Müller-Brot-Prozess:Mal zu viel, mal zu wenig Mäuse

Hygieneverstöße führten 2011 dazu, dass Müller-Brot schließen musste. Der Betrieb ging mit hohen Schulden pleite. Beim Prozessauftakt gegen drei ehemalige Chefs weisen diese Untreuevorwürfe und andere Anklagepunkte zurück

Von Katja Riedel, Landshut

Es dauert an diesem Vormittag in Saal 10 des Landgerichtes Landshut. Die beiden Staatsanwälte stehen zur Rechten des Vorsitzenden Richters Alfons Gmelch, und sie tragen abwechselnd vor. Zwei Anklageschriften müssen sie verlesen, in denen es mal um zu viel, mal um zu wenig Mäuse geht: Zum einen sind da die Hygieneverstöße, die in der ehemaligen Großbäckerei Müller-Brot jahrelang festgestellt worden waren und die schließlich am 30. Januar 2011 zur Schließung des Betriebes führten. Zum anderes ist es das Geld, das fehlte. Das nicht da war, um diese Missstände zu beseitigen. Vor allem aber fehlte es, um zu verhindern, dass die Großbäckerei, einst eine der größten Europas, krachend pleiteging und einen Berg von etwa 80 Millionen Euro Schulden hinterließ.

Reihenweise Listen verlasen die Staatsanwälte also, fast vier Stunden lang. Listen voller haarsträubender Details, die die Ekelvorwürfe in der Fabrikhalle untermauerten. Und noch längere Listen, auf denen all jene offenen Rechnungen protokolliert wurden. Die Anklage glaubt, die drei ehemaligen Müller-Brot-Chefs auf der Anklagebank hätten diesen Gläubigern ganz bewusst verschwiegen, dass das Unternehmen längst pleite war, nämlich gut zweieinhalb Monate vor dem Gang zum Insolvenzgericht. Die drei Ex-Chefs um den ehemaligen Mehrheitseigner und Millionär Klaus-Dieter O. hörten sich all die umfangreichen Betrugs-, die Untreue- und lebensmittelrechtlichen Vorwürfe zunächst schweigend an, mit Mienen, die keine Regung zeigten. Möglicherweise gaben sie sich auch deshalb entspannt, weil ihre Anwälte Richard Beyer, Stephan Bonell und Ulf Israel manches im Köcher zu haben glauben, wie sie bereits in der ersten Verhandlungspause gegenüber den Medienvertretern angekündigt hatten.

Ihre ersten Einlassungen trugen die Angeklagten dann auch nicht selbst vor, ihre Anwälte übernahmen diese Aufgabe. Es waren Vorträge, in denen die Angeklagten die gegen sie erhobenen Vorwürfe weitgehend von sich wiesen. Mit Spannung war vor allem die Aussage des ehemaligen Mehrheitsgesellschafters Klaus-Dieter O. erwartet worden. Aus heutiger Sicht, so sagte er in seiner Stellungnahme, hätte er wohl sicher manches anders gemacht. Dennoch widersprach er dem Vorwurf, Geld aus dem Unternehmen genommen zu haben, das ihm nicht zustand, wie die Anklage annimmt. Etwa 500 000 Euro soll er für angebliche, nie verwirklichte Werbezwecke auf das Konto seines Gestüts, der Famos GmbH in Norddeutschland, bezogen haben. Geld, das laut O. lediglich Teil seines Geschäftsführergehaltes gewesen sei. Tatsächlich habe er seit der Übernahme der Mehrheitsanteile 2004 einen Betrag von 22,7 Millionen Euro in das Unternehmen gesteckt, zusätzlich für 3,5 Millionen Euro gegenüber der Commerzbank gebürgt und auch dies bereits gezahlt.

Müller-Brot

Eine Filiale von Müller-Brot in München. Einige mussten nach der Insolvenz schließen, für andere ging es unter neuen Eigentümern weiter.

(Foto: Sven Hoppe/dpa)

Ähnlich argumentierte sein ehemaliger Produktionsgeschäftsführer Jürgen K., der monatlich rund 20 000 Euro auf das Konto einer von ihm geführten Bäckerei bezog. Diese Überweisungen seien sein Gehalt als freiberuflicher Geschäftsführer von Müller-Brot gewesen, so K.. Einen schriftlichen Vertrag habe er nie unterzeichnet. Auch der kaufmännische Geschäftsführer Stefan H. verwehrte sich gegen den Vorwurf, mittels Luftbuchungen einen Millionenkredit zugunsten der Bäckerei bei der Commerzbank erschlichen zu haben. Er legte dem Gericht ausführlich dar, wie diese Buchungen, die das Ergebnis verbesserten und den Kredit wohl überhaupt ermöglicht haben sollen, auf legalem Weg zustande gekommen seien. Alle drei ehemaligen Ex-Chefs von Müller-Brot beteuerten, dass sie sich auch in Sachen mangelnder Hygiene nichts zuschulden hätten kommen lassen. Sie unterstellten, dass die Betriebsschließung durch die Behörden eine Revanche der Regierung von Oberbayern gewesen sein könnte, weil Müller-Brot gegen diese und deren Kontrollen drei Wochen vor der Schließung eine Klage eingereicht habe.

Der Vorsitzende Richter Alfons Gmelch verzichtete zunächst darauf, zu den Aussagen der drei Angeklagten Fragen zu stellen. Dies soll im Laufe der Beweisaufnahme erfolgen. Während Klaus-Dieter O. seine persönlichen Verhältnisse, seinen Aufstieg vom Brotfahrer zum Millionär, bereits am ersten Verhandlungstag schilderte, sollen dies seine beiden ehemaligen Untergebenen nachholen. Für die weiteren Verhandlungstage kündigte Richter Gmelch an, die wirtschaftliche Situation werde der "rote Faden" sein, der sich durch die Sitzungen ziehen werde.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: