München:Die Bürgertram

Grünwald feiert seine Straßenbahn, die seit 105 Jahren von München in die Isartalgemeinde rollt. Ihr Bau wurde erst durch Privatinitiative möglich, Gemeinde und Landkreis sichern den Bestand

Von Tobias Krone

Der verstorbene Modeschöpfer Rudolf Mooshammer war nicht für seine Liebe zur Trambahn bekannt. Und dennoch grüßte er auf seinen Ausfahrten mit Chauffeur regelmäßig die Trambahnfahrer, wenn sie mal wieder in seinem Wohnort Grünwald Station machten, erzählt Klaus Onnich, stellvertretender Vorsitzender des Vereins "Freunde des Münchner Trambahnmuseums", der selbst fünf Jahre lang Trambahn fuhr.

Seit 105 Jahren pendeln die Grünwalder mit der Bahn in die Münchner Innenstadt. Am Samstag feierten etwa 2500 Besucher ihre Trambahn am Derbolfinger Platz in Grünwald, wo ein Festzelt aufgebaut war. Historische Trambahnwagen waren zu besichtigen, es wurden Pendelfahrten zwischen Grünwald und Großhesselohe angeboten. Die 100-Jahr-Feier vor fünf Jahren fiel unter anderem aus, weil die Zukunft der Tram damals noch unsicher war. Erst 2014 schlossen der Landkreis München, die Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) und die Gemeinde einen Verkehrsvertrag über den Betrieb und die Finanzierung der Linie. Bürgermeister Jan Neusiedl (CSU) sagte am Samstag, die Tram sei aus dem Ortsbild nicht mehr wegzudenken. Der Bestand sei dauerhaft gesichert.

München: Fahrgäste in historischen Gewändern besteigen am Samstag die Tram.

Fahrgäste in historischen Gewändern besteigen am Samstag die Tram.

(Foto: Claus Schunk)

Die Tram nach Grünwald ist eine Besonderheit im Straßenbahnnetz. Der Bau der Linie geht auf ihr bürgerschaftliches Engagement und unternehmerisches Geschick zurück. Dass die Straßenbahn auch heute noch in den Vorort fährt, ist der Hartnäckigkeit ihrer Kommunalpolitiker zu verdanken. Als einzige Linie überquert sie die Stadtgrenze Münchens. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts entwickelte sich Grünwald mit seiner Burg und seiner Lage hoch über dem Isartal als beliebtes Ziel für Ausflügler. Zudem entdeckten wohlhabende Münchner den Vorort als privilegierte Wohnlage. Eine schnelle Anbindung an das Stadtzentrum fehlte aber noch. So setzte sich Rudolf Rosa, Direktor der Heilmannschen Immobiliengesellschaft, 1897 für eine Trambahnlinie ein. Auch eine Betreiberin, die Kölner "Elektrizitäts-Aktiengesellschaft Helios", war bald gefunden. Doch die Stadt München stellte sich gegen das Projekt von außen - die Münchner Trambahn-AG wollte es gerne selbst stemmen. Daraus wiederum wurde zunächst nichts: Die Elektrifizierung des Münchner Pferdebahn-Netzes verschlang zwischen 1895 und 1900 eine Summe von acht Millionen Goldmark. Netz-Erweiterungen wie die Linie nach Grünwald wurden daher hintangestellt. 1907 folgte ein weiterer Vorstoß von Rudolf Rosa: Er hatte das zu erwartende Defizit auf der Linie durch den Wald berechnet: jährlich "90 607,95 Mark". Er ließ sich nicht entmutigen und überzeugte nun mehr als 100 Anwohner der künftigen Linie von der Idee, die Hälfte dieses Defizits über persönliche Garantien von jährlich bis zu 1000 Mark auszugleichen. 1910 wurde die zehn Kilometer lange Gleistrasse vom Münchner Ostfriedhof bis zum Derbolfinger Platz in Grünwald in nur fünf Monaten gebaut. Die Grünwalder Bürger und der umtriebige Immobilienunternehmer hatten es geschafft: Dabei hätte ein Gerichtsprozess die Tram beinahe verhindert. Ausgerechnet der Erfinder des gleichnamigen Verbrennungsmotors Rudolf Diesel klagte 1908 gegen die Heilmannsche Immobiliengesellschaft, mit der Begründung, diese habe ihm Grundstücke zu überteuerten Preisen verkauft. Ein Sieg in der letzten Instanz hätte wohl zum Ende des Immobilienunternehmens geführt - und möglicherweise auch das Aus des Kampfes um die Trambahn bedeutet. Doch vor Gericht gewann das Unternehmen, Rudolf Diesel geriet in finanzielle Nöte.

Hinterstellanlage, Ansturm am Wochenende Tram Grünwald Straßenbahn 1937

Noch im Jahr 1930 gab es eine Abstellanlage in Grünwald, um dem Ansturm der Münchner Herr zu werden.

(Foto: MVG-Archiv)

An den Wochenenden war dann auf der neuen Linie 25 am meisten Betrieb. Besonders beliebt war die Runde, die mit der Isartalbahn von Obersendling auf den Gleisen der heutigen S7 nach Höllriegelskreuth führte. Nach einer Flussüberquerung zu Fuß über die Grünwalder Isarbrücke, für die damals noch ein Wegzoll verlangt wurde, stiegen die Ausflügler in Grünwald in die Tram zurück in die Stadt. Sogar eine Rundreisekarte gab es in den Dreißigerjahren zu 50 Pfennigen zu kaufen.

Mit dem Wirtschaftswunder in den Fünfzigerjahren ließ der Ausflugsverkehr allmählich nach: Die Münchner fuhren nun lieber mit dem eigenen Auto ins Oberland, als mit der Tram ins Isartal. Dieser Fahrgastrückgang hätte 1982 beinahe zur Stilllegung der Linie geführt. Der Protest des parteifreien Grünwalder Bürgermeisters Franz Rieger und eine Abkehr vom Rückbau der Trambahnen in der Münchner Verkehrspolitik verhinderten die Stilllegung. Seit 2014 teilen sich MVG und die Gemeinde Grünwald die Betriebskosten. Die Tram fährt derzeit auf gesichertem finanziellen Boden. Die Züge befördern heute werktags mehr als 6000 Fahrgäste.

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