Kolumne "NullAchtNeun":Fläzen und knutschen in der Sonne

So lässig, so münchnerisch: Bei den ersten Sonnenstrahlen erreicht das Stenz-Gefühl der Münchner seinen Höhepunkt.

Sebastian Beck

Im Frühjahr ist München die schönste Stadt der Welt. So was von lässig, so was von beinahe norditalienisch. Man wagt diese einfachen Wahrheiten kaum mehr auszusprechen, weil sonst in Fallingbostel, Berlin oder Werningerode wieder das Gemaule anhebt. Immer die gleiche Leier: Ihr da unten könnt euch ja leicht in die Sonne fläzen, mit eurer ererbten, ermakelten oder sonst wo ergaunerten Kohle, während wir hier im Norden unsere gebrauchten Escort-Cabrios abfinanzieren, in die es so reinregnet, dass die Werkstätten in den Unterboden Gullys bohren.

Kolumne "NullAchtNeun": So lässig, so münchnerisch: Fläzen in einem Straßencafé.

So lässig, so münchnerisch: Fläzen in einem Straßencafé.

(Foto: Stephan Rumpf)

Ja mei, sagt der Münchner, setzt sich in den Hofgarten zwischen die Schneeglöckchen und schließt die Augen. Spatzen hüpfen über den Kiesweg, ein paar Gesprächsfetzen wehen in der lauen Märzluft durch den Park, in der Ferne braust die Stadt. Es ist dies so ein Moment, in dem man am liebsten mit der unbekannten Banknachbarin knutschen möchte. Aber erstens ist man verheiratet, und zweitens lähmt die Wärme Geist und Körper. Eine fast an Apathie grenzende Wurstigkeit macht sich breit, eine saturierte Form der Gelassenheit. Ein sehr münchnerisches Gefühl, das sich in Labors genauso wenig simulieren lässt wie der föhnbedingte Kopfschmerz.

Früher war das münchnerische Gefühl im Café Roma an der Maximilianstraße zu Hause. Ein Treffpunkt für Menschen, die mal Pause machen mussten, weil ihnen die neue Rolex am Handgelenk sonst zu schwer wurde. Hier auf der Sonnenterrasse konnten sie in Ruhe zusehen, wie die Politesse alle halbe Stunde die Strafzettel an der Windschutzscheibe ihres Porsche Cayenne auswechselte. Gelegentlich mischten sich auch Besitzer von MVV-Monatsmarken unters vorgebräunte Publikum. Denn das Roma war auch ein Ort, an dem Landespolitiker den Journalisten in Ruhe erklärten, warum Parteifreund X ein hinterfotziger Hund sei, dem man zum Wohle Bayerns in der Berichterstattung ruhig mal eine mitgeben dürfe. Ohne Nennung der Quelle, versteht sich. Diskret.

Aber da war es dann plötzlich wieder, dieses münchnerische Gefühl der Frühjahrswurstigkeit, das im Roma selbst Journalisten und deren Informanten befiel. Bitte noch zwei Cappuccini und zwei Grappa! Und einfach mal die Krawatte lockern. Geht doch.

Das Café Roma musste übrigens einer Filiale des Modedesigners Gucci weichen. So grausam kann die schönste Stadt der Welt sein.

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