München:Der Spatz in der Hand

Knapp 800 000 Euro mehr im Jahr, das wird nicht reichen für die Professionalisierung der Nachbarschaftstreffs. Der Stadtrat will diese Summe festschreiben. Für die Betroffenen aber ist sie "nur eine Ausgangsbasis"

Von Thomas Kronewiter

Die Arbeit der Münchner Nachbarschaftstreffs soll gestärkt werden. Der Sozialausschuss des Stadtrats will dazu in seiner Sitzung an diesem Donnerstag Mittel für einen jährlichen Mehraufwand in Höhe von 768 000 Euro freigeben. Dass viele Fachleute in den Stadtvierteln vom Arnulfpark bis zum Walchenseeplatz dennoch empört sind, erklärt sich aus der Vorgeschichte: Das Sozialreferat hatte vor Monaten beim ersten Versuch, die Arbeit in den Treffpunkten zu professionalisieren, noch selbst den Ausbaubedarf wesentlich höher angesetzt. Damals hatte der Stadtrat den Vorstoß zurückgepfiffen, SPD-Stadtrat Christian Müller nannte den vorgesehenen Millionenbetrag im November 2014 "nicht darstellbar".

Nun soll es zumindest standardisierte Personal-Verbesserungen geben, dazu Honorarpauschalen für die Raumverwaltung. Von einem "minimalistischen Ansatz" spricht Johannes Seiser, geschäftsführender Vorstand des Vereins für Sozialarbeit, dessen Verein allein mit fünf Adressen in der Liste der Treffs vertreten ist. Warum ein großer Aufschrei - anders als noch im vergangenen Jahr - dennoch ausgeblieben ist, erklären Sozialarbeiter mit der Übereinkunft bei einem Träger-Treffen vor wenigen Tagen. Man wolle nun zumindest den Minimalstandard sichern und Planungssicherheit bekommen, also eine Art sicherer Startrampe mit der Option, besonders drängende Einzelfälle womöglich zusätzlich aufzuwerten. So ist in der Vorlage des Sozialreferats immerhin die Abkehr vom bisher lange gepflegten Prinzip der Ehrenamtlichkeit nach einer hauptamtlichen Anschubphase festgeschrieben: Künftig sollen im Regelfall Profis mit jeweils halben Stellen dafür sorgen, das die ehrenamtliche Arbeit in den Quartieren dauerhaft begleitet wird und nicht nach einer Anfangsphase womöglich versandet - wofür es durchaus Beispiele gibt. Bisher haben viele der dort Angestellten gerade in etablierten Treffs weniger als zehn Stunden pro Woche zur Verfügung.

Wie wichtig die Arbeit für den Zusammenhalt der Stadtgesellschaft ist, unterstreicht Sozialreferentin Brigitte Meier selbst in ihrem Papier. In den Nachbarschaftstreffs gelinge es, "das Dorf in die Stadt zu bringen, den sozialen Zusammenhalt zu stärken und den Menschen zu ermöglichen, selbst aktiv zu werden", heißt es. Die unzureichende Ausstattung der Treffs mit dem Risiko, "dass dadurch der Erfolg gefährdet ist", hatte sich die Verwaltung denn auch von einer sogenannten Wirkungsanalyse bestätigen lassen.

Nun, klagt Trägerchef Seiser, rücke der Stadtrat wieder von dem Ziel ab, das er 2013 im Hinblick auf die Wirkungsanalyse noch selbst formuliert habe. Die Kollegen seien "irritiert und enttäuscht", formuliert er das allgemeine Unbehagen. Insbesondere habe man im Kreis der Betroffenen das Gefühl, dass "die Politik der Verwaltung die Feder geführt" habe - statt, wie sonst üblich, die Experten einen Vorschlag machen zu lassen und diesen dann politisch zu diskutieren.

Wird die Vorlage so beschlossen, stellt sich für den Vorstand des Vereins für Sozialarbeit Ende 2015 ganz konkret die Frage, "welche Projekte wir einstampfen". Denn wie Seiser betont, komme sein Verein künftig sogar schlechter als bisher weg: 2014 habe man beispielsweise für die Blumenau eine halbe Stelle mit Stiftungsmitteln auf 0,75 aufgestockt. Von 2016 an bleibt wieder nur die halbe Stelle übrig - obwohl die Stadt im laufenden Jahr 2015 die Finanzierung der Dreiviertel-Stelle nach der Anlaufphase sogar übernommen habe. Aus dem Beschlussvorschlag, der den Ist-Stand bei den städtischen Ausgaben 2014 mit der Planung für 2016 vergleicht, geht dies jedoch nicht hervor.

Warum man am Ackermannbogen einen dritten Treffpunkt schafft, sich die Räume von der städtischen Wohnungsbaugesellschaft Gewofag auch mietfrei zur Verfügung stellen lässt, aber mit dem bloßen Hinweis auf höhere Sach- und Maßnahmekosten die Personalfinanzierung dem Träger überlässt, versteht Seiser ebenso wenig. "Nicht sauber" nennt er solche Passagen in dem Papier, das er allenfalls als "Ausgangsbasis" sieht. Werde darin der Eindruck erweckt, das Paket sei mit den Trägern im Einvernehmen geschnürt worden, sei das nicht korrekt. Seiser spricht in diesem Zusammenhang sogar von "Lüge".

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