Baierbrunn wählt:Die Scheu vor dem Amt

Der CSU-Bürgermeister Eugen Kramer beendet überraschend sein Gastspiel im Rathaus der Gemeinde Baierbrunn und überlässt den Chefsessel Barbara Angermaier. Die Gemeinderätin der BIG ist die einzige Kandidatin.

Jürgen Wolfram

Wollen die Bürger Baierbrunns echte Wahlkampf-Atmosphäre schnuppern, sollten sie einen Abstecher in die Nachbargemeinden Pullach oder Schäftlarn in Erwägung ziehen. Dort können sie beobachten, wie sich verschiedene Bewerber ums Bürgermeisteramt gerade spannende Rennen liefern. Bei ihnen daheim ist davon nichts zu spüren, dort steht nicht mal eine Wahl im eigentlichen Sinn bevor, denn es gibt nur eine einzige Kandidatin. Mehr als Ja oder Nein zu Barbara Angermaier von der BIG zu sagen, ist dem Baierbrunner Wähler also nicht vergönnt.

Alle anderen Konstanten der Kommunalpolitik in der kleinsten Gemeinde des Landkreises München - ÜWG, CSU, SPD und Grüne - müssen personell passen. "Es ist gar nicht so einfach, geeignete Leute für das Bürgermeisteramt zu finden", bedauert Alfred Hutterer (ÜWG), ein Veteran der Kommunalpolitik. Er selbst wollte sich den Tort einer nochmaligen Kandidatur nicht antun, nachdem er vor sechs Jahren schon im ersten Wahlgang gescheitert war. Bei den meisten anderen potenziellen Bewerbern, von Michaela Lichtblau (SPD) bis Hans Ruppenstein (ÜWG) oder Josef Fröhler (CSU) stünden familiäre, berufliche oder Altersgründe dagegen, sich der Herausforderung zu stellen. Die Scheu, sich die Last der Rathausführung aufzuhalsen, ist neu in Baierbrunn. Besonders erstaunt, dass sie auch den noch amtierenden Bürgermeister Eugen Kramer (CSU) ereilt hat.

Er glaubt, beruflich bessere Perspektiven zu haben, als weiterhin den ersten Mann seiner Gemeinde zu geben. Weil er überdies als Gemeinderatskandidat ebenfalls nicht mehr zur Verfügung steht, dürfte er vor allem den Eindruck hinterlassen, ein kommunalpolitisches Gastspiel gegeben zu haben: Vor sechs Jahren stand er überraschend zur Verfügung, jetzt verschwindet er ebenso überraschend wieder von der Bühne. Vollblutpolitiker sehen anders aus.

Immerhin: Kramer ist der erste CSU-Bürgermeister der Gemeinde Baierbrunn überhaupt. Wie er seinerzeit die SPD-Kandidatin Michaela Lichtblau knapp mit 52,4 Prozent in der Stichwahl besiegte, hat lange für Gesprächsstoff gesorgt. Unter anderem auch deshalb, weil die beiden Ortsteile wie gehabt unterschiedlich abstimmten: In Buchenhain dominierten die Sozialdemokraten, in Baierbrunn die Christsozialen. Das war schon zu Zeiten von Christine Kammermeier (SPD) so, die mehr als 20 Jahre lang an der Spitze der Isartalgemeinde stand.

Gänzlich ungewöhnlich sind Solo-Kandidaturen im Isartal nicht. Um die Jahrtausendwende hatte der 2006 verstorbene Parteifreie Hubert Guggenmos in Icking leichtes Spiel, weil keinen Gegner. Und wie es aussieht, dürfte auch Hans Sienerth in Straßlach-Dingharting diesmal unangefochten durchs Ziel gehen und Rathauschef bleiben.

Jetzt gesellt sich also die rührige Barbara Angermaier zu dieser Runde. Sie hat bisher vor allem als Gemeinderätin mit Sinn fürs Vereinsleben, als Schulweghelferin und Sachwalterin der Interessen von Kindern auf sich aufmerksam gemacht. Keine schlechten Voraussetzungen für die Aufgaben, die sie und der neue Gemeinderat in der nächsten Sitzungsperiode werden bewältigen müssen. Es gibt in Baierbrunn, wie den Programmen aller Parteien und Gruppierungen zu entnehmen ist, ein überragendes Thema: die Erweiterung der Grundschule. Dafür lagen mal elf Planungsvarianten vor, die nach und nach eingegrenzt werden. Besonders strittig an diesem Projekt ist die Frage, ob der Expansion von Schule, Mittagsbetreuung und dem dazugehörigen Parkplatz ein Schlittenberg geopfert werden soll oder nicht.

Die anderen bewegenden Probleme der Baierbrunner sind ebenfalls seit Jahren bekannt: Verkehrssicherheit an der donnernden B 11, die Rettung des Isartaler Landschaftsschutzgebiets vor dem anhaltenden Siedlungsdruck, Ausbau der Betreuungseinrichtungen für Kinder, Schaffung eines weiteren Sportplatzes, Annäherung an die Energievision des Landkreises München sowie die Bewahrung des teilweise immer noch dörflichen Ortsbildes.

Und dann wollen weiterhin die penetranten Avancen Schäftlarns abgewehrt sein. Die Nachbarkommune wird nicht müde, eine Umgehungsstraße für Hohenschäftlarn zu planen, die Baierbrunner Gebiet und/oder den Forstenrieder Park tangieren würde. Bei diesem Thema konnte schon Eugen Kramer ziemlich schroff werden. Die Bilanz des noch amtierenden Gemeinderats kann sich in Teilen sehen lassen, weshalb die To-do-Liste nicht mehr ganz so lang ist wie noch vor sechs Jahren.

Das Gewerbegebiet wurde ausgebaut; ein Aldi verbessert mittlerweile die Versorgungslage in der Gemeinde; ein Kinderhaus fängt den Bedarf an Hort- und Kindergartenplätzen weitgehend auf. Letzteres war finanziell ein Kraftakt für eine Gemeinde, die nicht gerade im Geld schwimmt wie die Nachbarn Pullach und Grünwald. Als letzter Gewerbesteuerzahler von herausragendem Rang ist der Wort & Bild Verlag geblieben. Zum Glück für Baierbrunn gefällt sich dessen Inhaber immer wieder auch als Sponsor gemeinschaftlicher Projekte. Wenn Baierbrunns Gemeinderat diskutiert, wird durchaus Leidenschaft spürbar. Gleichwohl ziehen die Bürgervertreter oft an einem Strang, etwa wenn es darum geht, die B 11 zu sichern. Die Bürgermeisterin in spe hat sich, was zu ihrer Popularität beiträgt, genau mit diesem Problem intensiv beschäftigt und einen Schulweghelfer-Service aus der Taufe gehoben, der seinesgleichen sucht. Für dieses Engagement ist Barbara Angermaier unlängst mit der Ehrenmedaille ihrer Gemeinde ausgezeichnet worden.

Mit eben diesem Pfund kann auch Alfred Hutterer wuchern. Er will zwar nicht mehr Bürgermeister werden, aber gern wieder Gemeinderat. Bei der ÜWG steht er auf Listenplatz zwei. Hutterer ist so etwas wie der Bewahrer, der Traditionalist in Baierbrunn, einer der sich um den Naturschutz und die Pflege eines historischen Friedhofs kümmert.

Zu den Gemeinsamkeiten der kommunalpolitischen Kräfte in diesem Wahlkampf gehört die Forderung nach mehr Transparenz und Bürgerbeteiligung. Namentlich die BIG mit Barbara Angermaier und die Grünen um Gemeinderat Robert Gerb machen sich dafür stark. Ob das im Umkehrschluss heißt, dass bisher zu viel gemauschelt wurde?

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