Flowerstreet Festival in München:Neue Münchner Freiheiten

Ein Schnelldurchlauf durch die aktuelle junge Münchner Musikszene: Auf dem Flowerstreet Festival gibt Amadeus Gregor Böhm jungen Künstlern die Gelegenheit, sich auszutoben. Und das nutzen an diesem Abend 33 Bands.

Kathrin Haimerl

Der junge Bursche ist aufgeregt. Wie so viele hier läuft er in einer grauen Röhrenjeans rum, dazu trägt er eine Strickjacke und auf dem Kopf diesen Hut. Die Britpopper, die alle ein bisschen wie kleine Pete Dohertys aussehen, sind an diesem Freitagabend klar in der Mehrheit. Es ist noch früh am Abend, aber auf dem Gelände des Feierwerks ist der Schnelldurchlauf durch die junge Münchner Musikszene mitten im Gange.

Pardon Ms. Arden, Flowerstreet Festival, München

Gibt auf der Bühne richtig Gas: Sänger Nick von Pardon Ms. Arden.

(Foto: Kathrin Haimerl)

Der Künstler, mit dem der Bursche unbedingt sprechen will, ist mittendrin: Amadeus Gregor Böhm, der gemeinsam mit Hanna Kolb das kleine Münchner Plattenlabel Flowerstreet Records betreibt. Bis gerade eben stand der 27-Jährige selbst noch auf der Bühne. Nun hetzt er zur nächsten Location, auf dem Gelände des Feierwerks um seine Schützlinge zu betreuen.

"Du, das war so geil ...", setzt der junge Bursche an. "... diese letzte Nummer da, die du gespielt hast. Die von Michael Jackson. Das hat gerockt!" Amadeus lächelt, wischt sich mit der linken Hand eine Strähne aus der Stirn, plaudert kurz, während hinter ihm zwei zuckersüß aussehende junge Mädchen mit langen, welligen Haaren, nervös warten. Ihr Auftritt steht bevor. Es sind Tuó, zwei Schülerinnen aus dem Landkreis Wolfratshausen, die Amadeus unter Vertrag genommen hat und deren erste EP bereits vor dem Erscheinungstermin vergriffen war.

Das junge Münchner Label existiert nun seit zwei Jahren und an diesem Freitag feiert es seinen Geburtstag - mit insgesamt 33 Bands auf drei Bühnen im Feierwerk. Die Sause hat um drei Uhr Nachmittags begonnen. Fünf der Bands, die auftreten, sind bei Amadeus und Hanna unter Vertrag, der Rest sind befreundete Künstler, die die beiden angefragt haben: "Innerhalb von einer Woche hatten wir unser Programm voll", sagt Amadeus.

Auf der Liste stehen jede Menge lustiger Namen wie The Fog Joggers, Talking Pets oder Teilzeitdenker. Vertreten ist so gut wie alles, was die junge Münchner Musikszene im Moment zu bieten hat. Das klingt nach ... ja, wonach eigentlich? Indie, Rock, Pop, Alternative, Country - liebes Publikum, bedienen Sie sich. In der Blumenstraße ist für jeden was dabei. Und es gibt viel zu entdecken.

Zum Beispiel Theresa Chanson. "THE singt während RESA mit Hilfe einer Gitarre versucht, schöne Klänge von sich zu geben" - so beschreibt sich die Singer-Songwriterin selbst. Theresa ist Einzelkämpferin. An diesem Abend sitzt die junge Frau mit dem blonden Pony, die so schön unschuldig schauen kann, in einem roten Kleid auf einem Barhocker auf der Bühne im Orangehouse. Draußen ist es noch hell, das Publikum lümmelt vor ihr auf Hockern.

"Habt ihr Lust auf Rock'n'Roll?"

Theresa hat es nicht einfach, der Soundcheck will nicht so recht klappen und das Publikum reagiert nicht auf ihre Animationsversuche. Aber schlimm ist das nicht. Denn Theresa versucht nicht nur, schön zu klingen. Sie tut es auch. Es ist wunderbar, dieser Musikerin zuzuhören. Zum Beispiel, wenn sie "Lonely nights" anstimmt. Den Beginn des Songs haucht sie ins Mikro, später bearbeitet sie die Gitarre kräftiger und in ihrer Stimme schwingt manchmal etwas Wütendes mit, das noch ihre Anfänge durchblicken lässt - als Mitglied einer Punkband.

Theresa Chanson, Flowerstreet Festival, München

Das sind THE und RESA, die mit ihrer Stimme und Gitarre wunderschöne Klänge von sich geben.

(Foto: Kathrin Haimerl)

Ortswechsel, ganz andere Musik, aber auch diese Band ist eine Entdeckung. Tonwertkorrektur heißen diese Musiker, die den klassischen Gesang und die Klavierakkorde der jungen Sängerin mit Schlagzeugdonner und wummernden Bass kontrastieren. Die Drei erzeugen düstere Klangwelten, entsprechend dunkler sind die Gestalten im Publikum. Die Röhrenjeansträger bevorzugen andere Bands.

Zum Beispiel Amadeus mit The Breaking Hearts. Wieder ganz andere Musik, ganz anderes Erscheinungsbild. Amadeus, den Fans und Freunde hier Gregor oder Greg rufen, mag es bunt. Zum Geburtstag seines Labels trägt er eine rote Schlaghose in Kombination mit einem psychedelisch gemusterten Hemd. "Habt ihr Lust auf Rock'n'Roll?", schreit er ins Mikro. "Eine Musikrichtung, die ich erst vor kurzem erfunden habe?"

Amadeus grinst, beugt sich über seine Gitarre, haut in die Saiten und stimmt "Stranger In A Town" an. Der Mann hat Spaß auf der Bühne, so viel, dass er zum Schluss seines Auftritts noch Billie Jean von Michael Jackson spielt. Jene Nummer also, mit der er den jungen Burschen von vorhin so begeistern würde. Und nicht nur den. Das Publikum hat sich warmgetanzt.

Gute Vorarbeit für Pardon Ms. Arden, die letzte Band an diesem Abend. Deren Indie-Rock ist nett, eingängig und irgendwo zwischen den Libertines, Mando Diao und den Arctic Monkeys anzusiedeln. Auf der Bühne aber geben die drei richtig Gas. Es geht Schlag auf Schlag. Ihr Set prügeln sie regelrecht durch. Das Publikum hottet ab, tanzt, schwitzt, einer springt auf die Bühne, halbnackt selig lächelnd.

Dann holt Sänger Nick Amadeus und Hanna auf die Bühne. Dann noch die anderen Bands. Und dann stimmt die große Flowerstreet Family eine dreckige Indierock-Version von "Twist and shout" an. Es sollte der Rausschmeißer sein an diesem Abend. Dann gehen die Lichter an. "Wie? Schon vorbei?", fragt einer.

Ja, schon vorbei. Schade das. Wir hätten gern noch mehr gehört.

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