John Cleese in München:Wunderbare Welt der Scherzkraft

John Cleese

Stand-up-Comedy im Sitzen: John Cleese ist fast 80 und zeigte in München sein Programm "Last Time To See Me Before I Die".

(Foto: Eulenspiegel Concerts)

John Cleese bittet in der Philharmonie zur Audienz, und die Münchner kommen in Scharen. Es zeigt sich: Der Monty-Python-Held schlägt sich auch allein auf der Bühne beachtlich.

Von Oliver Hochkeppel

Es hätte der Aufforderung der Stimme vom Band sicher nicht bedurft, sich beim Erscheinen von John Cleese zu "spontanen standing ovations" zu erheben. So oder so wären alle in der Philharmonie bei seinem Einmarsch aufgestanden. War sein Gastspiel in München doch kein gewöhnlicher Auftritt, es fiel stattdessen in die seltene und besondere Kategorie der Audienz. Der Erfinder des "silly walk" gab sich die Ehre, der "Fawlty Towers"-Katastrophenbrite, der Größte (1,96 Meter!) der Monty Pythons, mit denen er in den Siebzigerjahren den seit jeher gerühmten britischen Humor noch einmal revolutionierte und weltweit exportierte.

Insbesondere nach Deutschland - man mag sich gar nicht vorstellen, um wie viel schlechter es um den ohnehin gerne gescholtenen deutschen Sinn fürs Komische ohne ihn und die Seinen stünde. Den enormen und nachhaltigen Einfluss mochte man schon an der erstaunlich großen Zahl von Kabarettisten und Comedians ermessen, denen man in der Philharmonie begegnete. Wie wohl 99 Prozent der Besucher sahen sie die Leinwand- und Bildschirm-Berühmtheit John Cleese zum ersten Mal live - und wahrscheinlich auch zum einzigen Mal. Der Programmtitel "Last Time To See Me Before I Die" atmet ja auch deshalb diesen "typisch britischen" schwarzen Humor, weil er das Mögliche drastisch auf einen einzigen wahren Kern verdichtet.

Eine Besonderheit solcher Audienzen ist, dass die Erwartungen fast zwangsläufig enttäuscht werden. Befinden sich die Angehimmelten doch da zumeist außerhalb ihres komischen Koordinatensystems, ob nun der Klarinette-spielende Woody Allen oder Helge Schneider im Blödelwettkampf mit einem Alexander Kluge. Auch John Cleese war zwar schon immer ein begnadeter Autor und Darsteller im komischen Fach, aber stets ein Teamworker, nie ein Solo-Stand-up-Comedian. Selbst sein Archie, die sich selbst auf den Leib geschriebene Paraderolle im "Fisch namens Wanda", in der er - sozusagen seine Monty-Python-Figuren zusammenfassend - endgültig den Typus des steifen, arroganten, zugleich von Versagensängsten wie Ausbruchsträumen getriebenen Briten vorexerzierte, selbst der also hätte nie alleine, ohne die von Michael Palin, Kevin Kline und Jamie Lee Curtis verkörperten Widerparts funktioniert.

Jetzt saß Cleese also ganz alleine auf einem Stuhl auf der riesigen, leeren Bühne der Philharmonie, fast 80-jährig und inzwischen mit einem ordentlichen Bäuchlein ausgestattet, las seinen Part von diversen großen Telepromptern ab - und schlug sich beachtlich. Immerhin hatte er sich für diesen nun in ähnlicher Form schon seit einigen Jahren gespielten und entsprechend ausgetesteten Abend ein ordentliches Konzept überlegt. Bis zur Pause bediente er vor allem die alten Fans und Nostalgiker. Von vielen Einspielern auf der Leinwand durchzogen blickte er auf die Anfänge, die Erfolge und die schönsten Sketche von Monty Python zurück. Erzählte ein bisschen aus seinem Leben, einschließlich einer Typologie der Hotels, für die er bei 80 Übernachtungen im Jahr schließlich Fachmann sei.

Nach der Pause wurde es grundsätzlich. Warum und worüber wir lachen, und wie der Profi das ausnutzt, das verhandelte Cleese nun. Es seien eben die menschlichen Schwächen, über die am meisten gelacht werde. "Worüber sollten wir sonst lachen? Über Gemüse?" Und da gelte die Regel: Je härter der Gag, desto größer der Lacher. Das exerziert Cleese dann genüsslich vor, etwa mit dem "Durchbruch in der Beleidigung von Menschen", der Szene mit dem kotzenden und explodierenden dicksten Mann der Welt aus "Wunderbare Welt der Schwerkraft". Vor allem aber, indem er sich "der Wiederbelebung des aus der Mode gekommenen rassistischen Witzes" widmet. Franzosen, Deutsche, Amerikaner, Mexikaner, Juden - alle kriegen eins übergebraten nach dem Muster: "Warum rasieren sich die Italiener? Damit sie nicht aussehen wie ihre Mütter." Alles klassifiziert in "naughty" - wirklich verletzend - und "teasing"- neckend.

Es endet schließlich, wo es enden muss: beim Tod. Dem schließlich kann man ja ausschließlich mit Humor ein Schnippchen schlagen. Und so rechnet Cleese dem Publikum vor, mit welcher Wahrscheinlichkeit es wie sterben wird, vom Herzinfarkt über den Autounfall bis zum Selbstmord ("die Leute auf dem Balkon bitte erst nach der Show"). Sicher, man hätte natürlich gerne ein paar neue Sketche gesehen. Oder aktuelle Gags gehört, über die Begrüßung der "Hauptstadt der Schweinefresser" hinaus. Aber für eine Audienz war das Ganze dann doch erstaunlich kurzweilig und lehrreich.

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