München:Wo Gymnasiasten keinen Platz mehr in der Stadt finden

Mütter vorm Gymnasium München Nord, die für Ihre Kinder im Münchner Norden keinen Gymnasiumsplatz bekommen haben. Mütterinitiative

Zwischen den Stühlen stehen: Anika Möckelmann, Lydia Dadaski, Anke Blankenburg-Guist und Alicia Stadler (v. re.) vor dem Gymnasium München-Nord.

(Foto: Florian Peljak)
  • Viele Feldmochinger Eltern wollen ihre Kinder auf das Gymnasium München-Nord schicken - wer keinen Platz bekommt, muss ins Umland ausweichen.
  • Eine Mütter-Initiative will nun den Mangel an weiterführenden Schulplätzen für Kinder aus Feldmoching und dem Hasenbergl (Stadtbezirk 24) bekämpfen.
  • Jedes jahr müssen in München 200 bis 300 Kinder an ein anderes Gymnasium vermittelt werden, weil ihre Wahlschule voll ist.

Von Melanie Staudinger

Der Anruf kommt um kurz nach halb zwölf. Nein, man könne ihre Tochter leider nicht am Gymnasium München-Nord aufnehmen, hört Alicia Stadler. Drei Kilometer wohnt die Familie von der Schule entfernt. Zu weit. Genommen werden nur Kinder, die innerhalb eines Umkreises von 1,4 Kilometer leben. Drei Stunden bleiben der Mutter aus Feldmoching an jenem Freitag im Mai, um die Unterlagen ihrer Tochter abzuholen. "Mein Sohn war damals gerade sechs Tage alt. Es war mein erster Ausflug mit ihm", erzählt Stadler. Sie packte also den Säugling und fuhr zum Gymnasium, damit die ältere Schwester am Montag darauf in Unterschleißheim angemeldet werden konnte.

222 Kinder wollten aufs Gymnasium im Norden, 90 zu viel. Die landeten in der Nachbarstadt Unterschleißheim oder am Lion-Feuchtwanger-Gymnasium in Milbertshofen. Feldmochinger Eltern, die sich im Moosacher Gymnasium oder Richtung Schwabing beworben hatten, berichten ähnliches. Zwei Jahre nach der Eröffnung des neuen Gymnasiums im Norden steht fest: Die erhoffte Entspannung bei der Schulsuche brachte die Schule nicht.

"Wir sind der nördlichste Stadtteil, liegen aber vom Gymnasium München-Nord zu weit weg", sagt Stadler. Mehr als vier Milliarden Euro hat der Stadtrat bisher für seine große Schulbauoffensive genehmigt, gut 70 Projekte sind beschlossen: "Aber Feldmoching wurde vergessen", sagt Stadler. Mit den Müttern Lydia Dadaski, Anke Blankenburg-Guist und Anika Möckelmann hat sie die Initiative Gym24 gegründet. Die Frauen wollen den Mangel an weiterführenden Schulplätzen für Kinder aus Feldmoching und dem Hasenbergl (Stadtbezirk 24) bekämpfen.

"Bei uns im Viertel werden es immer mehr Kinder, die Münchner Schulen nehmen uns aber nicht", sagt Möckelmann. Fast eine komplette Klasse Feldmochinger Schüler müsse nun nach Unterschleißheim pendeln und das mit der störungsanfälligen Flughafen-S-Bahn S 1. Stadler hat berechnet, dass ihre Tochter künftig um 6.45 Uhr das Haus verlassen müsse, damit sie um zehn vor acht in der Schule sei. "Eigentlich wohnt man doch in München, weil man die Auswahl an Schulen haben will und nicht, dass man nach draußen pendelt", sagt Stadler.

Keine Auswahl haben - das kennen Münchner Familien nur zu gut. Theoretisch könnten sie sich eines der 39 öffentlichen Gymnasien in der Stadt aussuchen. Rein rechtlich steht ihnen ein Schulplatz zu, wenn das Kind die gymnasiale Eignung hat, also einen Notendurchschnitt von 2,33 oder besser aufweisen kann. Die Praxis aber sieht anders aus: An vielen Gymnasien reicht ein Übertrittszeugnis mit guten Zensuren längst nicht mehr aus. Bewerben sich mehr Kinder, als es Plätze in den fünften Klassen gibt, müssen die Direktoren gezwungenermaßen auswählen.

Bevorzugt wird, wessen Geschwister die Schule bereits besuchen und wer in der Nähe wohnt. Die abgelehnten Kinder werden an ein anderes Gymnasium vermittelt. Zwischen 200 und 300 Kinder sind das jedes Jahr, Kinder, die sich eine Schule ausgesucht und sich auf diese gefreut haben und die im September ohne ihre Freunde auf ein anderes Gymnasium gehen müssen.

Im Münchner Norden spitzt sich die Situation besonders zu, wie Stadler und ihre Mitstreiterinnen berichten. Das Gymnasium Unterschleißheim gerät an seine Kapazitätsgrenzen, in Moosach und Milbertshofen geht kaum mehr was. Die Rückkehr zum G 9 wird jeder Schule einen zusätzlichen Jahrgang bescheren. Abhilfe ist nicht in Sicht. Im Norden ist lediglich ein Gymnasium auf dem Gelände der Bayernkaserne geplant - es soll Schulplätze für die Kinder zur Verfügung stellen, die auf dem Areal wohnen werden, wenn es bebaut ist. Neue Gymnasien werden zudem in Karlsfeld und in Bogenhausen entstehen. "Die sind noch weiter weg", sagt Lydia Dadaski.

Auf der anderen Seite erwartet Feldmoching ein Einwohnerzuwachs. Tausende neue Wohneinheiten sollen in fünf Jahren entstehen, so berichten die Frauen. 20 Prozent mehr schulpflichtige Kinder soll es geben. Im örtlichen Bezirksausschuss vermuten die Stadtteilpolitiker, dass Feldmoching und das Hasenbergl im Stadtrat einfach keine Lobby hätten und man deshalb übergangen werde. "Wir verstehen nicht, wieso die Stadt bislang immer davon ausgeht, dass wir keinen Bedarf für ein eigenes Gymnasium haben", sagt Dadaski.

Immerhin gibt es nun einen Hoffnungsschimmer: Die SPD im Stadtrat hat ein Gymnasium in der künftigen Bergwachtsiedlung beantragt - das Bildungsreferat prüft den Vorschlag. Der Bau aber bringt den jetzigen Kindern wenig. Wir brauchen eine Lösung, um die Engpässe schnellstmöglich zu beheben", sagt Anke Blankenburg-Guist. Feste Kontingentplätze für Feldmochinger Schüler an bestehenden Schulen könnten ebenso helfen wie eine temporäre Containerschule im Viertel. Diese Vorschläge hat die Initiative an Stadtschulrätin Beatrix Zurek (SPD) geschickt. Eine Antwort steht noch aus.

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