Mediatoren am Gärtnerplatz:Friedensmission in der Isarvorstadt

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Das Partyvolk am Gärtnerplatz ist den Anwohnern schon lange ein Dorn im Auge. Nun wollen Mediatoren der Stadt versuchen, den jahrelangen Streit zu schlichten.

Sabrina Ebitsch

Seit Jahren ist der Gärtnerplatz umkämpft, die Fronten sind verhärtet: Die Anwohner wollen ihre Ruhe, die Nachtschwärmer einen schönen Abend auf dem schönen Platz verbringen. Seit Jahren schon gibt es Bemühungen, den Gärtnerplatz zu befrieden: Er wurde umgestaltet und aufgehübscht, er beschäftigte Bürgerversammlungen und runde Tische, Alkoholverbote und Polizeikontrollen wurden diskutiert. Ohne Erfolg. Nun aber startet ein neuer Versuch, ein ungewöhnlicher und schwieriger.

Der Gärtnerplatz ist Treffpunkt für Nachtschwärmer. Anwohner leiden jedoch häufig unter dem lautstarken Partyvolk. (Foto: Robert Haas)

"Bei schnellen Lösungen wird meist das Wesentliche übersehen", sagt Albert Salai - und plädiert für die Entdeckung der Langsamkeit. Salai ist professioneller Mediator, arbeitet für Steg, die Stelle für Gemeinwesenmediation der Stadt. Gemeinsam mit seiner Kollegin Stefanie Wagner soll er in den kommenden Monaten die Fronten rund um den Gärtnerplatz aufweichen und vermitteln zwischen Anwohnern, bei denen sich über die Jahre der Zorn aufgestaut hat, und den Sommerabendgenießern, die sich des Problems oft gar nicht bewusst sind.

Lokalpolitiker bemühen sich seit Jahren um eine Lösung - bislang erfolglos

Nach Wochen der Vorbereitung verlässt Salai dieser Tage seinen Schreibtisch und geht dorthin, wo der Streit tobt. Er will sich am Ort des Geschehens einen Eindruck von der Realität eines oft zu heiß diskutierten Problems verschaffen. Er will herausfinden, was Anwohner und Besucher bewegt. Er will über das informieren, was die Mediatoren vorhaben und um Mithilfe werben für den geplanten Prozess.

Angestoßen hat ihn der Bezirksausschuss Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt. Die Lokalpolitiker hören die Klagen der Anwohner seit Jahren und bemühen sich seit Jahren um Abhilfe. Als Eva Jüsten, Leiterin der Beratungsstelle Steg, im Juni dem Gremium ihre Arbeit vorstellte, schöpften die Stadtteilpolitiker neue Hoffnung auf eine Lösung und stießen das Mediationsverfahren an.

Man habe selbst bereits versucht zu vermitteln, aber kaum Kontakt zu den Platznutzern herstellen können, sagt der Vorsitzende Alexander Miklosy (Rosa Liste). Daher gebe man die verfahrene Situation nun in fremde Hände. "Wir nehmen jeden Strohhalm, den wir bekommen können, um den Leuten zu helfen." Er habe auch Verständnis für das Bedürfnis der Feiernden, betont Miklosy: "Es ist ja auch schön, dass der öffentliche Raum genutzt wird, aber man muss auch die Interessen anderer bedenken."

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Genau darauf zielen die Mediatoren ab: auf die sogenannte Allparteilichkeit. "Bei der Mediation ist am wichtigsten, dass sich beide Gruppen exakt gleich wertgeschätzt fühlen und die Interessen aller berücksichtigt werden", sagt Salai.

Das soll bei der Auftaktveranstaltung am 15. September vermittelt werden. Anwohner, Platznutzer und Gewerbetreibende sind von 19 bis 21 Uhr in die Turnhalle der Förderschule München, Klenzestraße 27, eingeladen. Dort wird das Mediationsverfahren vorgestellt, alle beteiligten Gruppen sollen Themen oder - "Regelungspunkte" vorschlagen. Um Fakten, nicht um Emotionen soll es gehen - deswegen nennt Salai Lärmbelästigung auch neutral "Lautstärke".

Vermutlich dann im neuen Jahr wird tiefer gegraben: Im Idealfall finden sich Vertreter der jeweiligen Parteien zusammen, die in kleineren Gruppen Ziele setzen. Der nächste Schritt im Mediationsprozess ist das Herausarbeiten der Interessen, die hinter den Themen stecken.

Wenn ein Anwohner fordere: "Der Lärm muss aufhören!", könne es schlicht sein, dass er schlecht schlafe, erklärt Salai. Vielleicht spreche er aber auch für die Nachbarn mit drei kleinen Kindern. Oder er empfinde das öffentliche Feiern grundsätzlich als Rücksichtslosigkeit, weil sich hinter seiner Forderung ein Bedürfnis nach Ordnung verbirgt.

Schon im nächsten Jahr wird eine Verbesserung erwartet

Nach und nach sollen so die Fronten geklärt werden, die Streitparteien miteinander in Dialog treten und schließlich gemeinsam nach Ideen suchen und Lösungsvorschläge erarbeiten. Die realisierbaren werden dann schriftlich vereinbart - als Regeln für beide Gruppen. Die Mediatoren halten sich so weit wie möglich im Hintergrund. "Wir sind nur die Bergführer, die Teilnehmer müssen den Berg schon selbst besteigen", sagt Salai.

Ob sie oben ankommen, ist offen - genauso wie die exakten Ziele und der zeitliche Rahmen. Auch die Finanzierung steht bislang noch nicht. Wegen der großen Gruppen und der wechselnden Platznutzer stehen die Mediatoren vor einer Herausforderung. Schwierig ist auch das Ungleichgewicht: "Die Besucher haben keine Not - die Anwohner haben das Problem", sagt Salai. Deswegen sei es wichtig, den Nachtschwärmern nicht von vornherein Böses zu unterstellen, sondern ihnen offen gegenüber zu treten.

Leicht wird das alles nicht, und vielleicht ist das sogar gut so. Denn natürlich könne man durch einfache Maßnahmen wie schärfere Polizeikontrollen oder eingeschränkten Getränkeverkauf den Platz unattraktiver machen - aber das führe nur zur Eskalation, sagt Salai, der für das nächste Jahr auf jeden Fall eine Verbesserung erwartet: "Auch wenn man das vielleicht nicht unbedingt in Dezibel messen kann."

© SZ vom 01.09.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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