München:Das Dilemma der Dichte

Das "Münchner Forum" will mit einer Diskussionsreihe ausloten, wie sich die Wohnqualität in der Stadt auch dann sichern lässt, wenn die Menschen enger zusammenrücken müssen

Von Thomas Kronewiter

Das Dilemma jeder Stadtplanung zeigt sich beispielhaft im Münchner Arnulfpark, einem der jüngsten Viertel der Millionenstadt. Während die Masse der Passanten bewundernd auf den großen Park zwischen dem Wohnquartier und den Bahngleisen schauen dürfte, leben die Bewohner auch mit den Rückseiten ihrer Häuser. Und dort gibt es nicht nur verkehrsberuhigte Fußgängeranger, sondern auch Stellen, an denen sich beispielsweise eine Tiefgarageneinfahrt direkt neben einem Erdgeschoss-Schlafzimmer befindet - oft genug mit permanent heruntergelassenem Rollo vor dem bodentiefen Fenster.

Diese Beobachtung hat Ingrid Krau vom Münchner Forum gemacht. Die ehemalige Inhaberin des TU-Lehrstuhls für Stadtraum und Stadtentwicklung untersucht mit dem Arbeitskreis "Stadt: Gestalt und Lebensraum" des mit Stadtgestaltungsfragen befassten Vereins "Münchner Forum" derzeit die Probleme, die das immer stärkere Zusammenrücken der Münchner mit sich bringt. Und sie fühlt sich an den Mietwohnungsbau der Fünfzigerjahre erinnert, der "mit seinen harten ökonomischen Zwängen" wiedergekommen sei. Kraus Kritik an Teilen des Arnulfparks: Nur Schritte vom Hauptbahnhof entfernt, könne man sich kein urbaneres Quartier vorstellen. Doch in der Realität sei man stellenweise "ganz weit draußen im Vorort".

München: Kompakt und grün: Der Arnulfpark ist eng bebaut, hat aber durchaus seine schönen Seiten.

Kompakt und grün: Der Arnulfpark ist eng bebaut, hat aber durchaus seine schönen Seiten.

(Foto: Catherina Hess)

Mit einer Diskussions- und Workshopreihe zum Thema "Urbane Dichte gestalten" will das Münchner Forum in den kommenden Monaten Ansätze und Empfehlungen erarbeiten, die Wege aus diesem Dilemma aufzeigen könnten. Die Architektin Doris Zoller hat sich im Rahmen ihrer Promotion und in einem Forschungsprojekt mit der "Herausforderung Erdgeschoss" befasst. Sie hat in ganz Deutschland und den Nachbarländern Positiv-Beispiele ausgemacht und daraus eine Reihe von Forderungen abgeleitet. Zu den Zielen zählt etwa der Wunsch nach einer Nutzungsmischung und einer Stärkung von Kommunikation. Was sich so selbstverständlich anhört, macht in der Realität oft genug Probleme. Zum Beispiel, weil ein Bauunternehmen sich entweder auf Gewerbe-, oder auf Wohnimmobilien spezialisiert habe. Eine Ladeneinheit im Erdgeschoss könne da den Investor schon vor Probleme stellen. Von einem Berliner Beispiel lässt sich die Alltags(un)tauglichkeit exemplarisch ableiten: Dort hat eine Baugemeinschaft nach Errichtung ihres Gebäudes an der Oderberger Straße im Prenzlauer Berg die Rechtsform gewechselt und für die Vermietung und Verwaltung der Erdgeschosszonen eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) gegründet. "Das kann man von keiner Baugemeinschaft erwarten", resümierte Zoller, "und das ist das Problem".

Mitunter ist auch einfach mit kluger Planung viel zu erreichen. Nicht immer sind bodentiefe Fenster im Erdgeschoss die richtige Lösung, oft hilft ein Sockel. In Fürstenfeldbruck, das berichtete die Architektin Manuela Skorka, war bei der Überplanung eines ehemaligen Schulgeländes an einer trotz Innenstadt-Anbindung vergleichsweise ruhigen Stelle das Bedürfnis nach Kommunikation so groß, dass sich die am neu gestalteten Niederbronner Platz anliegenden Einrichtungen wie Kindertagesstätte und Altenheim aktiv um direkte Zugänge bemühten.

München: Problematisch: Die Einfahrt zur Tiefgarage stört die Arnulfpark-Bewohner

Problematisch: Die Einfahrt zur Tiefgarage stört die Arnulfpark-Bewohner

(Foto: Catherina Hess)

Ein in München immer wieder gelobtes Quartier stelle die Siedlung am Ackermannbogen dar, wie Anwohner Erich Jenewein schilderte. Dort sind offene Durchgänge, Begegnungsräume, Gemeinschaftsgärten, Dorfplätze von den Bewohnern, darunter vielen Baugemeinschaften und -genossenschaften, selbst initiiert worden. Jeneweins Erfolgsbilanz: "Hier liegt es vor allem an den Bewohnern."

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