München:Wann Hofflohmärkte so richtig weh tun

München: Diesen Samstag ist Hofflohmarkt im Westend.

Diesen Samstag ist Hofflohmarkt im Westend.

(Foto: Robert Haas)

Eigentlich sind Hofflohmärkte eine tolle Sache - wenn der eigene Hinterhof die richtige Lage hat.

Kolumne von Vera Schroeder

Der Hofflohmarkt ist für Münchner Familien eine geradezu überlebensnotwendige Erfindung, da der Wohnraum knapp und die Anschaffungen über das Jahr zahlreich sind. Dazu kommt das voyeuristische Vergnügen, in fremden Hinterhöfen alte Spitzerker und neue Glasvorbauten zu entdecken, während man Grillwürste und Waffeln mit Puderzucker in sich hineinsteckt und die Kinder versuchen, für je zwei Euro möglichst viele Kubikmeter Plastikschrott zu erstehen.

Noch traumatischer fallen Hofflohmärkte nur für die aus, die unbedingt selbst verkaufen wollen, obwohl sie in einer vom Besucherstrom ignorierten Nebenstraße wohnen. Der Stand der Gentrifizierung des eigenen Wohnorts lässt sich ja nicht nur ablesen an der nachbarschaftlich gepflegten Blumenvielfalt rund um die nächste Parkuhr herum, sondern auch am Flohmarkt-Absatz im Hinterhof.

Und wer Pech beziehungsweise irgendwie auch Glück hat, wer jedenfalls in einer ingwerlimonadenfreien kleinen Nebenstraße wohnt oder in einer derart geldig zersetzten Neubaustraße, dass die Bewohner das Wort "Flohmarkt" nur aus dem Tatort kennen, der bleibt auf seinem Glump eben sitzen.

Vergangenes Jahr haben wir es doch wieder gewagt und ans Gartentor drei einsame Luftballons gehängt. Das Haus liegt hofflohmarkttechnisch quasi doppelt benachteiligt an einer Randstraße und zwischen Neubauten. Jedenfalls macht hier niemand Flohmarkt, und als die Luftballons nach fünf Minuten nur noch als bunte Gummizuzeln von den Metallzacken des Gartentors herunterhingen - da verschwand der vollgedeckte Tapeziertisch im Nirgendwo wie die Kinder mit ihren zwei Euro irgendwo im richtigen Flohmarktviertel.

In den folgenden Stunden kamen exakt drei Menschen vorbei: ein alter Mann, der über die Neubauten schimpfte und erklärte, dass er als Kind hier in der Isarvorstadt keinen Spielplatz brauchte, weil die Hinterhöfe ihm damals genug waren. Ein Junge, der sich verlaufen hatte. Und eine Frau aus dem Nachbarhaus, die ihren Kinderaufsatz für die Toilette zu unseren Sachen dazulegen wollte: "Schauts mal, was ihr kriegt dafür, und dann ladet ihr mich halt mal auf einen Kaffee ein." Irgendwann, so gegen Mittag, räumten wir zusammen.

Den Rest des Tages verbrachten wir damit, in den vollen Straßen "so einen Mann" zu suchen, der dem Kind, das fünf Jahre nach der Markteinführung des iPods geboren wurde, drei TKKG-Kassetten mit Bandsalat für je 30 Cent verkauft hatte. Wir haben ihn sogar gefunden, aber dann doch nix gesagt, das war uns zu blöd. Ansonsten macht Hofflohmarkt natürlich Spaß. Diesen Samstag zum Beispiel im Westend.

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