Entschädigung für Shutdown:Wieder ein Wirt, der hoffen darf

Allianz

Die Versicherungen berufen sich bei ihrer Weigerung zu zahlen auf ihre Allgemeinen Versicherungsbedingungen.

(Foto: Marc Müller/dpa)

Rund 160 000 Euro will Guido Schweighart von der Allianz. Eine Handelskammer des Landgerichts sieht die Versicherung in der Corona-Pflicht - das Urteil soll Ende Januar verkündet werden.

Von Stephan Handel

Eine neue Runde im Kampf Münchner Gastronomen um Leistungen aus ihrer Betriebsschließungs-Versicherung - dieses Mal: Guido Schweighart, der seit 2002 das "Guido al Duomo" am Frauenplatz, hinter dem Dom, betreibt. Rund 160 000 Euro will er von der Allianz, weil er - wie alle anderen Wirte auch - von Ende März bis in den Mai schließen musste. Die Versicherung jedoch weigert sich zu zahlen. Am Landgericht München I sind mittlerweile mehr als 100 solcher Verfahren anhängig. Die ersten Urteile gaben den Wirten recht, sind jedoch noch nicht rechtskräftig.

Schweighart geht einen etwas anderen Weg als die meisten seiner Kollegen: Er hat die Klage nicht zu einer Zivil-, sondern zu einer Handelskammer des Gerichts eingereicht. Diese ist neben einem Berufsrichter mit zwei Laienrichtern besetzt, die selbst Kaufleute sind. Schweigharts Anwalt sagt, der Grund dafür liege nicht in der Hoffnung, diese würden einem quasi Kollegen gegenüber verständnisvoller sein: "Ich dachte mir, dass es bei der Handelskammer vielleicht schneller geht."

Es dauerte dann aber doch fast zwei Stunden - auch weil Martin Scholz, der Vorsitzende Richter, sich die Zeit zur ausführlichen Diskussion mit den Anwälten nahm. Die Versicherungen berufen sich bei ihrer Weigerung zu zahlen auf ihre Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) - in denen der Allianz steht zwar, dass die Betriebsschließungs-Versicherung eintritt, wenn "die zuständige Behörde aufgrund des Infektionsschutzgesetzes beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten" den Betrieb schließt; dann wird für höchstens 30 Tage pro Jahr ein vorher vereinbarter Tagessatz als Entschädigung bezahlt. Aber: Weiter hinten in den AVB findet sich eine Liste mit Krankheiten und Krankheitserregern, die von der Versicherung umschlossen sind - diese Liste ist aber nicht identisch mit jener, die im Infektionsschutzgesetz enthalten ist.

Die Zivilkammern des Landgerichts, die ähnliche Fälle bereits verhandelt haben, sahen das so, dass einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer nicht zuzumuten ist, AVB und Gesetzestext nebeneinander zu legen und zu vergleichen, wogegen er denn jetzt eigentlich versichert ist. Richter Scholz meinte jedoch, von einem Kaufmann - ein solcher ist Schweighart als Prokurist der GmbH, die sein Restaurant betreibt -, von einem Kaufmann "kann man schon erwarten, dass er ins Gesetz reinschaut".

Das ist aber nicht das eigentliche Problem - das Corona-Virus, das die Schließung der Gastronomie im März ausgelöst hat, gab es noch gar nicht, als Schweighart seine Versicherung abschloß. Es gibt im Infektionsschutzgesetz allerdings eine Art Generalklausel, in der es um die meldepflichtigen Krankheiten geht: Dazu zählen neben denen auf der Liste auch solche, von denen "eine schwerwiegende Gefahr für die Allgemeinheit" ausgehe. Heißt das nun, dass ein neu auftretender gefährlicher Erreger sozusagen automatisch mitversichert ist? Oder gelten für immer und alle Zeiten nur jene Erkrankungen, die in den AVB aufgelistet sind?

Einen Hinweis darauf findet das Gericht weiter hinten in den Versicherungsbedingungen: Dort wird ausdrücklich festgestellt, dass Prionenerkrankungen nicht versichert sind. Wenn es eine solche Ausschluss-Klausel gibt und Corona ist darin nicht erwähnt - dann sollte das doch heißen, dass das Virus eingeschlossen ist? Zu dieser - vorläufigen - Auffassung kommt das Gericht nach einer Beratung: "Wir sehen einen Versicherungsfall", sagt Martin Scholz, ein Urteil soll Ende Januar verkündet werden. Die Versicherungen haben auf den Ärger mit ihren Viren-Versicherungen mittlerweile reagiert - und alle noch bestehenden Policen gekündigt, auch die von Guido Schweighart.

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