München:Der Spatz in der Hand

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Deutlich erhöhte Stadtteil-Budgets machen den Bezirksausschüssen den Verzicht auf einen Bürgerhaushalt schmackhaft

Von Berthold Neff, München

Geld regiert die Welt, im Großen wie im Kleinen: Es ist offenbar die Aussicht auf ein annähernd mehr als viermal so großes Budget, das viele Bezirksausschüsse dazu bringt, Abschied zu nehmen vom großen Wurf des Bürgerhaushalts und sich mit dem neuen Stadtbezirksbudget abzufinden. Dass es vor allem die CSU-Vertreter in den Stadtviertel-Gremien sind, die den neuen, abgespeckten Plan aus dem Rathaus gerne akzeptieren, wurde in dieser Woche im Bezirksausschuss (BA) Sendling-Westpark deutlich.

CSU-Fraktionssprecher Alfred Nagel formulierte es so: "Wir sind froh, dass die Verwaltungs-Hydra tot ist." Er bezog sich darauf, dass der ursprüngliche, vor allem von den Grünen geforderte Bürgerhaushalt eine breite Beteiligung der Einwohner vorsah, die über eine noch zu errichtende Online-Plattform einen Wettstreit der Ideen austragen sollten. Vor allem in diesem virtuellen Raum, aber auch durch schriftliche Anträge sollte es den Bürgern möglich sein, bestimmte Investitionen und Projekte für ihr Viertel zu fordern. Diese sollten dann aus einem großzügig von der Stadt gefüllten Topf finanziert werden. Das alles wäre ziemlich ins Geld gegangen, man hätte wohl mehr als 20 neue Planstellen in den Geschäftsstellen für die Bezirksausschüsse benötigt, weiteres Geld hätte die Entwicklung der virtuellen Plattform verschlungen.

Die Grünen, die sich von Anfang an energisch für die Idealform eines Bürgerhaushalts eingesetzt haben, zeigen sich nun ziemlich enttäuscht. "Die Partizipation ist unter den Tisch gefallen", sagte Uwe Kramm, der Grünen-Fraktionssprecher. Das nunmehr "aufgemotzte BA-Budget" könne nicht darüber hinwegtäuschen, dass eine wahre Bürgerbeteiligung auch künftig nicht stattfinden werde. Auch die SPD sieht das abgespeckte Modell, das nun vom Rathaus favorisiert wird, recht kritisch. "Richtig freuen kann ich mich nicht", sagte Dieter Sturm, der SPD-Fraktionssprecher. Nun müsse man erreichen, "dass nicht alles von der ursprünglichen Idee verloren geht". Das Modell des Stadtbezirksbudgets solle eine breite Teilhabe der Bürger ermöglichen. Auf jeden Fall, das machte auch der Gremiumsvorsitzende Günter Keller (SPD) klar, wollen die BA-Mitglieder die Regeln des Verfahrens selbst bestimmen. Schließlich, so der übereinstimmende Tenor, habe man durch die bisherige Vergabepraxis im Unterausschuss Haushalt viel Erfahrung gesammelt, um das Geld für die von den Bürgern gewünschten Projekte richtig zu verteilen.

Zu verteilen gibt es einiges, wenn sich der Stadtrat tatsächlich entschließt, den 25 Stadtbezirken pro Einwohner zwei Euro für das neue Stadtbezirksbudget zur Verfügung zu stellen. Um nicht nur Stadtvierteln wie Ramersdorf-Perlach mit seinen 113 600 Einwohnern, sondern auch den Kleinen wie Altstadt-Lehel (22 000 Einwohner) größere Sprünge zu ermöglichen, will man ein Zehntel der 3,1 Millionen Euro, die sich aus der Münchner Einwohnerzahl von 1,55 Millionen ergeben, als Sockelbetrag an die Bezirksausschüsse überweisen, das wären jeweils 12 400 Euro. Der Rest ergibt sich aus der Kopf-Pauschale, sodass Sendling-Westpark künftig ein Gesamt-Budget von 163 300 Euro pro Jahr zur Verfügung hätte. Zum Vergleich: Das bisherige BA-Budget beträgt lediglich 34 100 Euro. Spätestens 2018, so die BA-Forderung aus Sendling-Westpark, soll der neue Topf gefüllt sein.

© SZ vom 25.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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