Ludwigsvorstadt:Hauptbahnhof: Anwohner klagen über Drogendealer und Obdachlose

Ludwigsvorstadt: Im Schatten der St.-Pauls-Kirche: Die Landwehrstraße gehört zum äußeren Rand des Bahnhofsviertels und ist urbanes Zentrum.

Im Schatten der St.-Pauls-Kirche: Die Landwehrstraße gehört zum äußeren Rand des Bahnhofsviertels und ist urbanes Zentrum.

(Foto: Alessandra Schellnegger)
  • Die Anwohner beklagen sich: Rund um den Münchner Hauptbahnhof gibt es mehr Obdachlose, Tagelöhner und Drogenhändler als früher.
  • Sie fordern mehr Streetworker im Bahnhofsviertel.
  • Polizei und KVR können keine Hinweise finden - auch nicht in Straßen, die entfernter vom Hauptbahnhof liegen.

Von Birgit Lotze

Rund um die großen Bahnhöfe der Republik gibt es in der Regel mehr Exzesse als anderswo, so auch in München. Doch hier wird so manchem Anwohner das Treiben zunehmend zu bunt - thematisiert werden Bettelei, Alkohol- und Drogenmissbrauch, Prostitution und Schwarzarbeit.

Inzwischen fühlen sich sogar Anwohner der Bahnhofsbereiche gestört, die eher am Rand liegen. So hatten die Anlieger der westlichen Landwehrstraße, jenseits der Paul-Heyse-Straße, bereits in der Bürgerversammlung im vergangenen November mehr Polizeipräsenz und Streetworker gefordert: Es gebe viel mehr Obdachlose und Drogenhandel als früher in ihrem Viertel.

Das Kreisverwaltungsreferat (KVR) ist allerdings dazu nicht bereit. Denn Verwaltung und Polizei haben nichts gefunden, was die Befürchtungen der Anwohner bestätigt - zumindest nicht rund um die St.-Pauls-Kirche und entlang der Landwehrstraße, nicht ein Notruf sei in der Einsatzzentrale der Polizei in den vergangenen Monaten eingegangen. Auch im zuständigen Revier gebe es "kein einschlägiges Hinweisaufkommen".

Selbst Alexander Miklosy (Rosa Liste), der Vorsitzende des Bezirksausschusses (BA) Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt, hatte die Anlieger des St.-Pauls-Platzes kürzlich darauf hingewiesen, dass es im Stadtteil weit problematischere Gegenden gebe als rund um die Kirche. Die Einsätze der wenigen und überlasteten Streetworker müssten gut eingeteilt werden.

Städtische Mitarbeiter haben sich in den vergangenen Monaten selbst ein Bild von der Lage gemacht. Danach kam das KVR zu dem Schluss, dass sich die Situation an der westlichen Landwehrstraße nicht deutlich verschlechtert hat. Das südliche Bahnhofsviertel sei "mit Betäubungsmittelkriminalität belastet", führte ein Vertreter des KVR aus. Doch der randläufige Bereich, das zeigten polizeiliche Datenbestände, sei kaum von solchen Delikten betroffen.

KVR und Polizei finden kaum Hinweise

Auch dafür, dass Obdachlose angeblich die Garageneinfahrten an der Landwehrstraße belegen, hat das KVR ebenso wenig wie die Polizei Hinweise gefunden. Bekannt sei, dass sich am St.-Pauls-Platz regelmäßig Menschen aus Südosteuropa aufhielten und das Kirchenumfeld vereinzelt zum Übernachten nutzten - vor allem, seit die Kirche für die Renovierung eingerüstet sei. Von einer auffälligen Steigerung der Zahl von Obdachlosen oder einer signifikanten Zunahme von Drogendelikten könne indes keine Rede sein, so die Auskunft des Polizeipräsidiums.

Nicht nur die Polizei, auch das Referat für Gesundheit und Umwelt, das die Streetworker stellt, weiß nichts über Drogenhandel und viele Obdachlose an der Landwehrstraße. Als Treffpunkt für Drogenabhängige sei die westliche Landwehrstraße keinesfalls bekannt, heißt es aus dem Referat. Aufgrund der Beschwerden würden Streetworker den Bereich in nächster Zeit verstärkt begehen.

Verdächtige Pappkartons bei der Paulskirche

Bislang hätten sie bei der Kirche, in Hinterhöfen und auf Baustellen im Viertel jedoch keine Erkenntnisse dazu sammeln können - weder zu Drogenhandel noch zu übernachtenden Obdachlosen; nicht einmal auf Lagerstätten seien sie gestoßen. Nur bei der Paulskirche habe man zwei Pappkartons gefunden, die als Unterlagen gedient haben könnten: Man will die Situation weiterhin beobachten.

Der Unterausschuss Öffentlicher Raum und Mobilität hält die Antwort des KVR nicht für überzeugend. Der Bezirksausschuss sei wie die Bürger der Meinung, dass sich die Situation rund um den Hauptbahnhof deutlich verschlechtert habe, sagte der Vorsitzende Florian Florack (CSU). Auf CSU-Initiative hin wurden nun interfraktionelle Anträge verabschiedet, die zwei weitere umstrittene Punkte im Bahnhofsviertel aufgreifen: die Bettelei und die Tagelöhnerarbeiten.

Die Verwaltung soll den BA darüber unterrichten, was seitens Stadt und Polizei in den vergangenen zwei Jahren gegen die mutmaßlich organisierte Bettelei unternommen worden sei und weiter unternommen werden könne. Außerdem möchte der BA informiert werden, welche Möglichkeiten Stadt und Zolls hätten, um die Situation der Tageslohnarbeiter sowie der Anwohner und Gewerbetreibenden im südlichen Bahnhofsviertel zu verbessern. Und sie wollen wissen, ob deshalb bereits Maßnahmen ergriffen wurden.

Grauer Arbeitsmarkt im Bahnhofsviertel

Im vergangenen Jahr habe die Bettelei rund um den Hauptbahnhof massiv zugenommen, begründet Florack den interfraktionellen Antrag. Allein auf dem kurzen Stück zwischen Bahnhof und Stachus hielten sich ein knappes Dutzend Bettler auf. Wegen der Tagelöhner gibt es schon seit mehreren Jahren Ärger - vor allem mit den Anwohnern und Gewerbetreibenden nahe der Kreuzung Goethestraße und Landwehrstraße; dort hat sich ein grauer Arbeitsmarkt entwickelt. Während der Woche stehen dort bis zu 20 Menschen und warten auf Arbeit.

Die Stadtteilpolitiker wollen wissen, wie die Verwaltung mit dieser Situation umgehe und wie Arbeitsschutz und Sozialversicherungsrecht gewahrt werden könnten. Und wie zu regeln sei, dass Tagelöhner mit den Anliegern friedlich auskommen. Konkret fragt der BA nach den Angeboten der Stadt für die Tageslohnarbeiter - Arbeitsangebote, Sozialarbeit - und danach, wie das Gremium die Verwaltung bei der Verbesserung unterstützen kann.

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