Kommunalwahl in Taufkirchen:Sehnsucht nach dem Neuanfang

Nach den turbulenten Zeiten unter dem amtsenthobenen Bürgermeister Jörg Pötke steht Taufkirchen vor einer echten Zäsur. Fünf Bürgermeisterkandidaten wollen der Gemeinde ein attraktiveres Image verpassen und im Rathaus den Geist der Kooperation beleben.

Von Iris Hilberth

An Werbung in eigener Sache sind die Menschen in Wahlkampfzeiten gewöhnt. Doch der Brief, der als Postwurfsendung in diesen Tagen in sämtlichen Taufkirchner Briefkästen landete, wird sicherlich nicht wenige irritiert haben. "Allein im Dienst der Bürgerinnen und Bürger" stand auf dem Kuvert. Gut, das versprechen sie alle, die derzeit um den Bürgermeisterstuhl und die 24 Sitze im Gemeinderat buhlen, die CSU wie die SPD, die Grünen, die Freien Wählern, die ILT und die FDP zusammen mit der FWG. Wie sie überhaupt alle dasselbe für ihre Gemeinde wollen: Einen Neuanfang.

Doch von keiner dieser Parteien und Gruppierungen stammt das immerhin vierseitige, eng bedruckte Schreiben. Es umgibt vielmehr die Aura einer Post aus der Vergangenheit. Absender ist Jörg Pötke. Der seit November 2012 vorläufig des Dienstes enthobene Rathauschef meldet sich mal wieder aus dem Off zu Wort. Inhalt: "Meine Amtszeit als Erster Bürgermeister als Grundlage für Taufkirchens aussichtsreiche Zukunft." Es wäre nicht weiter verwunderlich, wenn sich manch einer staunend gefragt hat: Ist er wieder da?

Nein, ist er nicht. Nicht als Bürgermeisterkandidat, dafür wäre er eh zu alt. Auch nicht als Bewerber für den neuen Gemeinderat, denn in dem will ihn seine bisherige Gruppierung, die Initiative Lebenswertes Taufkirchen (ILT), auch nicht mehr haben. Das hatte sie ihm im Dezember in einer interne Sitzung deutlich zu verstehen gegeben. Die Zeichen sollen auf Zukunft stehen. Man will die Vergangenheit endlich hinter sich lassen. Für diesen Plan hat die Gemeinde im Hachinger Tal viele Kandidaten, allein fünf wollen Bürgermeister werden, sechs Listen werden auf dem Wahlzettel für die Gemeinderatswahl stehen. Der Ort ist voll mit Plakaten alter und neuer Gesichter. Jörg Pötke ist nicht darunter und doch noch immer omnipräsent. Auch wenn das keiner wahrhaben will und alle sich dagegenstemmen, das große Thema der jüngsten Vergangenheit im Wahlkampf noch einmal aufzuwärmen.

"Wenn mich einer darauf anspricht, winke ich gleich ab. Das ist nicht mein Thema", betont die SPD-Kandidatin Rosi Weber. Gleichwohl weiß sie genauso wie ihre Mitbewerber um die Nachfolge Pötkes, dass die Sache mit dem suspendierten Bürgermeister hängen bleibt und es schwierig macht, Firmen von einer Ansiedelung in der Gemeinde zu überzeugen. Und das wollen natürlich alle Parteien, um so die Gewerbesteuereinnahmen wieder auf ein zukunftsträchtiges Niveau zu heben.

Doch es ist nunmal so: Auch wer zuvor noch nie etwas von Taufkirchen gehört hatte, wird mitbekommen haben, dass man dem ersten Bürgermeister der Gemeinde vorgeworfen hat, seine Bediensteten im Rathaus "gemobbt" zu haben, und dass Pötke sich bis heute vor Gericht gegen diese Anschuldigungen wehrt. Er hat damit Taufkirchen über die Landkreisgrenzen hinaus bekannt gemacht. Aber es ist eine Berühmtheit, die Probleme schafft, die so schnell nicht in Vergessenheit gerät. Damit wird es auch der neue Wirtschaftsförderer schwer haben, den sie im Rathaus gerade eingestellt haben.

Taufkirchen hatte schon vor der Ära Pötke ein Imageproblem. Das Rathaus am Köglweg galt auch früher nicht als Hort der Harmonie und eher selten als zuverlässiger Partner. Die Siedlung Taufkirchen am Wald, deren nördlicher Teil durch die Hochhäuser dominiert wird, zeichnet zusätzlich bei vielen das Bild einer Gemeinde, die oberflächlich betrachtet wenig Attraktivität verspricht. Da ist es nicht verwunderlich, dass in den Nachbargemeinden die Leute gerne mal witzeln: "Zwischen Oberhaching und Unterhaching liegen Welten. Nämlich Taufkirchen."

Wenn auch alle seit dem Abgang Pötkes unter der Leitung seiner Vertreterin im Amt, der durchaus harmoniebedürftigen Zweiten Bürgermeisterin Angelika Steidle (CSU) , eine bessere Zusammenarbeit predigen: Es bleibt mühsam. Die Sitzungen sind langatmig, gegenseitige verbale Verletzungen noch immer an der Tagesordnung. Nicht selten fällt der Gemeinderat in alte Verhaltensmuster zurück, in denen die Fronten klar verlaufen: hier die ILT, auf der Gegenseite alle anderen. Schwarz, Grün, Rot und Sonstige brüderlich vereint. Eine Allianz, die bisweilen verwundert, die der Bürgermeisterkandidat der Freien Wähler, Michael Lilienthal, aber so erklärt: "Der Feind unseres Feindes ist unser Freund." Aber er sagt auch:"Diese Klammer ist nicht mehr da."

Zwar sind alle um Freundlichkeit bemüht, nach all dem Zoff weiß jeder, dass die Bürger sich Zusammenhalt und Sacharbeit wünschen. Genau das versprechen daher alle in ihren Wahlprogrammen. "Es sind meine Mitbewerber und nicht meine Gegner", betont etwa Rosi Weber. Die Wähler seien wesentlich kritischer geworden und besser informiert als noch vor sechs Jahren, will sie festgestellt haben. Doch mitunter hapert es noch etwas am wirklichen Miteinander der politischen Kräfte. Was vermutlich gut gemeint war, sorgte kürzlich wieder für neuen Ärger: Weber und ihr parteifreier Mitbewerber Ullrich Sander, der für die CSU antritt, waren auf die Idee gekommen, mit allen Kandidaten einen gemeinsamen Infoabend für alle Jungwähler zu veranstalten. Nur hatte CSU-Gemeinderat Herbert Heigl, der die Einladungen zu dem Treffen am 6. März im Ritter-Hilprand-Hof verschickte, durch die Gestaltung des Schreibens mit Fotos ausschließlich von den SPD- und CSU-Bewerbern den Eindruck erweckt, es handele sich um eine Werbeaktion einer Taufkirchner großen Koalition. Die anderen fühlten sich zu Statisten degradiert.

Unter wessen Führung die neue Zeitrechnung beginnen soll, dazu will in Taufkirchen keiner eine Prognose wagen. Da auch die derzeit amtierende Angelika Steidle aus Altersgründen nicht mehr antritt, ist schon lange klar, dass die Gemeinde im Mai 2014 einen neuen Bürgermeister oder eine neue Bürgermeisterin haben wird. Der Abend des 16. März verspricht spannend zu werden, eine Stichwahl zwei Wochen später aufgrund der großen Bewerberzahl ist sehr wahrscheinlich.

Im Werben um des Wählers Gunst sind inhaltlich nur in den Details Unterschiede erkennbar. Alle Bürgermeisterkandidaten versprechen mehr Transparenz, Bernhard Schulze von der FDP geht sogar so weit, dass er die Gemeinderatssitzungen live im Internet übertragen will. Es geht ihnen allen um einen Ausbau der Kinderbetreuung, um Wirtschaftsförderung und darum, als Gemeinde wahrgenommen zu werden, die mit dem Ludwig Bölkow Campus als High-Tech-Standort attraktiv ist. Sie wollen den Zusammenhalt der Ortsteile fördern, sprechen sich für eine nachhaltige Entwicklung aus, wollen die Energiewende im Ort vorantreiben und das Kulturprogramm stärken. Nur einzelne Ideen stechen hervor. Die Grünen streben den Rückkauf des Stromnetzes an, die FDP fordert einen Wirtschaftsplan, für die SPD hat das Städtebauförderprogramm "Soziale Stadt" oberste Priorität, die Freien Wähler propagieren die Gründung von Kommunalbetrieben während der CSU ein verbesserter Bürgerservice im Rathaus wichtig ist. Und dann ist da noch die ILT, die einstige Gruppierung Pötkes, die seit dem internen Zerwürfnis nur mehr als kleine Mannschaft antritt und nicht mal mehr einen Bürgermeisterkandidaten bieten kann, da ihnen die vorgesehene Bewerberin, Maria Lucas, im Dezember abgesprungen ist. Die Initiative macht sich insbesondere gegen eine Wohnbebauung an den Ortsrändern stark, vor allem gegen das geplante Projekt am Riegerweg.

So wird die Entscheidung über den neuen Mann oder die neue Frau im Taufkirchner Rathaus vermutlich stark von der Frage beeinflusst: Wollen wir jemanden von außen, der mit der Vergangenheit nichts zu tun hat? Oder jemanden aus unserer Mitte, der seit Jahrzehnten in der Gemeinde verwurzelt ist? Der Grüne David Grothe setzt mit seinen 27 Jahren vor allem auf den Bonus der Jugend. Er ist damit in seiner Partei keineswegs eine Einzelerscheinung. "Keiner anderer Gruppierung ist es gelungen, so viele junge Bewerber aufzustellen", sagt er. Gleichwohl kennt er seine Gemeinde aus verschiedenen Perspektiven. Er ist "am Wald" aufgewachsen, jetzt lebt er auf der anderen Seite der S-Bahn.

Bei der SPD-Kandidatin Weber ist es genau umgekehrt. Sie bewohnt seit vielen Jahren eine der Hochhauswohnungen in der Waldstraße und wirbt für das Viertel:"Hochhäuser sind lebenswert und ihre Bewohner sind liebenswert." Sie sieht es durchaus als Vorteil, "aus dem sogenannten Problemviertel zu kommen". Die Leute würden sie als "die Rosi", als "eine von uns" schätzen, die die Probleme der kleine Leute kenne. "Ich bin nicht so eine Wohlstandsbürgermeisterin, ich putze meine Treppe noch selbst." Ihr erstes Lehrjahr als Rathauschefin hat sie schon hinter sich. Seit Pötke weg ist, hat die dritte Bürgermeisterin einen Teil der Aufgaben im Rathaus übernommen, "eine Erfahrung, die nicht zu toppen ist", sagt sie.

Auf Verwaltungserfahrung verweist auch der CSU-Kandidat Sander. Seine Beamtenlaufbahn führte ihn zuletzt auf den Geschäftsleiterposten der Gemeinde Feldkirchen. Inzwischen kennt man den Mann aus Rheinland-Pfalz in Taufkirchen, er war fleißig unterwegs, seine leinwandgroßen Plakate an den Ortsausgängen übertreffen in der Quadratmeterzahl alle anderen. Die CSU selbst bleibt dabei ganz bewusst bescheiden, im Fokus steht die Parteifreiheit des Kandidaten. Ein Status, den auch Michael Lilienthal für sich reklamiert. Als Vertreter der Freien Wähler sei er keinem Programm einer Bundespartei unterworfen, sagt er. Lange schon in Taufkirchen lebt auch FDP-Mann Schulze. Doch sah man bisher in der Kommunalpolitik vor allem seine Frau Ursula , die im Gemeinderat sitzt und viele vom Bürgertreff kennen. "Unser Hauptziel sind zwei Sitze im Gemeinderat", sagt Bernhard Schulze.

Ob neben dem neuen Bürgermeister ein wirklich neuer Gemeinderat zukünftig die Geschicke Taufkirchens lenken wird, ist ungewiss. Zwar stehen zum Teil andere Namen als bisher auf den Bewerberlisten, doch sind auch viele alte Bekannte, bis hin zum ehemaligen Bürgermeister Eckhard Kalinowski bei den Freien Wählern, dabei. Es gibt durchaus Stimmen in Taufkirchen, die finden, der gesamte Gemeinderat müsse weg. Einer der diese Meinung öffentlich kundtut, ist Jörg Pötke: "Abgesehen von wenigen Ausnahmen kann ich schwerlich empfehlen, einen der bisherigen Ratsmitglieder wieder zu wählen."

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