Apassionata in der Olympiahalle:Angriff auf den guten Geschmack

Lesezeit: 4 min

45 Pferde, Ponys und ein Esel. Feen, Tänzer, kitschige Bilder, heroische Musik. Ein Kindertraum. Die Pferdeshow Apassionata gastiert in der Münchner Olympiahalle.

Lars Langenau

Beginnen wir mit einer Meditationsübung! Kennen Sie diese quietschigen, bonbonbunten Wasserfälle in den bevorzugt anatolischen Haushaltswarengeschäften in Bahnhofsgegenden? Die als Wandschmuck getarnten Scheußlichkeiten, in denen das Wasser wirkt, als fließe es tatsächlich? Dieser wahrgewordene Kitsch, der so kitschig ist, dass er schon wieder kultig ist? Gut. Dann stellen Sie an ihrer Hi-Fi-Anlage aus den 70er Jahren nun Musik von Jon & Vangelis oder Kitaro an. Träumen Sie schon? Sind Sie schon in der Welt hinter den sieben Bergen? Dann lassen Sie in ihrer Vorstellung jetzt die Zwerge weg - und stellen Sie sich stattdessen Pferde vor, und Feen sowie Sternenstaub - und schon haben sie eine Vorstellung von der neuen Apassionata-Show "Im Licht der Sterne" in der überaus gut gefüllten Münchner Olympiahalle.

Pferde in ungewöhnlichen Positionen: In der Zauberwelt der Apassionata-Shows scheint zwischen Sternenstaub und Eselmännern alles möglich. (Foto: Reuters)

Die - in eine himmelschreiend bekloppte Story eingebettete - zweistündige Tierschau ist ein Angriff auf die Sinne, auf die des guten Geschmacks. Als würden hier die Fee Tinkerbell und Rapunzel aus Walt-Disney-Filmen im Tolkienschen Auenland im Kunstnebel besinnungslos umherirren. Doch das Publikum ist ergriffen, klatscht und stampft begeistert auf den Boden. "Papa, das ist so laut, neben und hinter mir schreien die Leute. Warum tun die das?" Die sechsjährige Tochter ist ebenso angetan wie irritiert. Das hatte doch der Mann vorhin gesagt, beruhigt der Vater, die Pferde werden hier nicht mit Zucker belohnt, sondern mit Applaus. "Hier sind alle verkleidet", sagt sie, "bloß die Pferde nicht".

Den Darstellern, der Sängerin, den Tieren ist sicher nichts vorzuwerfen, sie machen allen einen tollen Job, aber das Ambiente, die Story, die Bilder, die "magischen Begegnungen" (Eigenwerbung): Naja. Kurz zur Geschichte, in die die Akts eingebunden sind: Leyla, eine Fee (ganz in Weiß), sammelt Sternenstaub, der via einer Sternschnuppe vom Himmel gefallen ist, doch "böse Gestalten" (ganz in schwarz) klauen den Sternenstaub - bis ihr der "geheimnisvolle Reiter Pedro" im Flamenco-Takt den Sternenstaub zurückbringt und Leyla ihn dann irgendwann dem Himmel wiederbringt. Auf dass die Sterne wieder leuchten. Uff.

Vor dem inneren Auge sieht man den Kini, wie er vollkommen aus dem Häuschen in der ersten Reihe sitzen würde und spätestens bei der ausfahrbaren Riesenmuschel vor Begeisterung dahin schmelzen würde. Die Tochter hingegen sagt: "Ich verstehe die Geschichte nicht so richtig". Geht dem Vater ebenso. Warum aber Sinn stiften, wenn es keinen Sinn gibt?

Auch fragt sich der Besucher, ob es Ponys genießen, wenn sie an ihre Fesseln brennende Wunderkerzen gebunden bekommen. "Papa, die Tiere müssen aber ganz schön aufpassen, dass sie sich nicht verbrennen." Und der Papa ermahnt: "Das machst Du aber nicht bei Deiner nächsten Reitstunde mit den übriggebliebenen Silvesterknallern!" Verständnisvolles Nicken. "Nein, nein, ich spiele doch nicht mit Feuer." Wir sehen also Akrobatik auf Pferden, die unter normalen Umständen zur Einlieferung der Akteure in eine geschlossene Klinik reichen würde. Ein Spiel mit dem Feuer und ein frontaler Angriff auf den guten Geschmack also.

"Papa, das Pferd spuckt"

Nach 15 Minuten ist die Tochter irritiert: "Ist das schon aus?" Wir sehen in diesem Moment einen Esel, der schlafen möchte, was die Tochter um die Uhrzeit am Freitagabend schon längst tun müsste. Der "Eselmann" zieht den Esel am Bein: "Tut das nicht weh?" fragt die Tochter und schaltet dann beim nächsten Akt auf Profi: "Das Pferd trabt." In der ersten Stunde fragt sie dann: "Papa, wie findest Du das?" "Ganz ehrlich?" "Ja." "Ganz kitschig." "Ich auch", antwortet sie, "aber das ist ja kein Radio!" "Hä?" "Ja, das hier können wir nicht umstellen." Die Weisheit der Kinder.

Aber irgendwie ist sie auch angetan von den unnatürlichen Pferdebewegungen, wenn sich etwa ein Pony auf zwei Beinen im Kreis dreht, einen Knicks macht, sich verbeugt oder ein Gespann mit sechs Pferde über ein brennendes Hindernis springt. Keine Frage: Alles tolle Stunts, auch wenn einen das Gefühl beschleicht, diese Kunststücke sollten doch eher Hunde als Pferde können - und sich das manchmal mit leichter Kritik der Tochter vermischt: "Papa, das Pferd spuckt".

Der Papa tröstet sich beim Anblick anmutiger Tänzerinnen und reibt sich die Augen, wenn etwa ein Pferd aus dem Stand in die Luft springt. "Wer tanzt denn besser, die Tänzerinnen oder die Pferde?" fragt er naiv die Tochter. "Die Pferde tanzen doch gar nicht, die machen Kunststücke." Hier spricht der Profi angesichts wunderschöner schwarzer Hengste und grell leuchtender Schimmel. "Machen die Reiter eigentlich alles was die Pferde wollen?". "Nein andersrum". "Ach so."

Für kleine Mädchen und postpubertäre Pferdefanatiker

Am Ende der Show ist die Skepsis des Kindes gewichen. Es muss UNBEDINGT das Programmheft mit seinem mühsam über Monate gesammelten Taschengeld erwerben, freut sich über das Plakat, das es ungefragt dazu geschenkt bekommt und man kann ihm gerade noch den Erwerb eines Handtuchs und Kissens mit Pferdemotiven ausreden. Wenn man also an die Zielgruppe denkt, ist das Ziel der Show erreicht: Sechs- bis 16-jährige Mädchen, die ihre Eltern mit hierher geschleppt haben oder aufgebrezelt selbst den Weg hierhergefunden haben sowie PferdefanatikerInnen in ihrer postpubertären Phase, die Jahrzehnte anhalten kann.

"Papa, weißt Du warum ich die Pferde so toll finde?", sagt die Tochter abgeklärt. "Nein". "Weil die so schöne Locken haben", sagt sie - und streicht sich verträumt durch die eigene lockige Mähne. Wenn da mal gerade kein Sternenstaub rausgepurzelt ist.

Weitere Vorstellungen der Apassionata-Show in der Münchner Olympiahalle gibt es am Samstag, 08.01., um 15 und 20 Uhr sowie am Sonntag, 09.01., um 14 und 19 Uhr. Die Karten kosten zwischen 32 und 110 Euro, mehr Informationen gibt es unter www.apassionata.de .

© sueddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: