor, Gesichter, deren Mund weit offen steht in einer anderen. Ein Pferdekopf thront auf einem Podest. Es braucht einen zweiten Blick, um zu bemerken, dass er keine Ohren hat. Dieses Naturstudium, die Abbildung lebender Objekte, sei in Iran verboten, erklärt der Bildhauer.

Die Landeshauptstadt wurde für ihn zu dem Ort, an dem er sich kreativ entfalten konnte. Stolz zeigt er auf sein Türschild, das außen über der Eingangstür angebracht ist. Der bayerische Löwe ist dort zu sehen, gegossen in Porzellan. "Als München ihr 850-jähriges Jubiläums feierte, ist mir die Idee zu der Skulptur gekommen: Ein Löwe mit einem Herz zwischen den Pfoten. Der kam sehr gut an", erzählt er. Und Bidjanbek plant bereits neue Projekte, die mit der Stadt in Verbindung stehen. Mehr dazu will er aber noch nicht verraten.

München ist der Ort des Zusammentreffens von zwei anderen Iranern: Hossein Mansouri und Sanaz Zaresani. Mansouri, 54, ist der Adoptivsohn der großen persischen Dichterin Forough Farrokhzad. Sie begründete in den sechziger Jahren die "moderne Poesie" von den Rechten der Frauen, von Liebe und Freiheit.

Als Mansouri noch ein Junge war, holte sie ihn aus einem Ghetto in Nordiran, in dem seine leprakranken Eltern lebten, zu sich nach Teheran. Ihre Biographie will Mansouri jetzt in München schreiben. Hierher war er nach ihrem Tod 1967 gekommen, hier hatte seine Mutter selbst eine Zeit lang gelebt.

Sanaz Zaresani gehört der jungen Generation von Dichterinnen an. Ihre Texte folgen der Tradition von Forough Farrokhzad. Im Jahr 2009 kontaktierte sie über Facebook Hossein Mansouri und kam - da ihre Situation in Iran problematisch war - zu ihm in die Landeshauptstadt. "Dass Sanaz jetzt in München ist, ist, als ob der Kreis sich schließen würde", sagt Hossein Mansouri. Gemeinsam reisen sie nach Deutschland und lesen aus Zaresanis kürzlich erschienenem Gedichtband "Die Geschicklichkeit begrenzter Buchstaben".

Mansouri hatte die Poeme ins Deutsche übertragen. Die nachdrückliche Stimme der Iranerin bleibt im Ohr, wenn sie bei einem Auftritt im Münchner Club Voltaire abwechselnd lesen. Eine Wiederholung der Veranstaltung ist geplant. Sanaz Zaresani freut sich, dass sich in München für sie jetzt die Möglichkeit auftut, "die Gesellschaft in Iran aus der Ferne zu betrachten" und darüber zu reflektieren, statt wie bisher oft Kritik "von Innen" zu üben. Sie wird weiterschreiben, anders, und versuchen, den Menschen ihre Sicht auf die Dinge zu vermitteln.

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