München:Der Versuchsballon verpufft

Mit großem Aufwand warb die Stadt für die Zwischennutzung des Parkplatzes an der Gmunder Straße. Nun rätselt man, weshalb die Bürger so wenig Interesse an den "Freiraum-Schichten" zeigten

Von Jürgen Wolfram, Obersendling

Da die bauliche Verdichtung unaufhaltsam fortschreitet, drängt sich die Frage auf, was aus der Straßenkultur, aus Spiel, Spaß und Sport in der Nische um die Ecke werden soll. Das Planungsreferat der Stadt glaubt, eine halbwegs befriedigende Antwort gefunden zu haben: Die temporäre Bespielung von Freiflächen könnte zur Entspannung der Situation beitragen, also die Zwischen- oder Mehrfachnutzung von Grundstücken, die darauf warten, dass der Bagger anrollt.

Mit diesem Konzept experimentiert die Stadt, unterstützt von Initiativen, Vereinen und dem Bezirksausschuss, gerade auf dem ehemaligen Siemens-Parkplatz an der Gmunder Straße in Obersendling. Am attraktiven Programm herrschte so wenig Mangel wie an aktionistischem Wortgeklingel ("Freiraum-Schichten", "Vagabundierender Freiraum"). Was jedoch bisher an fast jedem Tag der "Freiraumzeit" gefehlt hat, war die Publikumsresonanz. Warum das so ist und wie man es besser machen könnte, untersuchte eine Talkrunde am Ort des Geschehens, hoch oben auf der Plattform des Aussichtsturmgerüsts.

Zwischennutzungsprojekt  Freiraum-Schichten auf dem alten Siemens-Parkplatz Gmunder Straße 12. Zwischen 17 und 20 Uhr kam leider kein einziger Besucher.

Das Gerüst steht, aber die Menschen fehlen im Projekt an der Gmunder Straße.

(Foto: Florian Peljak)

Die Defizite waren unter den Diskussionsteilnehmern rasch ausgemacht. Zu kurze Vorbereitung, fehlende Einbeziehung der unmittelbaren Nachbarschaft, für Berufstätige ungeeignete Anfangszeiten, unzulängliche Werbung, unglückliche Terminwahl in den Sommerferien, geringer persönlicher Einsatz wichtiger Akteure - auf diese Erklärungen konnte man sich recht schnell verständigen. Aber es müsse wohl mehr im Spiel sein, wenn trotz beträchtlichen organisatorischen Aufwands kein stärkeres Echo erfolgt, so das Fazit. Ist München zu voll und zu satt? Wollen die Leute außer Würstelbuden, Bier und Live-Musik wirklich nichts geboten bekommen? Oder ignorieren die Obersendlinger das Treiben an der Gmunder Straße weitgehend, weil sie wissen, dass nach zehn Tagen ohnehin alles wieder vorbei ist?

Vom "Drama der Endlichkeit" war beim Talk auf dem Turmgerüst durchaus die Rede, von Begehrlichkeiten, die geweckt, aber langfristig nicht erfüllt werden. Janine Lennert vom Verein Spiellandschaft Stadt zeigte als weitere Herausforderung auf, ein für alle Generationen gleichermaßen attraktives Programm auf die Beine zu stellen. Die "Freiraumzeit"-Projektleiterin Tina Schmitt räumte ein, dass der Aktionsort "sehr tot" wirke. Dennoch handle es sich insgesamt um ein "Leuchtturmprojekt", schon weil es in Obersendling erstmals gelungen sei, einen privaten Grundeigentümer kostenlos für eine Kooperation zu gewinnen.

München: In der Diskussionsrunde über das Freiraum-Projekt wurde ausgelotet, was man besser machen kann.

In der Diskussionsrunde über das Freiraum-Projekt wurde ausgelotet, was man besser machen kann.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Bei der extrem schwach besuchten Eröffnung der "Freiraum-Schichten" an der Gmunder Straße hatte der Bezirksausschuss-Vorsitzende Ludwig Weidinger (CSU) sein Bedauern kundgetan, dass der seit Jahren verwaiste Parkplatz nicht schon viel früher mal gezielt belebt worden sei. Die BA-Kulturbeauftragte Andrea Barth (SPD) sprach sogar von einem "idealen Freiraum" für ein "Freiraum"-Projekt. Nur die Veranstaltungsform dürfe ein wenig "hipper" sein. Schließlich rühmte Gisela Karsch-Frank vom Planungsreferat, Abteilung Grünplanung, die Vorzüge des Konzepts. Es sei insofern vorbildlich, als sich die Leute der jeweiligen Umgebung ohne Konsumzwang kennenlernen und zugleich noch Spaß bei Angeboten wie Open-Air-Kino, Strick-Workshop, Beach-Volleyball, Zirkeltraining oder Großpicknick haben könnten.

Nicht alle Nachbarn des Parkplatzes, der in spätestens zwei Jahren zur Großbaustelle werden dürfte, teilten beim Talk diese Sichtweise. "Der Platz wirkt abstoßend, man müsste ihn viel wohnlicher gestalten und Zugangsschwellen senken, wenn man die Menschen aus der Umgebung erreichen will", lautete der Kommentar eines Anwohners. Ein anderer Diskussionsteilnehmer kommentierte die Bemühungen des Planungsreferats gleichfalls ernüchternd: "Die Gmunder Straße interessiert doch keinen, macht lieber was am Ratzingerplatz, in der Nähe von belebten Läden."

Zwischennutzungsprojekt  Freiraum-Schichten auf dem alten Siemens-Parkplatz Gmunder Straße 12. Zwischen 17 und 20 Uhr kam leider kein einziger Besucher.

Eine Absperrung, die mit Stoff verschönert wurde.

(Foto: Florian Peljak)

Um eine nachsichtige Bewertung der Obersendlinger "Freiraum-Schichten" bat am Ende Ulrich Riedel vom Planungsreferat. Das Ganze sei letztlich als Versuchsballon ohne Erfolgszwang zu verstehen, ein Aufzeigen, welche Art von Flächen für Zwischennutzungen in Betracht kommen. Die Anregungen der Gesprächsrunde nehme er auf und werde sie in den politischen Prozess einspeisen, versprach Riedel. Dazu zählt der unter Studenten verbreitete Wunsch, bei der Stadt feste, kompetente Ansprechpartner zu finden, wenn mal jemand die Initiative zur Zwischennutzung von Freiflächen ergreifen will.

Ob das Areal an der Gmunder Straße "genügend Potenzial" aufweist, wie Diskussionsleiterin Karsch-Frank meinte, blieb am Ende offen. Ein Obersendlinger rang sich immerhin zu einem versöhnlichen Schlusswort durch: "Wir sind schon froh, dass bei uns überhaupt mal was passiert."

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