München:Sinnsuche mit allen Sinnen

Andrea-Elisabeth Lutz über Kulturmanagement in der Erzdiözese München-Freising

Von Andrea Schlaier

Von außen wirkt die katholische St. Rupert-Kirche am Gollierplatz mit ihren baulichen Zurüstungen noch trutziger als ohnehin schon. Innen dagegen regt sich Poesie. Schillernde Fische drehen sich leise unter dem neoromantischen Gewölbe wie in einem Aquarium. Sie künden von einer ungewöhnlichen Reihe, die sich von Samstag, 24. September, bis 19. November, an künstlerisch-geistlicher Zwischennutzung im Gotteshauses versucht - während dieses grundlegend saniert wird. Ausgedacht hat sich das interaktive Kunstprojekt "Laborarium" im Wesentlichen Andrea-Elisabeth Lutz, leitende Kulturmanagerin der Erzdiözese München und Freising. Ein Gespräch über die Vermittlung von Spiritualität durch Kunst:

SZ: Frau Lutz, wie kommt es dazu, dass Sie ausgerechnet während der "Gerüstzeit" von St. Rupert ein künstlerisches Programm in diesem Kirchenraum anbieten?

Andrea-Elisabeth Lutz: Erst einmal sieht es im Viertel so aus, als wäre die Kirche durch die ganzen Verhüllungen geschlossen, und als passiere da ein paar Jahre lang nichts. In so einer Zeit, wird es immer spannend für Kunst, wenn noch alles im Umbau ist, nichts feststeht. In dieser Zwischennutzungsphase kann man etwas ausprobieren, und es muss auch etwas passieren, damit die Leute nicht denken, die Kirche wird zugesperrt.

Laborarium  Veranstaltungsreihe

Tanz als Geste der Anbetung: Mit ihrer Performance "Hand und Hände" bindet Helga Seewann Besucher in ihre Raum-Choreografie ein.

(Foto: Wolfgang Gebhard/oh)

Sie sprechen bei der Reihe von einer "ungewöhnlichen Annäherung an Spiritualität". Wie wird dies konkret aussehen?

Bei allen Veranstaltungen, die übrigens fast ausschließlich an Samstagabenden stattfinden, also zur Zeit der Vorabendmesse, sind die Besucher aufgerufen, aktiv mitzumachen. Es gibt eine tiefere Sinndeutung, wenn man Mit-Erschaffer eines Kunstwerks ist, das sich zum Beispiel mit Themen wie der Suche nach Höherem beschäftigt. Auch in der Liturgie sind wir so weit, dass die Gläubigen eine Messe nicht nur anhören, sondern auch an ihr teilnehmen. Ich wollte hier eine Parallele versuchen.

Wer wird angesprochen?

Die Gemeinde, aber darüber hinaus spricht das Kulturmanagement der Erzdiözese mit ihrer Arbeit neue Kreise an. Menschen, die eine niedere Schwelle suchen zu einer Kirche, zu Wahrheiten, zu Erkenntnissen, und auch Dinge denken wollen, die mit Glaube, Liebe, Leben, Leid oder Sterben zu tun haben. Eine Klientel, die hier in München sehr urban und zwischen 30 und 75 Jahre alt ist. Kulturelle Veranstaltungen, wie in Heilig Geist und Heilig Kreuz mache ich schon lange und weiß, sie sind sehr gesucht. Das ist fast wie eine Marktlücke. Leute, die mit einer Sonntagsliturgie oder einer etablierten Gebetsform nichts mehr anzufangen wissen, können über einen Künstler einen neuen Weg für sich entdecken. Darum werden bei Laborarium ein Künstler, ein Theologe und ein Kirchenmusiker, sozusagen eine Drei-Einheit, zusammen vor Ort sein. Der Theologe deutet das Thema, der Künstler schöpft ein Kunstwerk daraus, die Leute können daran teilhaben, und der Kirchenmusiker sucht eine kirchenmusikalische Deutung.

Andrea-Elisabeth Lutz

Kulturmanagerin Andrea-Elisabeth Lutz sagt, dass etwas passieren muss, damit die Leute nicht denken, dass die Kirche zugesperrt wird.

(Foto: Erzbischöfliches Ordinariat München/oh)

Hoffen Sie darauf, dass diese urbanen Sinnsucher nach so einer Kunstaktion an der katholischen Kirche hängen bleiben?

Erst einmal sind diese Leute schwer zu binden, dafür ist das Angebot in München zu vielfältig. Ich glaube nicht, dass sie sich dadurch in eine klassische Pfarrgemeinde einbinden lassen. Aber sie kommen wieder, wenn wieder so etwas angeboten wird. Man kann auf diese Weise viele Menschen erreichen wie in der Heilig Geist-Kirche mit den großen Ausstellungen. Zu den Installationen von Michael Pendry kommen Hunderttausende. Die Nachfrage ist sehr groß.

Muss man also neue Formen finden, um die Menschen in die Gotteshäuser zu locken?

Natürlich sucht jede Zeit neue Formen, auch unsere. Ich habe den Eindruck, die Leute treibt's wieder zu uns. Und sie sind froh, wenn sie Anknüpfungspunkte finden. Ich glaube auch, dass wir grade wieder Anlaufstelle in so unsicheren Zeiten sind und die Leute abholen müssen mit Programmen, die sie verstehen.

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