München:Zornedings früherer Pfarrer rechnet mit der Kirche ab

Pfarrer Ndjimbi-Tshiende

Pfarrer Olivier Ndjimbi-Tshiende hat in Zorneding Morddrohungen erhalten.

(Foto: dpa)
  • Olivier Ndjimbi-Tshiende hat im vergangenen Jahr seine Gemeinde in Zorneding verlassen, weil er rassistisch angefeindet wurde.
  • Nun hat er ein Buch geschrieben, in dem er die Geschehnisse verarbeitet.
  • Er erhebt keine Vorwürfe gegen die Gemeinde oder gegen Deutschland - aber gegen die Kirche.

Von Jakob Wetzel

Olivier Ndjimbi-Tshiende? Richtig: Das ist der frühere katholische Pfarrer von Zorneding, der aus dem Kongo stammt und rassistisch angefeindet worden ist. Der Fall erregte im vergangenen Jahr international Aufsehen, und auch wenn der Priester auf das alles lieber verzichtet hätte, der Konflikt hat ihn bekannt gemacht.

Pfarrer Ndjimbi-Tshiende war den flüchtlingsfeindlichen Tiraden der damaligen CSU-Ortsvorsitzenden Sylvia Boher entgegengetreten, ein CSU-Lokalpolitiker beschimpfte ihn daraufhin als "Neger", der Postbote brachte Morddrohungen. Im März 2016 warf der Pfarrer hin, die Angst war zu groß. Er verließ Zorneding, zog sich zurück und trat schließlich eine Stelle an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt an. Jetzt meldet er sich zurück.

Olivier Ndjimbi-Tshiende hat ein Buch geschrieben, in dem er die Geschehnisse auf seine Weise verarbeitet, es erscheint an diesem Montag. "Und wenn Gott schwarz wäre ... Mein Glaube ist bunt!" heißt es, und die Fallhöhe ist enorm. Gleich die ersten, einleitenden Worte bemühen die Menschenrechtserklärung der Vereinten Nationen: Alle seien frei und gleich an Würde und Rechten geboren, alle hätten Anspruch auf die Menschenrechte, ohne Unterschied etwa nach Rasse oder Hautfarbe. "Doch wie oft klaffen auch hier Theorie und Praxis auseinander." Was in Zorneding passiert sei, das sei zwar einzigartig, aber letztlich doch nur ein Beispiel für diese Lücke.

Was folgt, ist eine Abrechnung - doch anders, als es die Einleitung vermuten ließe, rechnet Ndjimbi-Tshiende keineswegs mit der Bundesrepublik Deutschland ab, deren Staatsbürger er ist, und auch nicht mit Zorneding. Nicht einmal gegen die dortige CSU tritt er nach. Stattdessen rechnet er ab mit seiner Kirche, auch wenn ihn das Erzbischöfliche Ordinariat im Frühjahr 2016 entschlossen verteidigt und in Schutz genommen hat. Tatsächlich raunt die Einleitung am Ende, der "Leser sei gewarnt: Das vorliegende Buch enthält Beobachtungen und Schlussfolgerungen, die vielen in der Amtskirche nicht gefallen werden."

Warum? Weil sich ein Gedanke durch das Buch zieht: Wenn Rassisten und Ausländerfeinde an Boden gewinnen, dann liege das auch an einer Krise der Kirche. "Fehlt der Glaube, fehlt die Menschlichkeit", schreibt der Ex-Pfarrer etwa, oder: "Wo der Glaube schwindet, wächst der Hass." Und die Amtskirche sei ein Teil des Problems: Machthunger und das Beharren auf starren Regeln hätten Jesus' Botschaft entstellt. Die Kirche könnte aber Teil der Lösung sein. Denn wenn sie eine andere wäre, dann wäre es auch die Gesellschaft. Wie müsste sie sein? Um, in den Worten von Ndjimbi-Tshiende, "mit dem Beispiel von Barmherzigkeit, Verzeihen und Liebe voranzugehen"?

Der Pfarrer will Gott und die Kirche neu denken

Er erörtert diese Frage in einem mutigen Buch. Es gibt kaum einen Konflikt zwischen Reformern und konservativen Katholiken, in dem er nicht Stellung bezieht. Seine "Vision von einer Kirche der Zukunft" ist die einer Kirche ohne Pflichtzölibat, mit verheirateten Priestern und geweihten Frauen - schließlich stehe doch die Gottesmutter Maria über den Aposteln. Es ist eine Kirche, die in Worten und Taten Jesus nacheifert, statt sich an Dogmen zu klammern, die keinen verdammt, sondern tröstet. Es ist eine Kirche, die in Nächstenliebe investiert statt in Prunk, die Fremde beherbergt und gegen Rassismus aufsteht, gegen Lügen, Ungerechtigkeit und Dummheit.

Ndjimbi-Tshiende will Gott und die Kirche neu denken. Auch wenn nicht jedes Argument zieht und seine Ideen manchmal wenig konkret sind, sein Buch steckt voller kleiner Impulse. Und jetzt? Ruhe seine Hoffnung auf Papst Franziskus, schreibt er, auch wenn er um die Beharrungskräfte in der Kirche wisse. Bleibt die Frage: Was wäre denn nun, wenn Gott schwarz wäre? Aber auch die ist letztlich nur ein Impuls, um nachzudenken. Die Antwort hebt sich Ndjimbi-Tshiende fürs Ende auf: Dann wäre das auch völlig unwichtig.

Olivier Ndjimbi-Tshiende: Und wenn Gott schwarz wäre... Mein Glaube ist bunt! Gütersloher Verlagshaus 2017, 192 Seiten, 17,99 Euro.

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