München:Flow der Melodien

Lesezeit: 2 min

Einen Hauch von Las Vegas bringt Lionel Richie in die Olympiahalle. (Foto: dombrowski)

Lionel Richie zelebriert seine Show als Hochamt

Von Ralf Dombrowski, München

Als junger Mann plante Lionel Richie, Priester zu werden. Er entschied sich dann zunächst für ein Intermezzo als Tennis-Stipendiat und wechselte bald darauf zur Musik, um mit verschiedenen R&B-Gruppen durch seine Heimat Alabama zu tingeln. Einen Hauch des Pastoralen amerikanischer Prägung kann er aber auch ein halbes Jahrhundert später noch nicht ablegen. Seine All-Night-Long-Show in der Olympiahalle ist eine pfiffige Mischung aus Vegas und Hochamt, die gegen Ende einer ausführlichen Europatournee mit der faszinierenden Präzision eingespielter Routine über die Bühne geht.

Denn auf der einen Seite ist da der Glamour des echten Popstars, der noch in der Motown-Ära groß wurde, mit Diana Ross im Duett sang, mit Michael Jackson "We Are The World" komponierte und darüber hinaus genügend Hits landete, um sich in Beverly Hills eine Villa im Hollywood-Format zu leisten. Andererseits präsentiert er Teile seines Konzerts mit der Gestik und Rhetorik eines Erweckungspredigers - weit geöffnete, empfangende Arme, mit steter Konstanz wiederholte Botschaften der Liebe und der Gemeinsamkeit mit dem Publikum, pathetische Gesten der Rührung - die er punktuell durch Running Gags wie das ihm von einer Bühnenhilfskraft mehrmals gereichte und amüsiert kommentierte Glas Erfrischungsgetränk voll knallroter Flüssigkeit oder auch durch nette Moderationen mit allerlei persönlichen Geschichtchen relativiert.

Dabei gelingt es Lionel Richie, sein Pubikum in einen Flow der Melodien zu betten, die bis auf wenige belanglose Stücke seiner jüngeren Karriere allesamt die Menschen mit wohligen Erinnerungen umwölken. "Hello", "Say You, Say Me", "Three Times A Lady" - gespielt an einem Flügel mit den Initialen "LR" und gesungen mit kraftvoller, intonationssicherer Stimme - sind Hymnen der Erinnerung an längst vergangene Feste der Jugend, an deren schmachtenden Momenten Richie mit seiner Musik teilhatte und deren nostalgischen Charme er mit viel Emphase noch immer wachrufen kann.

Wirklich gut aber wird die Show vor allem dann, wenn er auf die Songs der Commodores zurückgreift, auf "Lady (You Bring Me Up)", "Easy" und vor allem auf den Disco-Funk à la "Brick House". Dann läuft auch die Tourband zur Form auf und leistet sich kleine Freiheiten im sonst relativ engen Gestaltungskorsett des Hitparcours. Es sind auch die einzigen Momente, in denen Richie es sich erlaubt, einen Teil seiner Präsenz an die übrigen fünf Mitwirkenden abzugeben. Viel Raum allerdings bekommen die Solisten nicht, auch wenn mal der Gitarrist oder auch der Saxofonist sich ein paar Takte lang ins Spotlight stellen darf. Und diese letztlich durchdesignte Form kratzt dann auch ein wenig an der polierten Oberfläche des makellos ablaufenden Abends. So erscheint Lionel Richie etwa erst im unschuldsweißen Sakko mit großer Geste zur Zugabe, beschwört den Geist von "We Are The World" und kaum singt die Halle mit, ist er auch schon wieder auf dem Weg in die Garderobe und das Licht geht an. "All Night Long" ist eben doch nur Show und München die Station zwischen Zürich und Leipzig.

© SZ vom 26.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: