München:Ein Trick, der nicht funktioniert

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Christian Stupkas Ein-Cent-Idee könnte die ortsübliche Vergleichsmiete senken, lässt sich aber wohl nicht durchsetzen

Von Stefan Mühleisen, München

Christian Stupka grinst breit, der Saal applaudiert. Es ist kurz nach 20 Uhr am Mittwoch in der Freiheizhalle; bereits seit einer Stunde wälzen die Akteure beim SZ-Forum Strategien hin und her. Es geht um rapide Veränderungen in der Stadt, um steigende Mieten, um Verdrängung der Mieter und die viel geschmähte Gier von Investoren. Deutlich wird, dass es keine einfachen Lösungen gibt. Nur Stupka hat eine bestechend simple Idee - man könnte sie die Ein-Cent-Idee nennen.

Er schlägt vor, dass die städtische und genossenschaftliche Wohnungswirtschaft in einer konzertierten Aktion alle Mieten um nur einen Cent erhöhen. Dadurch würden, so sagt er, diese Wohnungen mit moderaten Mieten plötzlich in die Erhebungen für den Mietspiegel einfließen - und die ortsübliche Vergleichsmiete absenken. Die 300 Besucher im Saal feiern ihn für die Idee, quasi durch die Hintertür die Mietpreise zu bremsen. Experten nötigt der Vorstoß durchaus Anerkennung ab. Doch bei genauer Prüfung zeigt sich: Der Vorschlag hört sich charmant an, würde aber nicht funktionieren. Womöglich würde der Schuss sogar nach hinten losgehen.

Alarmstufe rot: Diese Farbe signalisiert im Mietspiegel die besten Lagen, die kaum noch zu bezahlen sind. (Foto: SZ Grafik)

In München gibt es seit 1994 einen Mietspiegel. Er ist eine Übersicht über die ortsüblichen Vergleichsmieten und liefert Bezugsgrößen für Mieterhöhungen. Vermieter müssen sich daran orientieren. Der Münchner Mietspiegel wird von Gerichten akzeptiert. Er basiert auf 3000 ausführlichen Mieter- und 1500 Vermieter-Interviews. Dazu werden Tausende Bürger per Zufallsprinzip am Telefon befragt. Maßgeblich ist, ob bei den Befragten die Miete in den vergangenen Jahren erhöht wurde, gleich geblieben ist oder ein Neu-Mietvertrag abgeschlossen wurde.

Der Ansatz: Die gestiegenen Mieten - was meist bei Neuvermietungen der Fall ist - bilden den Markt ab, unveränderte Bestandsmieten sind nicht relevant. Stupka glaubt: Nimmt man die 61 000 Wohnungen von GWG und Gewofag mit der Ein-Cent-Erhöhung in die Berechnung hinein, werden sie "mietspiegelrelevant" - mit positivem Effekt auf jene, die Mieterhöhungen fürchten müssen.

Hans-Otto Kraus hält das "grundsätzlich für eine gute Idee". Doch der GWG-Geschäftsführer, zugleich Vorsitzender des Vereins der Münchner Wohnungsunternehmen (VMW), fügt hinzu: "Praktisch ist das nicht durchführbar." Erstens könne die GWG nicht ohne Begründung alle Mieten erhöhen, ganz zu schweigen von dem Aufwand für 28 000 Neu-Mietverträge. "Auch wenn es nur um einen Cent geht: Es ist eine Mieterhöhung", betont Kraus. Und auch in der Theorie sieht er für Stupkas Idee kaum Chancen. Denn eine Ad-hoc-Erhöhung wäre bei vielen Mietern rechtswidrig, da auch bei GWG und Gewofag die Mieten mitunter angepasst würden. Die Hälfte des Bestands falle ohnehin weg, da dies geförderte Wohnungen seien, nicht relevant für den Mietspiegel. GWG-Prokurist Armin Hagen schätzt, dass von 750 000 Mietwohnungen in der Stadt nur ein Anteil von vier Prozent übrig bliebe. "Ich glaube, dass der Effekt nicht sichtbar sein würde", sagt Professor Göran Kauermann, der als Direktor des Instituts für Statistik an der Ludwig-Maximilians-Universität den Mietspiegel ausgewertet hat. Die Quote sei zu gering, um an der Durchschnittsmiete zu rütteln, allenfalls die Spanne könnte nach seiner Ansicht leicht nach unten korrigiert werden, und das auch "nur im Cent-Bereich".

SZ Grafik (Foto: N/A)

Beim Mieterverein zeigt die Vorsitzende, SPD-Stadträtin Beatrix Zurek, große Sympathie für Stupkas Ein-Cent-Idee. Sie sieht jedoch die Gefahr: Sollten die städtischen Gesellschaften das wirklich durchziehen, könnte es die Reputation des Mietspiegels schwer schädigen. "Die Gerichte könnten dies als Manipulation werten und den Mietspiegel dann nicht mehr anwenden."

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© SZ vom 26.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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