München:Enger, höher und trotzdem schön

Zum 13. Mal hat die Stadt den "Ehrenpreis für guten Wohnungsbau" ausgelobt. Eine Ausstellung im Foyer der Lokalbaukommission zeigt besonders vorbildliche Projekte

Von Ulrike Steinbacher

Das Wort Nachverdichtung hat einen äußerst negativen Klang, gerade in München: Durch Umwandlung von Gewerbebauten in Wohnhäuser, durch zusätzliche Stockwerke auf bestehenden Blocks, durch neue Gebäude in alten Innenhöfen oder Gärten entsteht zwar Platz für neue Mieter, aber für die alten Bewohner wird es immer enger. Grünflächen verschwinden, Lebensqualität geht verloren. Allerdings kann Verdichtung auch funktionieren. Um positive Wohnbau-Beispiele zu finden und zur Nachahmung zu empfehlen, schreibt die Stadt München seit 1968 den Wettbewerb "Ehrenpreis für guten Wohnungsbau" aus. Heuer fand die 13. Runde statt, 57 Bauherrn reichten Projekte aus den vergangenen fünf Jahren ein. Die Jury vergab zwölf gleichwertige Preise und fünf lobende Erwähnungen. Von Freitag an sind die Arbeiten zwei Wochen lang bei der Lokalbaukommission zu sehen.

Die Preisrichter berücksichtigten für ihr Urteil, wie die Gebäude ins Stadtbild eingebunden sind, wie gut Frei- und Gemeinschaftsflächen genutzt werden können, ob die Mischung von Wohnungstypen funktioniert und ob die Wohnungen barrierefrei sind, nachhaltig gebaut, wirtschaftlich im Unterhalt. Es genüge nicht, die Qualität von Planung nur auf dem Papier zu sichern, schreibt Stadtbaurätin Elisabeth Merk im Vorwort der Dokumentation zum Wettbewerb. Wichtig sei die Umsetzung. Bei den Sanierungsobjekten sieht Merk einen Trend zur Energie-Einsparung. Gerade in Gebäuden aus den Fünfzigerjahren gebe es da großes Sparpotenzial. Außerdem würden die Bauherrn der demografischen Entwicklung, also dem steigenden Alter der Bevölkerung, Rechnung tragen, etwa indem sie Aufzüge nachrüsteten.

Zum Beispiel die Wohnanlage der städtischen Wohnbaugesellschaft GWG an der Zornedinger Straße in Ramersdorf: Früher waren die Höfe zwischen den drei Häuserzeilen zum Innsbrucker Ring hin offen, der Verkehrslärm enorm. Der neue Lärmschutzriegel mit den schmalen bunten Fensterläden sperrt den Krach aus und beherbergt außerdem Apartments. Die 84 Fünfzigerjahre-Wohnungen wurden saniert und mit neuen Balkonen ausgerüstet. Jede der drei Häuserzeilen bekam ein zusätzliches Stockwerk, insgesamt 25 Wohnungen. Weitere 25 Apartments wurden barrierefrei umgebaut, dazu noch 14 neue geschaffen. Eine Tiefgarage ersetzte den Garagenhof, der entsiegelt und zur Freifläche umfunktioniert wurde.

Die GWG-Anlage am Agnes-Kunze-Platz im Hasenbergl ist ebenfalls ein Beispiel für Nachverdichtung. Dort wurde ein neues Wohnhaus auf eine ehemalige Garagenfläche gesetzt. Die 57 Apartments sind C-förmig um einen Innenhof gruppiert, unter dem die Tiefgarage liegt. Die Jury hebt die vielfältige Mischung von Wohnungsgrößen und -zuschnitten hervor, die zum Teil verändert werden können, wenn neue Mieter andere Wünsche haben. Zwei Wohngemeinschaften der Stiftung Pfennigparade gehören zum Haus.

Flexible Grundrisse zeichnen auch ein Projekt in Berg am Laim aus. Dort zeigt das frei finanzierte Nachverdichtungsprojekt der Genossenschaft KunstWohnWerke in der Streitfeldstraße, wie sich eine alte Kleiderfabrik in neun Genossenschaftswohnungen mit Ateliers verwandeln lässt. Der Verwaltungsbau der Fabrik aus dem Jahr 1971 bekam ein Fassadensystem aus Holzelementen zur energetischen Sanierung verpasst. Im Inneren entstanden unterschiedlich große Wohnungen, je nach den Bedürfnissen der Bewohner. Die Grundrisse können infolge der Skelettbauweise immer wieder neu angepasst werden.

An der Gestaltung der Anlage Westendstraße 74 a-d haben die Bewohnerinnen selbst mitgewirkt: Hinter einem Vorderhaus aus der Gründerzeit ist auf einer schmalen Parzelle im Innenhof eines Karrees auf der Schwanthalerhöhe eine "geschützte Insel in der Stadt" entstanden, drei dreigeschossige Häuser mit Laubengang. Die dreifach verglasten Fenster senken nicht nur den Energieverbrauch, sondern fungieren gleichzeitig als Schallschutz zum Bolzplatz nebenan. In den 25 Wohnungen leben vorwiegend Rentnerinnen und Alleinerziehende, die Anlage ist ein genossenschaftliches Gemeinschaftsprojekt von FrauenWohnen und Wogeno.

Auch die Bewohner des Komplexes Petra-Kelly-Straße 29 wurden in die Planung ihres Hauses einbezogen. Das gehört zum Konzept der Wohnbaugenossenschaft Wagnis, die die 55 Apartments in drei miteinander verbundenen Häusern samt Kiosk, Café und Gewerbeflächen am Ackermannbogen in Schwabing-West errichtete. Eine "interessante Mischung unterschiedlicher Wohnungstypen für Jung und Alt" konstatiert die Jury und nennt das Energiekonzept "ambitioniert": Fotovoltaik auf einem Teil der Dächer liefert Strom, Abnehmer in der Nachbarschaft werden dabei mitversorgt. "Höhepunkt" des Komplexes sei aber die intensiv begrünte Dachterrasse.

Eine solche wird man im Hochhaus "IsarBelle" auf dem ehemaligen Siemensgelände in Obersendling vergebens suchen. Dafür dürfte die Aussicht auf die Alpen spektakulär sein, zumindest in den oberen Stockwerken. 16 Etagen hat der Wohnturm, den Bauherr Pandion Real Estate GmbH für die Stadtsparkasse errichtete. Die 68 Zwei- bis Fünf-Zimmer-Wohnungen sind zwischen 55 und knapp 200 Quadratmetern groß und haben Fenster in mindestens zwei Himmelsrichtungen. Der Turm unterscheidet sich von den anderen vier Wohnhochhäusern des Areals Südseite durch die abgerundeten Ecken des Grundrisses und die farblich abgesetzten aluverkleideten Balkone und Erker, die sich spiralförmig um den Baukörper winden. Die Individualität der Fassade setzt sich im Inneren fort: statt eines Standard-Grundrisses, der 16 Mal aufeinander gestapelt ist, gibt es viele Varianten.

Die Arbeiten sind von Freitag, 18., bis Mittwoch, 30. September, im Foyer der Lokalbaukommission, Blumenstraße 19, zu sehen. Die Ausstellung ist montags bis freitags von 9 bis 17 Uhr geöffnet, der Eintritt ist frei.

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