München:Die große Wiese

neu entstehender Stadtplatz am Ackermannbogen, nördlich der Petra-Kelly-Straße 29, in westlicher Verlängerung der Adams-Lehman-Straße

Die neue Mitte für den Ackermannbogen ist erst im Werden. Nördlich der Petra-Kelle-Straße soll bis Ende 2016 ein Stadtplatz als Quartiers-Zentrum entstehen.

(Foto: Florian Peljak)

Es wird viel Kritik geübt an der Monotonie mancher neuer Stadtquartiere. Der Ackermannbogen kommt in den Beurteilungen zur Architektur und den Grünflächen meist ganz gut weg - ein Rundgang

Von Günther Knoll

Ulrich Rauh ist das, was man in Bayern ein gestandenes Mannsbild nennt. Hier aber am Rand der sogenannten Großen Wiese im Ackermannbogen erweckt der Leiter der Abteilung Gartenbauplanung im städtischen Baureferat den Eindruck, er wünschte sich ein Kind zu sein. Rauh schwärmt in höchsten Tönen davon, wie der Teil der Wiese, wo das Sammelbecken für das Regenwasser angelegt ist, nach starken Regenfällen zum schlammigen Abenteuerspielplatz wird, auf dem die Kinder herumtoben. An diesem Spätnachmittag im Februar laufen allerdings nur ein paar Hunde übers Grün, und zwei Buben spielen mit Pfeil und Bogen. Wenn es erst wärmer werde, locke dieses "demokratische Grün" viele Bewohner der Siedlung ins Freie, erklärt Claudia Neeser. Die Diplomarchitektin leitet den Stadtspaziergang mit dem Titel "Kompakt, urban, grün: Freiraum- und Wohntypologien am Ackermannbogen", der zum Programm der Jahresausstellung "Freiraum 2030" der Stadt München gehört.

Dass diese große freie Fläche die Sichtachse zum nahen Olympiaturm bildet, das erkennen die Teilnehmer selbst. Auf dem Gelände der ehemalige Waldmann- und der Stettenkaserne im nördlichen Schwabing gleich in Nachbarschaft zum Olympiapark ist eine Wohnsiedlung entstanden, die mit ihren Gebäudetypen und der Freiraumgestaltung Anschauungsmaterial pur bietet nicht nur für Experten. Und so ist diese Führung auch ausgebucht. Die Teilnehmer - teils vom Fach, teils interessierte Münchnerinnen und Münchner - bekommen viel zu sehen in Sachen Grün: Anlagen, Dachgärten, begrünte Fassaden, Laubengänge, künstliche Hügel.

Derzeit entsteht gerade ein kleines Ortszentrum. Rauh spricht von der Urbanen Mitte, er deutet auf den Bestand an Bäumen und Gehölzen, der die Überplanung prägt. Ruhebänke, ein Brunnen mit Spritzdüsen für die Kinder, dessen Beschreibung Rauh erneut ins Schwärmen geraten lässt, Freiluftkicker und -schach, aber auch ein "Ort der Stille", der wie ein großer Laubengang wirken soll, all das wird gebaut. Doch auch Praktisches bekommt Platz in diesem Zentrum, das Bestandteil eines großen Grünzugs ist: eine Furt für Busse und für Radfahrer, Anschlüsse für die Standbetreiber eines Wochenmarktes. Dazu soll ein Nachbarschaftsgarten für gemeinschaftlichen Obst- und Gemüseanbau entstehen, der laut Rauh zu einer "Spezialität des Ackermannbogens" wird.

Eine bereits sichtbare Besonderheit ist die dort verwirklichte "Münchner Mischung" aus privaten Bauträgern, sozialem Wohnungsbau und genossenschaftlichen Projekten - das verhindert Uniformität in der Fassaden- wie in der Freiraumplanung. Schon die Häuser der Wagnis-Genossenschaft sind dafür ein gutes Beispiel: Dort entscheiden die Bewohner, was mit Dächern und Vorplätzen passiert. Das reicht dann vom Urban Gardening bis zum gemeinsamen Grillplatz und zur Sonnenliege auf dem Dach. Und es kann sogar ein Stück Wildnis direkt vor der Haustür sein.

Enger geht es zu im dritten Bauabschnitt in Richtung Olympiapark, dessen elf Gebäude mit 320 Wohnungen seit 2007 fertig sind. Di e Besonderheit dieses " Solarquartiers" ist die Nutzung der solaren Nahwärme. Die Stadtwerke München betreiben eine Anlage mit 3600 Quadratmetern Kollektoren, mit denen Wasser zum Heizen erwärmt wird. Der Speicher für die 5700 Kubikmeter Wasser wurde unter einem Hügel vergraben, der zum Rodeln genutzt werden kann. Hinter dem Rest des Aushubmaterials entstand ein Bolzplatz. Für die Enge der Bebauung werden die Bewohner mit großzügigen Freiräumen in direkter Umgebung entschädigt.

Im wesentlichen habe der alte Baumbestand der Kasernen den Rahmen für die Freiflächengestaltung vorgegeben, sagt Landschaftsarchitektin Rita Lex-Kerfers, die mit dem Architekten Christian Vogel den städtebaulichen und landschaftsplanerischen Ideenwettbewerb für den Ackermannbogen gewann. Sie ist bei der Führung dabei und zeigt sich "insgesamt zufrieden" mit dem, was umgesetzt worden ist. Vor allem die Zeit - der Wettbewerb liegt 19 Jahre zurück - sowie das Geld führten zu Abstrichen. So hätte eine ursprünglich geplante Promenade entlang der großen Wiese den Ackermannbogen noch schöner gemacht, glaubt Lex-Kerfers.

Doch insgesamt wirkt das Quartier durch großzügige Freiräume und viel Grün. Klar, dass in einer Stadt, in welcher der Wohnraum knapp und teuer wird, diese Form von Großzügigkeit hinterfragt wird. Wenn genügend Freiraum vorhanden ist, dann müsse es auch dichter gehen, resümiert Rauh zum Schluss, ein paar Stockwerke mehr hätten dem Ackermannbogen nicht geschadet. Unter den Teilnehmern des Stadtspaziergangs erhebt sich kein Widerspruch.

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