NFL-Spiel:So feiert München die große Football-Party

NFL-Spiel: Ein Heimspiel, 8500 Kilometer entfernt von zuhause: German Sea Hawkers vor der Oper.

Ein Heimspiel, 8500 Kilometer entfernt von zuhause: German Sea Hawkers vor der Oper.

(Foto: Florian Peljak)

Anfeuerungsrufe und Gruppenfotos, Staumeldungen für die Fußgängerzone und lange Schlangen überall: Zum Football-Spiel zwischen den Buccaneers und den Seahawks feiern die Fans fröhlich und friedlich die sehnsüchtig erwartete Premiere. Eindrücke aus einer Stadt im Football-Fieber.

Von Christoph Leischwitz und Joachim Mölter

Am Samstagnachmittag um kurz vor zwei schien sich auf dem Max-Joseph-Platz etwas zusammenzubrauen. Um das Denkmal des ersten bayerischen Königs herum versammelten sich ein paar Dutzend Menschen hinter blau-gelben Fahnen, um "Gemeinsam gegen den Krieg" in der Ukraine zu demonstrieren, wie das Motto der Veranstaltung hieß. Und auf den Treppenstufen vor der Oper formierten sich gleichzeitig mehrere Hundert Frauen und Männer in Dunkelblau und Neongrün hinter ebenso gefärbten Bannern. Uneingeweihten mochten sie wie eine Gegendemo erscheinen, Eingeweihte erkannten natürlich sofort, dass es sich bloß um die harmlosen Anhänger eines American-Football-Klubs aus Seattle handelte. Und zur Bestätigung schallte auch gleich deren Anfeuerungsruf über den Platz: "Sea! - Hawks! Sea! - Hawks! Sea - Hawks! Sea! - Hawks!"

Immer wieder war dieser Ruf am Samstag in der Münchner Innenstadt zu hören, er gehörte zur Einstimmung auf eine sehnsüchtig erwartete Premiere der US-amerikanischen Profiliga NFL - das erste Punktspiel zweier NFL-Teams auf deutschem Boden. Das fand am Sonntagnachmittag in der Arena in Fröttmaning statt zwischen den Seattle Seahawks und den Tampa Bay Buccaneers mit ihrem Superstar Tom Brady. Für dieses Ereignis waren nicht nur Football-Freunde aus ganz Deutschland zu Tausenden angereist, sondern auch viele aus Europa und sogar den USA. Und für alle Anhänger des Teams aus Seattle hatte der hiesige Fanklub, die "German Sea Hawkers", ein Gruppenfoto zur Erinnerung organisiert.

"Wir haben alles dafür getan, um die Partie zu einem Heimspiel für unser Team zu machen", erzählte Maximilian Länge, der Medienbeauftragte der "German Seahawkers". Die hatten sogar ein Transparent herstellen lassen mit ihrem Motto des Wochenendes - "Heimspiel" eben. Und das präsentierten sie nicht nur am Nachmittag vor der Oper, es hing am Abend auch an einer Gaststätte im Tal, die sie als Party-Location reserviert hatten. Mit Bier und Häppchen und einer Liveband feierten etwa 900 Fans bis weit nach Mitternacht schon mal den erhofften Sieg ihres Lieblingsteams vor. Und weil es sich bei der Gaststätte um das Schneider Bräuhaus handelte, ließ es sich der General Manager der Seahawks - John Schneider - nicht nehmen, höchstpersönlich vorbeizuschauen.

Es war schon bemerkenswert, wie die Seahawks-Anhänger ein Heimspiel zelebrierten, das 5300 Meilen oder 8500 Kilometer entfernt vom Zuhause ihrer Mannschaft stattfand. Sie waren die zahlenmäßig größte Gruppe unter all den Fan-Grüppchen, denen man in München begegnen konnte. "Wir sind wie eine Familie", versicherte ein aus Florida angereister Seattle-Fan namens Craig. Er gehört zu den sogenannten Super-Fans, die wegen ihrer auffälligen Kostümierung eine gewisse Prominenz genießen - und von anderen Fans ständig um ein Selfie gebeten werden.

NFL-Spiel: Die NFL hat die Münchner Innenstadt erobert.

Die NFL hat die Münchner Innenstadt erobert.

(Foto: IMAGO)
NFL-Spiel: Das Hofbräuhaus, Hauptquartier der Tampa Bay Buccaneers.

Das Hofbräuhaus, Hauptquartier der Tampa Bay Buccaneers.

(Foto: Florian Peljak)
NFL-Spiel: "Du wirst dich nicht an alle Spiele in deiner Karriere erinnern, aber an dieses wirst du dich erinnern", sagt Buccaneers-Quarterback Brady.

"Du wirst dich nicht an alle Spiele in deiner Karriere erinnern, aber an dieses wirst du dich erinnern", sagt Buccaneers-Quarterback Brady.

(Foto: Florian Peljak)

Die sogenannten Sea Hawkers waren mit ihrem Schlachtruf auch die mit Abstand lauteste Fangruppe- dabei hatte ihr Team im Grunde wenig zu sagen bei ihrem Auftritt in Europa. Das Milliarden-Unternehmen National Football League (NFL) achtet ja penibel auf seine Vermarktung, das war bei genauem Hinschauen auch in München zu erkennen. Was die Liga nicht selbst organisiert, wie zum Beispiel die Helmparade ihrer 32 Mitglieder-Klubs auf dem Odeonsplatz, ist streng reglementiert. Selbst der deutsche TV-Partner der NFL, Pro7 / Ran, durfte beim Public Viewing der Partie in der Rudi-Sedlmayer-Halle am Sonntag keine Logos der Liga oder ihrer Teams verwenden. Daran störten sich die rund 6000 Besucher, die 29 Euro nur für den Eintritt bezahlt hatten, freilich nicht. Die ärgerten sich nur über die langen Schlangen an den Imbissständen.

Für den deutschen Markt hat die NFL bislang nur vier Klubs eigene Marketingrechte gewährt - den Buccaneers, den Kansas City Chiefs, den New England Patriots und den Carolina Panthers. Die Seahawks als Gastteam durften im Grunde keinerlei PR-Aktivitäten außerhalb des ihnen zugewiesenen Augustiner Stammhauses machen - also warben auf den Straßen und Plätzen einfach die Fans für das Team.

"Was Tampa als offizielle Heimmannschaft gemacht hat, war ein bisschen einfallslos", fand Lukas Spieß, der Präsident der 2014 gegründeten und 2016 als Verein eingetragenen "German Sea Hawkers", die mit ihren inzwischen 1800 Mitgliedern rasant zum weltweit größten offiziell anerkannten Unterstützerkreis der Seahawks avanciert sind. Die Buccaneers okkupierten jedenfalls bloß die in den USA bekannteste Münchner Gaststätte, das Hofbräuhaus, und stellten dort ihre Cheerleader und ihr Maskottchen für Selfies zur Verfügung. Auch Chiefs, Patriots und Panthers gaben sich wenig Mühe, außerhalb ihrer Lokalitäten in Erscheinung zu treten. Mussten sie ja auch nicht. Die Punktspiel-Premiere der NFL in Deutschland war ein Selbstläufer, im Wortsinn.

NFL-Spiel: Am Nachmittag war es in der Fußgängerzone stellenweise so eng, dass die Polizei eine Staumeldung herausgab.

Am Nachmittag war es in der Fußgängerzone stellenweise so eng, dass die Polizei eine Staumeldung herausgab.

(Foto: Florian Peljak)

Überall, wo es etwas mit NFL-Bezug gab, liefen die Menschen in Massen hin. So sah man am Samstag die übergroßen Helme der 32 Klubs vor der Feldherrenhalle kaum noch vor lauter Leuten. Vor den besonders markanten Fotomotiven und vor dem Container mit den Fanartikeln bildeten sich lange Schlangen - und an diesen Menschenschlangen sollte man den ganzen Tag über erkennen, wo etwas für Football-Fans geboten war.

Vor den offiziell gekennzeichneten Pubs der NFL-Teams wie dem Hofbräuhaus, dem Herrschaftszeiten im Tal, dem Klosterwirt oder dem Augustiner-Stammhaus warteten mitunter und stellenweise bis zu 100 Menschen, um hineingelassen zu werden und etwas essen und trinken zu dürfen. Zwischenzeitlich bevölkerten die Football-Fans die Fußgängerzone in einem solchen Ausmaß, dass die Polizei am Samstagnachmittag eine Staumeldung für eine baustellenbedingte Engstelle bei dem von den Seahawks in Beschlag genommenen Augustiner in der Neuhauser Straße herausgab: "Um Gefahren zu verhindern, befinden sich polizeiliche Einsatzkräfte vor Ort und leiten die ankommenden Besucherströme ab", hieß es.

Erstaunlich, dass trotz des Gedränges und der Warteschlangen alles friedlich und fröhlich blieb. "Das ist nicht so wie im Fußball", bestätigte ein Türsteher des Herrschaftszeiten im Tal, in dem die New England Patriots ihre Außenstelle eröffnet hatten: "Die sind sehr entspannt beim Football." Auch von der Polizei wurden keinerlei Zwischenfälle gemeldet. Als das Einkaufspublikum dann am Abend die Fußgängerzone geräumt und nach Hause gegangen war, trieben sich die Football-Freunde immer noch in der Stadt herum und bildeten Schlangen vor den sogenannten Hot Spots, den von der NFL mit diversen Logos ausgewiesenen Football-Lokalen. Wer dort nicht hineinkam, setzte sich zur Not nebenan auch ins Freie, am Viktualienmarkt, am Platzl. Von der aufkommenden Kälte ließ sich jedenfalls kaum einer die Lust auf die große Football-Party nehmen.

NFL-Spiel: Schon Stunden vor Beginn pilgerten die Football-Fans zur Arena in Fröttmaning.

Schon Stunden vor Beginn pilgerten die Football-Fans zur Arena in Fröttmaning.

(Foto: Florian Peljak)

Am Sonntag pilgerten die Fans dann schon drei, vier Stunden vor Spielbeginn zum Stadion, auch das ein großer Gegensatz zu den Gepflogenheiten im Fußball. Die Football-Verantwortlichen hatten ja auch dort noch ein Fanfest organisiert. Die NFL hätte ja gern mehr öffentliche Plätze in der City bespielt, doch das Kreisverwaltungsreferat ließ die Liga nur auf den Odeonsplatz; auf dem Marien- und dem Karlsplatz werden ja schon Weihnachtsmarkt und Eislaufbahn aufgebaut. Also wurden diverse Mitmach-Aktionen für die Fans, wie man sie von den NFL-Gastspielen in London kennt, wenigstens auf der Esplanade vor dem Stadion angeboten - sogenannte Challenges, Herausforderungen, bei denen man mal ausprobieren konnte, das Football-Ei wahlweise zu werfen, zu fangen oder zu kicken. Oder auch mal testen durfte, wie hoch man springen kann.

Und als die Fans auch das schließlich noch hinter sich gebracht hatten, lösten sich die letzten Warteschlangen dieses Wochenendes auf - es ging endlich hinein ins Stadion.

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