MTV Europe Music Awards:Kindischsein gehört dazu

Der Musiksender MTV bittet die Popsternchen zur Verleihung des Europe Music Awards nach München. Doch von dem nach Sender-Angaben "größten europäischen Musikevent" wird die Öffentlichkeit wohl nicht viel mitbekommen.

Jochen Temsch

Man kennt das von kleinen Kindern: Sie kauern im Wohnzimmer hinter einer dürren Yucca-Palme, halten sich die Augen zu und rufen: Du siehst mich nicht! Wie drollig.

MTV Europe Music Awards: Beyonce ist eine der Anwärterinnen auf den MTV European Music Award. Die Öffentlichkeit wird von der Verleihung selbst aber nicht viel mitbekommen.

Beyonce ist eine der Anwärterinnen auf den MTV European Music Award. Die Öffentlichkeit wird von der Verleihung selbst aber nicht viel mitbekommen.

(Foto: Foto: AP)

So ähnlich klingt, was der Musiksender MTV zur Verleihung seiner Europe Music Awards am 1. November in der Olympiahalle verlautbart: Man werde Außenbühnen und Public-Viewing-Leinwände "sehr runtergefahren bis gar nicht" und kaum Eintrittskarten anbieten können. Der Grund, so eine Sprecherin des Senders, sei "ein Problem mit der Öffentlichkeit". Auch das ist eher ulkig. Man muss sich nur mal die Ausmaße dieses laut Eigenwerbung "größten europäischen Musikevents" vor Augen führen.

Für die Musikpreise nominiert sind neben vielen anderen Pop-Protagonisten zum Beispiel Justin Timberlake, Beyoncé, Foo Fighters, Linkin Park, My Chemical Romance, Avril Lavigne, Amy Winehouse und die Nicht-mehr-nur-Lokalhelden Sportfreunde Stiller. Laut MTV wird das Spektakel in 179 Länder übertragen. So erreicht es potentiell 1,4 Milliarden Menschen und lässt sich annähernd mit den Ausstrahlungen zur Fußball-Weltmeisterschaft vergleichen.

Aber wie bei der WM gibt es auch bei MTV zwei Zuschauerschaften. Die einen sitzen in aller Welt am Fernseher. Die anderen möchten gerne in der Olympiahalle sein oder wenigstens drumherum etwas erleben.

Da fängt das Problem mit der Öffentlichkeit an. MTV-Chefin Catherine Mühlemann lobt München, ein ehemaliger Standort ihres Unternehmens, zwar als "tolle Stadt mit vielfältigen kulturellen Wurzeln", übersah jedoch deren katholische Stränge.

Die große Sause findet an Allerheiligen statt, dem hohen Feiertag zum Gedenken der Toten, ein sogenannter "stiller Tag". An diesen erlaubt das bayerische Feiertagsgesetz öffentliche Unterhaltungsveranstaltungen nur, "wenn der diesen Tagen entsprechende ernste Charakter gewahrt ist".

Der Moderator des Abends, Rapper Snoop Dogg, versprach dagegen eine "absolut ausgeflippte" Party. Doch zum Kampf der Kulturen, Kirche gegen globalisierte Entertainment-Industrie, kam es nicht. Das Erzbistum München protestierte scharf, sah aber von weiteren Schritten gegen das scheinbar Unabwendbare ab.

Dafür hält MTV den Ball verhältnismäßig flach. Vom Unernst, den die Münchner Awards weltweit massiv ausstrahlen werden, sollen sich hiesige Kirchen- und Friedhofsgänger nicht gestört fühlen.

Allerdings veranstaltet der Sender vor der Gala eine ,,MTV Music Week'' mit täglichen DJ-Sets und Konzerten in verschiedenen Clubs und Hallen. Zur Verleihung selbst kommen nur geladene Gäste aus dem Musikgeschäft und Verlosungsgewinner. Außerdem gibt es ein Fan-Casting in den Filialen einer Modekette. Möchtegern-Zuschauer jubeln um die Wette, und eine Jury entscheidet, wer in die Olympiahalle darf. Kindischsein gehört dazu.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: