München:Wie sich Pegida-Anhänger bewaffnen

Neue Verordnung macht Waffenverbotszonen in Sachsen möglich

Über den Schießsportverein gelangen Mitglieder von Pegida München ganz legal an Waffen.

(Foto: dpa)
  • Der Freistaat Bayern prüft seit April ein Verbot eines Schützenvereins, der enge Verbindungen zu Pegida München haben soll.
  • Es sei zu befürchten, dass Mitglieder des Vereins mit Waffen gegen Minderheiten vorgehen könnten, heißt es aus dem Innenministerium.
  • Vorsitzender der Schießsportgruppe war und ist der Münchner Pegida-Chef Heinz Meyer.

Von Martin Bernstein

Es ist ein schwerwiegender Verdacht, dem das Innenministerium derzeit nachgeht: Wollte die "Bayerische Schießsportgruppe München" unter dem Deckmantel eines biederen Sportvereins politisch motivierte Gewalttaten vorbereiten? Im Ministerium spricht man von der Gründung einer Bürgerwehr und möglicher Selbstjustiz.

Und davon, dass die mit der Münchner Pegida eng vernetzte Gruppe möglicherweise beabsichtigte, mit Waffengewalt gegen Minderheiten oder Repräsentanten der Bundesrepublik vorzugehen. Seit mehr als drei Jahren ist der angebliche Sportverein schon im Visier der Sicherheitsbehörden. Nach einer Razzia Ende April wird immer noch geprüft, ob die Schießsportgruppe verboten werden kann. Derweil dürfen ihre Mitglieder mit den legal gehorteten großkalibrigen Waffen weiterhin das Schießen üben.

Die Schießsportgruppe, deren Mitglieder überwiegend aus München kommen, gibt es seit fast sechs Jahren. Für den Eintrag ins Vereinsregister wählten die Schützen 2012 ein anrüchiges Datum - den 20. April, Adolf Hitlers Geburtstag. Es mag Zufall sein oder die Idee eines zeitgeschichtlich bewanderten Ermittlers: Als der Vorsitzende des Vereins zwei Jahre später Besuch von der Polizei bekam, geschah das am 8. Mai, dem Jahrestag der Kapitulation Nazi-Deutschlands.

Vorsitzender der Schießsportgruppe war und ist der Münchner Pegida-Chef Heinz Meyer. Der hiesige Pegida-Ableger wurde im Januar 2015 als Verein gegründet. Meyers Wohnung wurde durchsucht, nachdem "in einem bei der Bundesanwaltschaft wegen Bildung einer rechtsterroristischen Vereinigung geführten Ermittlungsverfahren Verbindungen eines in Bayern wohnhaften Beschuldigten zu einem Schießsportverein bekannt geworden" waren. So geht es aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken vom Juni dieses Jahres hervor. Darin heißt es weiter: "Es bestand unter anderem der Verdacht, dass der Beschuldigte zur Erlangung von Waffen einen Schießsportverein mitgegründet hatte, dessen Vorstand er auch war."

Über den Verein sowie über persönliche Waffenbesitzkarten hatte der Verdächtige nach Auskunft der Bundesregierung seinerzeit Zugriff auf drei Pistolen und vier Langwaffen sowie auf etwa 1700 Schuss Munition. Die Ermittlungen des Generalbundesanwalts gegen den heute 57-jährigen Meyer gehen zurück bis ins Jahr 2012 und sind noch immer nicht abgeschlossen.

Angst vor Angriffen auf Flüchtlinge und Muslime

Zu Details schweigt sich die Bundesanwaltschaft aus. Es geht um den Verdacht der Bildung einer terroristischen Vereinigung, zu der unter anderem auch der Rechtsterrorist Martin Wiese gehört haben soll. Wiese hatte zusammen mit Komplizen 2003 einen Sprengstoffanschlag auf die Grundsteinlegung des Jüdischen Gemeindezentrums in München geplant und war dafür zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt worden.

Neben Meyer sind oder waren fünf weitere Pegida-Aktivisten Mitglieder der Schießsportgruppe. Ein führendes Pegida-Mitglied soll auf diese Weise ein Dutzend legal erworbene Schusswaffen zusammengetragen haben, insgesamt wissen die Sicherheitsbehörden von mehr als 30 eingetragenen Waffen bei der Gruppe. Auch Pegida-Mitglieder, die nicht zur Schießsportgruppe gehören, sollen an monatlichen Übungen in Großhelfendorf, einem Ortsteil von Aying, teilgenommen haben.

Vier Sportfreunde, die sich dem Verein bei dessen Gründung offenbar in gutem Glauben an gepflegten Schießsport angeschlossen hatten, suchten rasch das Weite, als ihnen dämmerte, wofür die Schützentruppe wohl in Wirklichkeit gegründet worden war. Offenbar sei es vor allem darum gegangen, großkalibrige Waffen, möglichst Scharfschützengewehre, in großer Zahl legal besitzen zu dürfen - so der Anfangsverdacht der Sicherheitsbehörden. Einen eigenen Schießstand hat die Schießsportgruppe, die laut Vereinsregister in der Steinheilstraße 18 gemeldet ist, nicht. Meyer selbst hat seinen Waffenschein 2015 abgegeben. Im April 2014 war er bei illegalen Schießübungen unter freiem Himmel mit einer halb-automatischen Waffe erwischt und dafür zu einer Geldstrafe verurteilt worden.

Ende April dieses Jahres ordnete das Innenministerium eine erneute Razzia an. Jetzt steht ein mögliches Verbot der Schießsportgruppe im Raum. Knapp 120 Polizisten, darunter auch Spezialeinheiten, durchsuchten elf Objekte: sechs in München, dazu weitere in Taufkirchen, in Höhenkirchen-Siegertsbrunn, in Herrsching sowie in Kaufbeuren und Bad Rodach. Dabei sei ein Schlag gegen den "bewaffneten Arm" der Pegida gelungen, erklärte Bayerns Innenminister Joachim Hermann im April: "Wir haben die Sorge, dass die Bayerische Schießsportgruppe München die verfassungsfeindlichen Ziele von Pegida München kämpferisch aggressiv verwirklichen will, beispielsweise mit Angriffen auf Minderheiten wie Flüchtlinge und Muslime."

Ob all das für ein Vereinsverbot reicht, ist offen. Die Ermittlungen laufen noch. Derweil dürfen die Pegida-Anhänger - sofern sie einen Schießstand finden - mit ihren legal erworbenen halb-automatischen Waffen weiterhin schießen. Erst wenn der Verein unanfechtbar verboten wäre, könnten auch seine Mitglieder die erforderliche "waffenrechtliche Zuverlässigkeit" nicht mehr nachweisen.

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