Attacke in München-Harlaching:Kleines Mädchen von Hund entstellt

Ein Hund hat in München ein zweijähriges Mädchen angefallen und sein Gesicht entstellt - womöglich für immer. Nun stellt sich heraus: Das Tier galt schon länger als aggressiv und hat bereits 2011 ein Kind attackiert. Die Besitzerin darf den Hund dennoch behalten.

Manuela Warkocz

Pauline war ein kleines, hübsches Kind. Aber jetzt? Ihre Mutter ist den Tränen nahe. Sie fragt: "Sind Sie gefasst? Dann zeig' ich Ihnen ein Bild, wie unsere Tochter kurz nach der Sache aussah." Sie zieht ein großformatiges Foto aus ihrer Tasche: Zu sehen ist das Gesicht eines zweijährigen Mädchens, eingerahmt von halblangen blonden Haaren, die linke Gesichtshälfte mit einem Pausbäckchen und wachem Auge. Die andere Seite zeigt ein entstelltes Fleischgebilde, blutunterlaufene Wunden, das Auge zugeschwollen.

München, Harlaching, Pauline Müller, Hundebissopfer vom Athener Platz

Die zweijährige Pauline liegt seit fünf Wochen schwer verletzt im Harlachinger Krankenhaus.

(Foto: Angelika Bardehle)

So schlimm zugerichtet wurde Paulinchen durch einen Hund. Der Labradormischling-Rüde hat das Kleinkind am 9. Juni bei einem Fest auf dem Athener Platz in Harlaching angegriffen. Das Tier gehört der 73-jährigen Karin Z. und ist, wie sich jetzt zeigt, seit längerem aktenkundig. Bereits im Februar 2011 hat der Hund ein Kind gebissen.

Die Besitzerin wurde vom Kreisverwaltungsreferat mündlich belehrt, durfte ihren Hund aber behalten. Im März diesen Jahres beschwerten sich Bürger aus Harlaching erneut, dass die Halterin ihren Hund nicht im Griff habe und mit ihm in der Nähe von Schulen und Kindergärten unterwegs sei. Daraufhin teilte das Kreisverwaltungsrat der 73-Jährigen per Brief mit, sie dürfe sich mit dem Hund Kindern nicht nähern.

Doch es war zu spät - das Schreiben wurde am Nachmittag des 9. Juni zugestellt, ein paar Stunden, nachdem der Hund dem Mädchen das Gesicht zerbissen hatte. Die Eltern fordern jetzt Konsequenzen. Sie wünschen sich, dass Kinder in München besser vor Hunden geschützt werden und wollen dies kommende Woche auch den Politikern im Bezirksausschuss vortragen, der sich mit der Attacke beschäftigt.

Dass Pauline ausgerechnet am Athener Platz angefallen wurde, trifft die Familie. "Wir leben unmittelbar daneben in einer kleinen Wohnung, unsere Tochter hat hier fast jeden Tag nach der Krippe gespielt", sagt Vater Armin. Auch Mutter Andrea fühlte sich wohl beim Griechischen Fest. Sie trifft dort Bekannte. Mit einer Mutter wechselt sie nach eigenen Worten "zwei, drei, maximal vier Sätze".

In den Sekunden entfernt sich ihre Tochter und geht auf Karin Z. und deren Hund zu. "Und dann war es schon passiert", sagt die Mutter. Der Labrador-Mischling, der sich auf Augenhöhe von Pauline befindet, verbeißt sich im Gesicht der Kleinen. "Ich konnte sie nicht schützen, das ging so schnell", sagt die Mutter. Sie habe dann "Paulinchen nur vom Boden gerissen und sofort weggetragen, ihr ganzes Gesicht war voller Blut".

Der Notarzt brachte das Kind ins nahe Harlachinger Krankenhaus. Dort konstatierten die Ärzte, dass "etwa fünf bis sechs Zähne - teilweise mehrere Zentimeter tief - in die rechte Wange eingedrungen" seien. Die außerordentliche Schwellung führen sie auf Wundkeime und eine Mitverletzung der Lymphabflussgefäße zurück. Seit fünf Wochen muss das Mädchen nun stationär versorgt werden. Mutter Andrea ist fast Tag und Nacht bei der kleinen Patientin, die 41-Jährige bangt jetzt um ihre Stelle als Vertriebsassistentin.

Über zehn Mal war eine Vollnarkose nötig, um die Wunden zu säubern, weil die Schmerzen sonst unerträglich für das Kind wären. Immer wieder treten Infektionen mit Fieber auf, muss Pauline stundenlange Antibiotika-Infusionen erdulden. Fraglich ist, ob Schäden an Muskeln, Sehnen und Nerven zurückbleiben werden.

Generelle Leinenpflicht

Mit Sicherheit, so die Auskunft der Klinik, "werden Narben zurückbleiben, die später durch plastische Operationsverfahren korrigiert werden müssen". Welche finanzielle Bürde zusätzlich zur seelischen noch droht, ist unklar. "Das alles ist eine Riesenbelastung für unsere kleine Familie", sagt der 42-jährige Vater.

Während die Polizei noch ermittelt, haben die Eltern einen Anwalt eingeschaltet. Sie wollen die Hundehalterin zur Rechenschaft ziehen und erheben Vorwürfe gegen das Kreisverwaltungsreferat. "Das hat aus meiner Sicht versagt und viel zu lasch reagiert", sagt der Vater. "Der Hund in Kombination mit dieser Frau ist offenkundig ein Sicherheitsrisiko. Der Hund muss ins Tierheim!" Deshalb hält er auch die Auflage, die das Kreisverwaltungsreferat (KVR) nun verfügt hat, für unzureichend: Karin Z. darf ihren Hund nur noch mit Maulkorb ausführen und sich nicht näher als drei Meter Kindern unter 14 Jahren nähern.

Das KVR bedauert die Hundeattacke. Die Behörde rechtfertigt ihr Vorgehen damit, dass man "an ein gewisses Stufenprinzip" gebunden sei. Nach dem ersten Vorfall 2011 habe sich die Halterin einsichtig gezeigt. Deshalb habe man von Auflagen abgesehen. Jetzt allerdings genüge es, wenn der Hund einmal ohne Maulkorb angetroffen werde und die Behörde davon Kenntnis erhalte - "dann nehmen wir ihn ihr weg".

Den Hund freiwillig abzugeben, lehnt die Besitzerin jedoch ab, wie sie auch im Gespräch mit der SZ unterstrich. Ihr tue "das mit dem Mädchen ganz schrecklich leid", sagt Karin Z., die selbst Kinder und Enkel hat. Aber ihr "Bippo" könne nichts dafür. Sie habe dem Kind noch gesagt: "Geh weg vom Hund!" Sie gibt den Eltern eine Mitschuld. Eine "Aufsichtsperson" sei nicht in der Nähe gewesen- eine Behauptung, die die Eltern entschieden zurückweisen.

Die Eltern wollen den Fall am kommenden Dienstag im Bezirksausschuss Untergiesing-Harlaching zum Thema machen. Sie regen unter anderem an, eine generelle Leinenpflicht einzuführen. Bezirksausschuss-Chef Clemens Baumgärtner (CSU) unterstützt den Vorstoß. Im aktuellen Fall sieht er das KVR in der Pflicht: "Der Hund ist eine tickende Zeitbombe. Er muss weg."

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