München:Sinnvolle Prävention

Im Münchner Umland sind die Sozialausgaben in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen

Von Stefan Galler, Iris Hilberth

Die Sozialausgaben von Städten und Landkreisen in Deutschland sind trotzt der guten Konjunktur in den vergangenen zehn Jahren um mehr als 50 Prozent gestiegen. Hatten die Kosten, zu denen als drei Hauptsäulen die Sozialhilfe, Wohnungszuschüsse für Langzeitarbeitslose/Hartz-IV-Empfänger und die Jugendhilfe zählen, im Jahr 2005 bundesweit noch etwa 51 Milliarden Euro betragen, so waren es 2014 bereits 78 Milliarden Euro. Diese Entwicklung, die eine Studie der Bertelsmann-Stiftung jüngst untermauert hat, macht selbst dem strukturstarken Landkreis München zu schaffen. Hier stiegen die Sozialausgaben prozentual sogar noch deutlicher. Netto hat der Kreis im Jahr 2005 33,4 Millionen Euro in diesen Bereich gesteckt, neun Jahre später waren es bereits 57,0 Millionen Euro - und der Haushaltsansatz für 2015 sieht Ausgaben in Höhe von 70,8 Millionen Euro vor . Das entspricht einer Zehn-Jahres-Steigerung von gut 100 Prozent. Etwa 20 Prozent der Kreisumlage fließen jedes Jahr in soziale Ausgaben.

Landrat Christoph Göbel (CSU) nimmt die Entwicklung gelassen, zumal diese Kostenexplosion für ihn relativ leicht erklärbar ist: "Ein ganz großer Anteil daran ist sozusagen selbst verschuldet, weil wir sehr viel Geld in den präventiven Bereich der Jugendhilfe stecken", sagt Göbel. Das sei schon bei seiner Vorgängerin Johanna Rumschöttel (SPD) so gewesen. Das sieht Susanne Tausendfreund (Grüne), stellvertretende Landrätin und Bürgermeisterin von Pullach genauso. "In den Jahren vor Frau Rumschöttel hatte es lange eine Tendenz gegen Sozialausgaben gegeben", erinnert sich die Grüne, die ununterbrochen seit 31 Jahren im Kreisrat sitzt. In der Amtszeit von Johanna Rumschöttel sei das Bewusstsein gewachsen, dass sich Investitionen in Prävention langfristig auszahlten. Tausendfreund verweist auf Investitionen in eine verbesserte Jugendhilfe und in gute Beratungsangebote wie etwa die Fachstelle für die Verhinderung von Obdachlosigkeit oder eine verbesserte Familienberatung. "Auch wenn wir ein sehr wohlhabender Landkreis sind, ist bei uns deutlich erkennbar, dass die Schere zwischen Arm und Reich deutlich auseinandergeht", sagt sie. "Allein 2014 haben wir 20 Prozent mehr als im Jahr zuvor in die Prävention gesteckt und decken damit Bedarfe ab, die man vorher gar nicht gesehen hat", rechnete Landrat Christoph Göbel vor.

Dabei gehe es nicht nur um soziale Brennpunkte. Vielmehr sei es in der heutigen Leistungsgesellschaft auch notwendig, beispielsweise Schüler zu betreuen, die durch Frusterlebnisse psychologische Begleitung brauchten. Überhaupt nimmt der Landkreis bei seinen Sozialausgaben im Vergleich zu vielen anderen Gebietskörperschaften eine Sonderposition ein. So machen die Zuschüsse zu Wohnungen von Langzeitarbeitslosen bei weitem weniger aus als in anderen Gegenden, was an den geringeren Arbeitslosenzahlen liegt. Sehr wohl ins Kontor schlagen die Zusatzkosten, die der Landkreis zu tragen hat, seit er als Optionskommune selbst für die Vermittlung von Arbeitslosen zuständig ist. "Aber es ist halt auch viel effektiver, weil wir näher dran sind an den Leuten als die Bundesagentur in Nürnberg und gegebenenfalls in Zusammenarbeit mit der Handwerkskammer nachqualifizieren können."

Die gestiegenen Anforderungen im Bereich Asyl haben dagegen zumindest auf den ersten Blick keine Auswirkungen auf die Sozialausgaben, weil die Unterbringungskosten vom Freistaat beziehungsweise vom Bezirk getragen werden. Kosten bleiben erst hängen, wenn Flüchtlinge anerkannt sind, übergangsweise jedoch noch in den öffentlichen Einrichtungen wohnen. "Ich habe der Regierung von Oberbayern für das Jahr 2014 einfach mal 70 000 Euro für diese sogenannten Fehlbeleger in Rechnung gestellt", sagt der Landrat. "Und sie haben das Geld auf Heller und Cent überwiesen."

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