München:"Wir machen alles sehr transparent"

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Markthallen-Chef Boris Schwartz will Münchens traditionelle Märkte modernisieren und vergrößern, im Konsens mit den Händlern, den Kunden und der Politik. Als Erstes ist der Elisabethmarkt dran

interview Von Birgit Lotze

Selten fanden die Münchner Märkte so viel Beachtung wie derzeit - fast überall stehen Umbauarbeiten an. In den Viehhof soll das Volkstheater, das Areal der Großmarkthallen wird sich stark verändern, teils zugänglich sein. Und alle traditionellen Märkte, auch der Viktualienmarkt, sollen runderneuert werden - erstmals in ihrer langen Geschichte. Markthallen-Chef Boris Schwartz, Zweiter Werkleiter im Kommunalreferat, soll diese Projekte steuern.

SZ: Herr Schwartz, Sie machen sich derzeit nicht nur Freunde. Ihre Modernisierungspläne für die kleinen Märkte sind bei den Bürgern nicht sehr beliebt.

Boris Schwartz: Ein Gutachten hat 2011 bestätigt, dass wir an allen Märkten etwas machen müssen. Sie entsprechen meist den Anforderungen der Fünfzigerjahre. Heute sind die Ansprüche an die Kühlung, an Hygiene, Brandschutz, Statik und an die technische Infrastruktur ungleich höher. Wenn wir da nichts unternehmen, müssen einzelne Bereiche stillgelegt werden.

In Ihren Konzepten für drei Märkte wirkten die Marktstände wie unter einem Dach zusammengewachsen - eher wie eine Halle.

Wir hatten unter anderem ein sehr modernes Konzept, das stieß auf Skepsis. Aber wir haben auch viel Zustimmung von Händlern und Bürgern gekriegt für unsere Konzepte, die am Ist-Zustand orientiert sind. In Haidhausen wurde der moderne Ansatz sogar als Ufo bezeichnet. Die Absicht war, die Stände in einem Ring zu vereinen und in der Mitte einen Biergarten zu schaffen. Jetzt wurden Varianten als Basis ausgewählt, die sich stark am derzeitigen Erscheinungsbild orientieren. Wir wollen schließlich alles im Konsens mit den Händlern und den Nutzern machen.

Was wird sich nun verändern?

Unser Ziel ist, dass alle Händler und das komplette Sortiment bleiben. Allerdings brauchen wir wegen der neuen gesetzlichen Anforderungen dafür mehr Platz, für Kühlflächen, Lagerhaltung. Die Märkte müssen also größer werden. Der Markt am Wiener Platz wird um 32 Prozent wachsen, der Pasinger Viktualienmarkt um 24,7 Prozent. Wo dieser Platz herkommt, ist individuell zu lösen.

Muss man deshalb auf Markisen verzichten, Glas statt Planen verwenden oder sogar Holzpavillons verbannen ?

Ob Holz eingesetzt wird oder nicht, ist noch gar nicht festgelegt. Und Markisen sollen selbstverständlich erlaubt sein. Wir wollen vieles von dem erhalten, was die Atmosphäre eines Marktes ausmacht.

Der frühere OB Ude wollte die Zeltstädte vom Hindukusch, so seine Worte, nicht mehr sehen. Sie folgen offenbar seinen Vorgaben, wenn Sie die Planen durch Glaswände ersetzen wollen.

Ude hat doch nicht unrecht. Optisch ist es eine Verbesserung, es wirkt wie Wintergärten, die an Häuser gebaut sind. Den Händlern erleichtert es den Auf- und Abbau, sie können die Belieferung optimieren. Hygienisch gesehen sind die losen Planen, die über das Obst wischen, auch grenzwertig.

Wann kommt diese Modernisierung?

Wir haben mit drei kleineren Märkten angefangen, den Ist-Stand ermittelt, Händlerwünsche aufgenommen. Wir sind auf einem guten Weg, machen alles sehr transparent. Voraussichtlich fangen wir mit dem Elisabethmarkt an. Am Wiener Platz steht noch das Konsensverfahren der verschiedenen Interessengruppen an. Dazwischen fällt der Pasinger Markt.

Der Umbau des Viktualienmarkts ist wohl eine besondere Herausforderung?

Das wird vermutlich ein längerer Prozess. Viele, nicht nur die Händler, werden mitreden wollen. Der Viktualienmarkt ist Touristenmagnet, aber er ist auch für die Nahversorgung da. Das muss in der Balance bleiben. Der Tourist isst eine Leberkässemmel, kauft aber nicht den Rinderbraten.

Auch der Anlaufpunkt vieler Händler, die Großmarkthallen, werden erneuert.

Die Pläne für die neue große Halle, in die fast alle Händler einziehen, stehen. Derzeit geht es um die Konkretisierung. Wann gebaut wird, steht noch nicht fest. Im Laufe dieses Jahres wollen wir dazu Zahlen vorlegen. In jedem Fall wird es ein Bau am offenen Herzen: Der Betrieb geht weiter - bis die neue Halle fertig ist.

Reden wir über die Folgenutzung: Die Händler ziehen in die neue riesige Halle, auch die Verwaltung zieht um.

Was mit den Gebäuden danach geschieht, viele davon stehen unter Denkmalschutz, liegt nicht an uns. Wir brauchen sie nicht mehr. Wir ziehen uns fast komplett hinter die Alte Thalkirchner Straße zurück. Wenn der Stadtrat so entscheidet, planen wir, alles andere an die Stadt zu verkaufen.

Was passiert mit der alten Sortieranlage, ein malerisches Ensemble, das nicht unter Denkmalschutz steht?

Unsere Kernkompetenz ist der Großhandel. In der Sortieranlage hat man früher das Essbare aussortiert - aus dem, was in den Großmarkthallen weggeschmissen wurde, aber noch essbar war. Heute macht das die Münchner Tafel auf eine etwas andere Art. Wir brauchen die Sortieranlage nicht mehr. Die paar Wochenmarkthändler, die dort Garagen im Innenhof belegen, können auch im Großmarkt unterkommen. Die gastronomischen Einrichtungen, die dort die Vorderseite belegen, ebenso die Händler - sie haben nichts mehr mit dem Kerngeschäft Großmarkt zu tun.

Vor sieben Jahren mussten dort die Händler, Imbiss- und Restaurantbetreiber wegen Einsturzgefahr Hals über Kopf ausziehen, noch sind nicht alle Räume wieder vermietet, nicht mal vollständig renoviert. Ist das eine Folge von Desinteresse der Markthallen?

Nicht Desinteresse. Das ganze Dreieck hat seine Tücken. Auch wir wünschten uns, die Grundleitungssanierung wäre längst abgeschlossen. Aber darüber hinaus wird es teuer. Die Summe für eine grundlegende Renovierung, damit wieder ein Restaurant einziehen kann, ist zu hoch, um sie vernünftig in der Zeit bis zum Verkauf einzuspielen. Deshalb wollen wir das freie Restaurant nur grundsaniert abgeben und den zukünftigen Nutzern die weiteren Sanierungsmaßnahmen überlassen.

Boris Schwartz, 54 Jahre alt, ist Diplom-Ingenieur mit Schwerpunkt technischer Umweltschutz. Bis 2012 saß er für die Grünen im Münchner Stadtrat. (Foto: Stephan Rumpf)

Die Räume des Obsthändlers haben Sie trotz Stadtratsbeschlusses, der wieder einen Gemüsehändler fordert, mit einem Internet-Naturkostshop ersetzt.

Die Lage vor dem Eingang zu den Markthallen ist für ein Obst- und Gemüsegeschäft nicht einfach. Die Kundenfrequenz ist zu gering. Auf unsere Ausschreibung hat sich kein einziger Obsthändler gemeldet.

Sondern?

Ein Händler mit veganen Angeboten, eine Tofuproduktion, ein Kindergarten, eine Mikrobrauerei und eben der Online-Gemüsehandel mit Obst- und Gemüsehandel parallel zum Online-Geschäft - sonst ging nur noch ein Angebot mit unvollständigen Unterlagen ein.

Es hat sich angeblich sogar ein Mieter der Ladenzeile beworben.

Bei uns ist nichts Schriftliches dazu eingegangen. Anders ist es bei gastronomischen Betrieben. Auf einen Imbiss haben wir durchschnittlich sieben Bewerber, aber bei den Gemüsehändlern schaut es ganz schlecht aus - das erleben wir bei allen Märkten.

Gibt es dazu Zahlen?

Bei 57 Ausschreibungen im vergangenen Jahr haben 36 keinen einzigen Bewerber gefunden, in sechs Fällen wurde die Bewerbung wieder zurückgenommen. In drei Jahren ist die Zahl der Lebensmittelhändler auf den Münchner Märkten von 160 auf 140 zurückgegangen.

Wie besetzen die Markthallen die freien Stände der Gemüse- und Obsthändler?

Wir bemühen uns seit Jahren schon intensiv darum, arbeiten mit dem Bauernverband, mit der Selbstvermarktervereinigung, dem Landwirtschaftsministerium zusammen. Es ist nicht so, dass jeder Händler nur darauf wartet, nach München zu fahren. Aber jeder Stadtteil will seinen eigenen Bauernmarkt, zumindest einen Wochenmarkt haben. Wir können den vielen Wünschen kaum gerecht werden.

Wo wird es noch neue Märkte geben?

Vorrangig an großen Plätzen. In Allach am Oertelplatz. Ebenso in Freiham, gleich am Eingang zum Stadtbezirk, direkt an der S-Bahn. Damit die Händler überleben können, muss das Umfeld passen, der Kunde muss gleich nebenan noch seine Zahnpasta kaufen und anderes erledigen können - sonst geht ein Markt bald wieder ein.

München wächst. Es wird mehr Bedarf an hochwertigen Lebensmitteln geben. Warum verzichtet die Stadt nicht auf Miete, damit die Versorgung besser wird?

Wir brauchen keine großen Gewinne, aber reinbuttern können wir auch nicht. Außerdem bringt das in Relation nicht viel. Ein Händler braucht zum Überleben eine Umsatzhöhe, die bei mehr als dem Zehnfachen der Miete liegt. Märkte, die sehr gut gehen wie der am Mariahilfplatz in der Au, da wimmelt's, und die Qualität ist hoch. Aber es ist richtig: Wir werden mehr noch als bislang tun müssen, um Händler zu finden und zu halten.

© SZ vom 18.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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