Gothic-Club Nerodom:Zum Aderlass in die gemütliche Gruft

Grablichter, Totenschädel und Zigarettenetuis in Form eines Sarges: Im Münchner Gothic-Club Nerodom hat die schwarze Familie der "Hochgoten" ihr Zuhause.

Elisa Holz, Fotos: Robert Haas

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Der abendliche Himmel erstrahlt in hellblau und rosa, doch im Nerodom ist die Sonne bereits untergegangen. Im einzigen schwarzen Club Münchens halten die "Hochgoten" im Dunkel ihres Separees bei Kerzenschein und Pralinen Hof. Es ist "Vampire night" an diesem Freitagabend. Ein Pflichttermin für die Hochgoten, die sich als Adel der Münchner Gothic-Szene verstehen. Königin Hexana thront in einer ausladenden Reifrock-Robe aus dunkelroter Seide am Ende der Tafel, die schwarzen langen Haare fallen ihr über die weißen Schultern. In ihrem Dekolleté steckt ein Zigarettenetui in Form eines Sarges...

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Um sie herum Grafen und Ladys in Frack, Rüschenhemd und mit aufwändigen venezianischen Masken, deren Träger ihr Getränk allenfalls mittels eines Strohhalms zu sich nehmen können. Mit Verkleidung hat das alles nichts zu tun. "Gothic ist eine Lebenseinstellung", sagt Hexana. Ein Satz, den jeder im Club unterschreiben würde.

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Denn Gothic bedeutet für sie die meist lebenslange Leidenschaft für das Dunkle, das Mystische und die Romantik des Vergangenen. Sie manifestiert sich in der Kleidung und der Musik. An Abenden wie diesem können die Gothics diese Leidenschaft leben, was im Alltag so nicht möglich ist. Hexana kann an ihrem Schreibtisch im Patentamt schlecht einen Reifrock tragen und der Polizist mit dem "SOKO Friedhof"-T-Shirt könnte als Freund und Helfer möglicherweise missverstanden werden.

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Das Nerodom verbirgt sich im Keller eines Wohnhauses an der Ganghoferstraße, kurz bevor es in den Westpark geht. "Zutritt nur für Mitglieder", steht auf dem Schild an der Tür. Denn die schwarze Szene Münchens will am liebsten unter sich sein, unbehelligt von Gaffern und Voyeuren.

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Vor acht Jahren hat Frank Ottenbacher (Foto), die schwarze Eminenz des Clubs, das Nerodom aufgemacht. Inzwischen hat das Nerodom 10000 Mitglieder. Viel Arbeit hat Ottenbacher investiert, um den ehemaligen Ganghofer-Keller in eine gemütliche Gruft zu verwandeln, wo die Grablichter brennen, sich die Totenschädel über dem DJ-Pult reihen und über der Bar in leuchtenden Lettern "Aderlass" steht.

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Zur "Vampire night" dekoriert Ottenbacher seinen Club immer besonders aufwändig. Rote Rosen hängen von der Decke, auf dem Tresen stehen Kerzenleuchter, Kreuze und anderer dunkler Tand. Ottenbacher weiß, was sein Publikum schätzt. Schließlich ist der Stuttgarter schon seit mehr als zwanzig Jahren in der vielfältigen Szene aktiv, deren kleinster gemeinsamer Nenner die Farbe Schwarz ist. Neben den Hochgoten gibt es unter anderen noch Dark Waver, Post-Punker, Mittelalter-Gothics, Elektro-Gothics oder Cyber-Gothics. Letztere haben mit Vergänglichkeitsromantik nur wenig am Hut. Mit Leuchtstäbchen in Haaren und Händen tanzen sie lieber zu harten Industrial-Sounds als zu düsteren Klängen im klassischen Drei-Schritte-vor-drei-zurück-Stil über die Tanzfläche zu "staubsaugen".

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Auch wenn sich die verschiedenen Gruppen nicht immer ganz grün sind, so reklamiert die Szene doch Toleranz als ihr Markenzeichen. Jeder darf sein, wie er will. Wenn jemand mit schwarzer Skimaske und einer Offiziersmütze, mit Eisenkette am Halsband oder in engem Lack- und Lederoutfit auf der Tanzfläche erscheint, holt das keinen hinterm Tresen hervor. Wenn ein Stammgast das Bier nur aus seinem Silberkelch trinken will, ist das kein Problem. Und wer Hunger hat, kann eine Pizza bestellen

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Essen kann Susi an diesem Abend allerdings nichts. Die langen Eckzähne hindern sie daran, die sie sich über ihr eigenes Gebiss zementiert hat. "Hoffentlich gehen die wieder ab", lacht die aufwändig gestylte Vampira. Schließlich fängt sie nächste Woche einen neuen Job an. Mit dem Vampir-Hype, ausgelöst durch die Schmonzette "Biss zum Morgengrauen", kann niemand etwas anfangen. Außerdem "beißt hier keiner", sagt Ottenbacher. Eine Schlägerei hat es hier noch nie gegeben. Gothics gelten als friedliebende Menschen. Jeder kennt jeden, und vereint im Anderssein ist man eine große schwarze Familie. Das Nerodom ist ihr Zuhause - bis zum Morgengrauen.

© SZ vom 3.8.2010/sonn
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