München-Reiseführer für Teddybären:Touristen mit Knopfaugen

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"Wir sind nicht verrückt"': Elke Verheugen und Christopher Böhm zeigen Stofftieren die Stadt - und haben nun sogar ein Buch geschrieben.

Martin Hammer

Am Anfang mussten sich die Vertragspartner erst einmal beschnuppern. Auf der einen Seite des Tischs saß Susi, der Plüschhase von Elke Verheugen, auf der anderen Seite die Stoffkatze Kitty. Und beide machten eifrig Konversation.

Hallo Mutti! Kuck mal, ich bin in der Leopoldstraße. (Foto: Foto: teddy in munich)

,,Das war schon skurril'', erinnert sich Verheugen. Immerhin war eine Redakteurin des Langenscheidt-Verlags zu Besuch, um ein Buchprojekt zu besprechen - ,,und als erstes zog sie eine Stoffkatze aus der Tasche und fing an, sie reden zu lassen''. Ein paar Sekunden war Verheugen sprachlos, dann holte sie ihren ,,Reisehasen Susi'' und man unterhielt sich - von Plüschtier zu Plüschtier.

Drei Minuten dauerte das ungewöhnliche Kennenlernen, erzählt Verheugen. Dann wurde es mit einem Schlag professionell. Denn so verrückt das alles klingen mag - es ging um ein ernsthaftes Projekt: den ersten Reiseführer für Teddybären, der Anfang September in den Buchläden stehen wird.

Auf 120 Seiten erfahren Stofftiere und deren Halter alles, was sie bei einem Besuch in München wissen müssen. Kunst zum Beispiel, interessiert Teddybären eher weniger, sagt Autorin Verheugen, statt Biergarten stehen kulinarisch Honig und Fisch im Vordergrund. ,,Es geht darum, die Welt mit Knopfaugen zu sehen.''

Hofbräuhaus und Golfkurs

Was gar nicht so einfach sei, gesteht Verheugen, die mit ihrem Partner Christopher Böhm einige Erfahrung im Bärentourismus gesammelt hat. Seit knapp zwei Jahren sind die beiden mit ihrem Projekt Teddy-in-Munich auf Bären-Reisen spezialisiert: Aus aller Welt schicken Stofftierbesitzer ihre Lieblinge per Post auf Urlaub nach München - und Böhm und Verheugen spulen mit ihren Gästen das volle Touristenprogramm ab.

Besuch im Hofbräuhaus, auf dem Olympiaturm und im Deutschen Museum, es gibt Nachtwanderungen für mutige Teddys, Spieleabende, Golfkurse oder - auf besonderen Wunsch - auch Bungee-Jumping und Sprachkurse. Nach einer Woche kommen dann Stoffschwein Lasse aus Schweden oder Teddy Lothar aus Bremen mit einem eigenen Fotoalbum wieder nach Hause.

Für den Polyglott-Reiseführer haben die beiden Autoren das bebrillte Knopfauge Doktor med. Markus auf Tour geschickt. Und eine gemütsmäßige Nähe zu Kuschelfell und Knopf-im-Ohr sollte man als Leser schon mitbringen, um der Reisegeschichte zu folgen.

Versehentlich aus dem Rucksack gepurzelt, befreit der Teddy Markus seine ,,dunkelfellige Freundin'' Elisabeth aus der Vitrine des Spielzeugmuseums und erkundet München - vom Viktualienmarkt über die Allianz-Arena bis zur Blade Night.

Honigbonbons zur Beruhigung

Bei Nervositätsanfällen gibt es Honigbonbons zur Beruhigung, in der Touristen-Information am Rathaus spricht man selbstverständlich fließend teddisch, und eine Anleitung zum Rolltreppefahren ist ebenfalls inklusive. ,,Eine Mischung aus Reiseführer und Geschichte'', erklärt Verheugen das Konzept, das sich ausdrücklich nicht nur an Kinder richte.

Dass das Thema Teddy auch bei manchen Erwachsenen ankommt, wissen die beiden von ihrer Reiseagentur. 150 Kunden haben laut Böhm bisher Stofftiere nach München geschickt - aus Japan, Kanada, Frankreich und natürlich aus Deutschland.

Meistens kämen gleich mehrere, weil sich einer allein nicht traue, sagt Böhm, der eigentlich beim TÜV arbeitet. Dort testet er hauptberuflich Spielzeug, schneidet Teddybären den Bauch auf und prüft, wie leicht entzündbar eine Stoffkatze ist. Böhm erzählt das auch, um klarzustellen, das er ein normales Verhältnis zu Stofftieren pflegt.

,,Wir machen das mit einem Augenzwinkern. Wir spielen mit den Leuten, und die spielen gerne mit.'' Zwischen 99 und 149 Euro zahlen die Gäste - je nach Herkunftsort - für ihren Urlaub. Kein sehr lohnendes Geschäft, sagt Böhm. Sechs bis acht Stunden ist er mit dem Bollerwagen unterwegs, um Fotos vor den Sehenswürdigkeiten zu knipsen, dann müssen die beiden für jedes Tier noch ein eigenes Album machen.

Mit dem Reiseführer nun könnte das Teddy-Geschäft endlich auch finanziell ein bisschen interessanter werden, hofft Böhm. Immerhin 20000 Stück will Langenscheidt als Startauflage drucken. ,,Wir haben das in der Zeitung gelesen, fanden es schräg und dachten, das machen wir einfach mal'', sagt Verlagssprecher Bernhard Kellner.

Sorgen, dass man mit dem ungewöhnlichen Buchprojekt dem seriösen Image des Verlags schaden könnte, habe es nicht gegeben. Wie viele Exemplare des Reiseführers nun tatsächlich verkauft werden, lasse sich schwer abschätzen, sagt Kellner, ,,aber wir haben vorsorglich Papier gebunkert, um möglichst schnell nachdrucken zu können''.

Schließlich sei das Buch nicht nur ein Produkt für Teddy-Wahnsinnige, betont Verheugen, sondern auch ein richtiger Reiseführer. Einer, der in der Stadt Spuren hinterlässt. Die Teddy-Tipp-Tatze pappt als Aufkleber in der Touristen-Information im Rathaus und an diversen Geschäften.

Gebastelte Kreditkarten

Überrascht, dass sich der Langenscheidt-Verlag für das skurrile Projekt überhaupt interessiert, sei man nicht gewesen, sagt Böhm gelassen. Dazu hat er in den vergangenen zwei Jahren schon zu viel im Teddy-Business erlebt.

,,Am Anfang wollten wir einfach testen, ob so etwas geht'', sagt er - durchaus in Sorge um den eigenen guten Ruf. Doch nicht nur die Medien - vom japanischen Fernsehen bis zur Calgary Sun - griffen das Thema begeistert auf, auch bei den Kunden kam das Angebot an. ,,Männer schicken uns Teddys ebenso wie Frauen.

Überwiegend Leute mit Studienabschluss, auch Professoren und Rechtsanwälte, die uns erzählen, dass sie ohne ihr Stofftier nicht schlafen können.'' Entsprechend ernst nehmen die Kunden die Reisevorbereitungen: Luftlöcher zum Atmen sind in den Paketen, gebastelte Kreditkarten und Gummibären als Reiseproviant. ,,Manchmal hat man da schon ein Grinsen im Gesicht'', sagt Verheugen.

Um den Teddy-Freunden weiter Nahrung zu geben, haben die beiden schon ein neues Projekt im Visier: ein Kochbuch mit den Lieblingsgerichten der Stoffbären. Und natürlich wird auch die Reiseagentur weiter betrieben. Für das Oktoberfest liegen schon seit dem Frühjahr Anmeldungen vor.

Und im untersten Wohnzimmer-Regal schlummern bereits Teddy Alamo aus San Antonio und das Stoffpferd Waltrup aus Nordrhein-Westfalen. Sie warten auf den Samstag - dann zieht Christopher Böhm wieder mit dem Bollerwagen durch München und zeigt seinen Gästen die Stadt.

© SZ vom 18.8.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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