Die Bezirksausschusswahl in Trudering-Riem:Damenwahl

Ob die von der CSU zu den Freien Wählern gewechselte Stephanie Hentschel wieder Vorsitzende des Bezirksausschusses wird, ist fraglich. So gut wie sicher ist dagegen, dass das Gremium wieder von einer Frau geführt wird und das Machtgefüge ins Wanken gerät.

Von Renate Winkler-Schlang

"Wir machen halt Sacharbeit." Darin sieht Stephanie Hentschel, die Vorsitzende des Bezirksausschusses Trudering-Riem, den Grund, dass ihr Wechsel von der CSU zu den Freien Wählern während der Amtsperiode im Gremium keine größeren Spuren hinterlassen hat. Sacharbeit. Klar, jeder kann das von sich sagen. Doch ihre beiden Vorgänger Günter Deppisch und Georg Kronawitter haben dabei deutlich mehr polarisiert, die Stadtverwaltung und den Oberbürgermeister im fernen, "roten" Rathaus mit harscheren Worten angegriffen als die promovierte Chemikerin. Das lag am Naturell der beiden CSU-Männer - aber auch an der damals noch absoluten CSU-Mehrheit im Bezirksausschuss.

Zu diesen Zeiten war der Truderinger BA auch verschrien als Gremium, in dem es kurz nach Mitternacht erst so richtig spannend wurde. Hentschel ist eher der Meinung, eine Sitzung habe am selben Tag aufzuhören, an dem sie begonnen hat. Das danken ihr auch die manchmal zahlreichen Zuhörer, die ebenfalls zu Wort kommen dürfen. Nur einmal, bei der Empfehlung zur Umfahrung Kirchtruderings, erklärte Hentschel, die Bürger hätten bei der Bürgerversammlung das Mikrofon für sich gehabt, jetzt sei mal nur das Gremium dran. Eine weise Entscheidung, denn die Argumente waren vielfach ausgetauscht.

Zur guten Atmosphäre bei den Sitzungen trägt sicherlich der großzügige Saal des gastfreundlichen Kulturzentrums bei. Vom Eingang aus gesehen rechts sitzt die CSU, wie seit jeher mit den Vertretern der FDP, in diesem Fall zwei Vertreterinnen. In dieser Wahlperiode hatte die CSU die Liberalen erstmals gebraucht als Mehrheitsbeschaffer für ihre damalige Kandidatin Hentschel. Es ist die Messestadt mit ihrer jungen, internationalen Klientel, die der SPD und den Grünen Prozentpunkte bringt - und das politische Gefüge im Stadtteil so langsam ins Wanken.

Doch Sebastian Schall, Fraktionssprecher der CSU, der nun als Nachfolger von Georg Kronawitter in den Stadtrat drängt, verweist auf die guten Ergebnisse bei der Bundestagswahl für den CSU-Newcomer Wolfgang Stefinger. Ein paar Stimmengewinne - und die CSU könnte wieder alleine herrschen in Trudering-Riem. Aber natürlich würde man auch dann eine Art "Allparteienregierung" anstreben, alle irgendwie einbinden, versichert Schall.

Stefingers Bundestagskandidatur war der wichtigste Auslöser für Hentschels Parteienwechsel gewesen, denn auch sie hatte Ambitionen gehabt und war sich am Ende sicher, dass in den verkrusteten Strukturen der CSU Frauen immer noch im Nachteil seien. Aus ähnlichen Gründen hatte zuvor schon die junge, ehrgeizige Messestädterin Henrike Haastrick die CSU-Faktion verlassen. Sie saß den Rest der Amtszeit demonstrativ drüben bei den Grünen, kandidiert jetzt aber bei den Freien Wählern für den Stadtrat, jedoch weit aussichtsloser als Stephanie Hentschel, die auf der Freien-Liste den dritten Platz einnimmt.

Auch wenn Hentschel es in den Stadtrat schaffen sollte, im BA will sie wieder mitarbeiten. Und sie könnte sich auch vorstellen, ihn erneut zu leiten, als eine Art "kleinster gemeinsamer Nenner", wie sie sagt. Zwar war Hentschel nach ihrem Übertritt auch weiter als Vorsitzende akzeptiert worden, inzwischen aber hat sich die CSU sortiert und ist fest entschlossen, wieder einen eigenen Vorsitzenden zu stellen. Georg Kronawitter, der nach seinem Schlaganfall nicht mehr für den Stadtrat antritt, wird wieder im Bezirksausschuss sein, will ihm aber sicher nicht noch einmal vorstehen. Schall hat gute Aussichten auf einen Wechsel ins Rathaus und will sich auf diese Aufgabe konzentrieren. Der ebenfalls erfahrene Otto Steinberger, bisher einer von Hentschels Stellvertretern und Leiter des Budgetausschusses, sagt von sich, er habe keine Ambitionen, man müsse doch den jungen Leuten Chancen lassen. Magdalena Miehle (55), bisher Schul- und Sozialausschuss-Sprecherin, ist jünger als Steinberger. Sie ist im Gespräch für den Vorsitz und gibt zu erkennen, dass sie bereit wäre: Auch Hentschel und Kronawitter hätten ja erst einmal hineinwachsen müssen in diese Aufgabe. Das könne sie auch schaffen.

Drüben, auf der linken Seite des Tisches, wo neben Haarstick gleich die Grünen sitzen, hört man dergleichen wohl eher ungern. Der Ur-Grüne Herbert Danner hat mit Georg Kronawitter und dessen Parteifreunden manchen Strauß ausgefochten. Vor allem in Verkehrsfragen, wo Danner stets unerbittlich die Fundi-Position vertritt, Autos durch Räder und Öffentliche Nahverkehrsmittel abzulösen. Wenn es Streit im BA gibt, dann darüber. Da wird es schon mal laut. Aber nie wirklich verletzend, denn Danner und Kronawitter mögen sich auch. Gemeinsam kämpfen der Grüne und der Schwarze schon Jahrzehnte gegen die Nachverdichtung und für den Erhalt der Gartenstadt. Danners fürsorgliche Worte nach Kronawitters Schlaganfall hat der ihm hoch angerechnet. Aber Miehle?

Danner gibt oft recht unverhohlen zu erkennen, dass er Magdalena Miehle für unbelehrbar hält. Man war zuletzt heftig zusammengerasselt, als die CSU-lerin ihre nicht mehrheitsfähigen Ideen eines Wohngebiets auf den mit Altlasten verseuchten illegalen Gewerbeflächen am Rappenweg oder auch den nicht unterkellerten Kopfbau der alten Flughafentribüne als Ort für eine Bücherei beharrlich vertrat. Auf die Grünen könnten die Schwarzen bei Miehle als Kandidatin wohl eher nicht bauen - zumal Danner viel von Hentschel hält. Dass sie ihm den Vorsitz im Planungsausschuss überlassen hat, findet er immer noch äußerst fair. Ob die CSU sich aber auf die FDP verlassen könnte, ist so klar auch nicht. Vielleicht herrscht ja zwischen den beiden liberalen Damen Stephanie Bachhuber und Eva Giesel, die wieder die FDP-Liste anführen, und Hentschel eine freundschaftliche Frauen-Solidarität.

Und die SPD? Die gibt es auch noch in Trudering-Riem. Und sie will dieses Mal sogar die CSU übertrumpfen. Gertraud Ziegltrum war bisher konstruktiv und gewissenhaft als stellvertretende Vorsitzende tätig, tritt aber nicht mehr an. Maren Salzmann-Brünjes als Fraktionssprecherin gab nie ein besonders professionelles Bild ab, zu oft quatschte sie einfach dazwischen. Eine streitbare Opposition waren die Genossen gewiss nicht. Sie arbeiteten mit, stellten auch Anträge, ihr Profil schärfte das aber kaum. Heraus ragte allenfalls die quirlige Kinderbeauftragte, Susan Beer. Die 44-jährige Messestädterin würde auch gerne Vorsitzende werden und ist sicher, die Themen des gesamten Bezirks im Fokus zu haben. Die ÖDP wollte ins Gremium, kann aber nicht antreten. Jedenfalls müssen in dieser Gemengelage nach der Wahl einige Sondierungsgespräche geführt werden. Gewiss scheint nur: Den BA 15 wird eine Frau leiten.

Überwiegend von Männern vertreten ist der 15. Bezirk im Stadtrat. Für die SPD kandidieren wieder Helmut Schmid und Ingo Mittermaier auf aussichtsreichen Plätzen, weiter hinten Susan Beer. Für die CSU tritt wieder Hans Podiuk an, zudem Schall und weniger aussichtsreich Miehle und Andreas Löffler. Für die Grünen ist Danner weit vorne, auf der Liste auch Peter Ruch, Alfred Mayer, Eva Döring. Für die FDP kandidiert Bachhuber, für die Freien Wähler treten Hentschel und Haarstick an.

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