Würde Münchens wärmster Platz prämiert, der Odeonsplatz käme auf Platz eins. Wo sonst fühlten sich die Sonnenstrahlen wärmer an, windgeschützt durch Residenz und Theatinerkirche, wo sonst zauberten sie ein wärmeres Gelb vor den Himmel? Es ist wirklich eine volkswirtschaftliche Verschwendung ersten Ranges, dass durch den Umbau des Tambosi die maximalmögliche Monetarisierung dieses Phänomens durch eine Kaffeehaus-Terrasse schon seit Wochen und für weitere Monate ungenutzt bleibt.
Würde Münchens kältester Platz prämiert, der Odeonsplatz läge ebenfalls weit vorne. Konkurrent wäre allenfalls noch der Königsplatz. Sie nehmen sich nicht viel als Schauplätze der unheilvollsten Aufmärsche in der Geschichte dieser Stadt, die die Nazis zur "Hauptstadt" ihrer Bewegung kürten.
Diese Gedanken kommen einem, wenn man am Odeonsplatz steht, der sich im Moment vor allem als große Baustelle präsentiert, an der der Tambosi-Anteil noch der geringste ist. Denn die Stadtwerke treiben hier, wovon die Bautafel kündet, einen "Kälteerzeugungsschacht" in den Boden hinein. Die Erklärung ist profan: Die Stadtwerke liefern nicht nur Fernwärme, um winters Häuser zu heizen; sie erzeugen auch Fernkälte, um sommers Bürogebäude oder Computerserver zu kühlen.
Ökonomisch ist das eine gute Monetarisierungsmöglichkeit, ökologisch eine sinnvolle Idee, um Energie zu sparen. Und am Odeonsplatz wird nun der unterirdische Stadtgrabenbach angezapft, um die nötige Kälte zu liefern.
Kälte erzeugen am Odeonsplatz, irgendwie paradox. Das gelingt sonst nur den Rechten von Pegida, wenn sie vor der Feldherrnhalle ihre Fahnen schwenken und die rechte Hand in den Himmel recken. Das machen sie, wen wundert's, stets abends, wenn die Sonne verschwunden ist, wenn ihre Wärme auch diesen Platz verlassen hat. Ihn wird der Kälteerzeugungsschacht nicht stören; von ihm wird, wenn er fertig ist, so versprechen es die Stadtwerke, an der Oberfläche nichts mehr zu sehen sein.